Lieblingminne von
Elisàr von Kupffer und Eduard von Mayer
Verlobt
Den 30. April. War das die Liebe? Ich bin verlobt.
Erfasst dich kein Wonneschauer bei diesen Worten? Und dieses Wort ist doch der Inbegriff alles irdischen Jugendglückes […]
O Walter, Walter, wenn du nicht wärest, es wäre zum Sterben langweilig. Wenn du mir neckisch einen Kuss raubst, wenn du scherzend mit mir durch die Felder streifst, das ist Leben. Jede Laune von dir ertrag ich gerne; der Übermut steht dir gut. Ich mag nicht lange bitten. Und du verstehst so hübsch um Verzeihung zu bitten, du lieber Wildfang. Aber Marie […]
Den 10. Mai. […] Walter, in dir steckt das, was ich brauche.
Marie ist deine Schwester, aber sie gleicht dir, wie der Mond der Sonne. Die Sonne macht mich lebensfroh, die Sonne regt meine Sinne an, sie erwärmt mich, sie erweckt meinem Schaffensdrang. Du bist solch eine mutwillige Sonne.
Ist es nicht Frühling? Der Mai ist gekommen. Weisse Flocken fallen vom Himmel und decken die junge Erde mit einem Leichentuch.
Was redet ihr noch und wundert euch über das Regellose. Seht ihr es nicht, ihr weisen Stümper, die ihr Natur und Menschen zu kennen glaubt, wie sie eurer Regeln spotten?
Wie oft ist der Frühling kein Frühling, nein rau und kalt, und der Winter milde und sanft. Gibt es nicht Frühlingsstürme? Deckt nur mit eurem bleichen Tuch der Sitte das blühende Leben zu. Manche Knospe verwelkte, weil sie des Sonnenscheins, der Liebkosung bedurfte, doch Regen und Wind sie zerzauste.
Ist denn des Menschen Seele allein an der Oberfläche, dass man ihn nach langen und kurzen Haaren, nach simplen Gewohnheiten klassifizieren kann? Wo hört die Pflanze auf und wo beginnt der Tierreich? […]
Hans, du träumst wider. Die Welt wird nicht anders. Sie will betrügen und betrogen sein. Die Lüge ist des Menschen liebstes Kleid, in der er sich zu Hause fühlt. Nur wenige schämen sich nicht dem Feiertagskleid der Wahrheit, denn es ist spinneweben, und Schönheit wie Hässlichkeit schauen hindurch.
Den 15. Mai. […] Du bist ja verlobt […] Welchen Grund hast du, eine solche Perle von dir zu werfen? Du entehrst sie […]
O Walter, Walter, warum hast du mir dies angetan, böser, schöner Genius […]
Den 17. Mai. Das ist wider natürliches und göttliches Recht, nicht dass ich so bin, sondern das man mich zwingt, anders zu sein, als ich bin […]
Elisàr von Kupffer, aus der Novelle «Verlobt» im Buch «Ehrlos».
Die Novelle schildert im Anfang aus dem Tagebuch eines jungen Mannes, wie er dazu kommt sich zu verloben, aber von Liebe zu dem jungen Bruder seiner Braut erfasst wird, während diese ihm fremd bleibt.
Antinous
Es graut. Die ersten roten Strahlen schleichen
Ins marmorne Gemach. Die Sonne haucht
Dem letzten ihrer Götter auf die weichen
Lichtbraunen Glieder einen Kuss. Sie taucht
Das schöne Haupt mit seinen feuchten Locken
In duftig Rot. Doch er erwacht nicht mehr.
Kein Atem schwellt die Brust, die Pulse stocken.
Tot ist er — tot und trägt nach nichts Begehr.
* * * * *
Tot – tot, mein Liebling! Nie mehr wirst du lachen!
Nie spricht dein Mund so wahrheitsfroh zu mir!
Nie wird dein Blick den Armen reicher machen!
Die Welt, die ich beherrscht, nahmst du mit dir!
Hin – hin! – und nimmer – nimmer kommst du wieder,
Mein schöner Jüngling?! Du, der mich geliebt!
Kein Lenz — kein Lenz erweckt die jungen Glieder …
Ich war so reich – und nun – ists, wie zerstiebt!
Soviel des Alters mehrt das Leid der Erden,
Allein die Jugend stirbt – und du – und du!
Die Hässlichkeit will bei uns heimisch werden,
Allein die Schönheit stirbt – und du – und du!
Du buhltest nie um Gold in meinen Armen.
Nur Mensch war ich allein an deiner Brust.
An deiner Seite mocht ich froh erwärmen …
Ha! wer entriss dem Cäsar seine Lust?!
Dich zog ein Dämon in des Niles Fluten,
Ein falscher Dämon, der zu herrschen strebt
Und der die Erde sonnenfroher Gluten
Mit einem Volk von Heuchlern nun belebt.
Ich lernte herrschen, lernte auch verachten.
Mein Reich ist weit, jedoch ich habs durcheilt –
Faul ist die Welt – ich möcht nicht übernachten,
Nicht atmen, wo dein froher Sinn nicht weilt.
Dich schmäht der Heuchler – buhlt um neue Gnaden …
Ich bin der Herr … Man ehrt des Cäsars Macht!
Ich will vor deinen Richterstuhl sie laden –
Du wirst ein Gott! Ich trotz der neuen Nacht! …
* * * * *
Er sitzt am Lager, eingehüllt in Schweigen –
Er sinnt und sinnt. Der Sonne Lichter fliehn.
Er schweigt und schweigt. Die Abendschatten steigen
Vom Nil herauf und es wird Nacht um ihn.
Schweigsamer Mann, was starrst du auf den Toten?
Es ist der Lauf der Welt, dass alles stirbt
Und wieder stirbt. Wer hat ein Halt geboten?
Der ist ein Gott, der um das Heute wirbt.
Die schwachen Menschen brauchen ihre Götter,
Der finstre Unmut ist dem Freien Feind,
Der Greise wird am frohen Sinn zum Spötter,
Die Eulen klagen, wo die Sonne scheint.
Elisàr von Kupffer
Der Lieblingsjünger
Es war am See Genezareth …
Zwei junge Männer warfen Netze
Nach Fischen aus.
Im blonden Haar des einen Jünglings
Verfing die müde Sonne sich.
Und Jesus Christus ging vorüber.
«Willst du mir folgen, Freund Jakobus?
Und du – Johannes?
Der Jüngling warf den weissen Mantel
Um seine lichtgebräunten Glieder –
Sah ihn begeistert an und – folgte …
* * * * *
«Man führt dich einst, wohin du nicht willst.»
So kündete Er Simons böses Ende.
Und Simon deutet auf den schönen Jüngling,
Der Jesus an der Brust gelegen,
Das Pochen seines Herzens fühlte:
«Herr, Herr, was wird aus Diesem?»
«Und wenn ich wollte, dass er ewig lebte,
Was geht es dich an, Simon Petrus?!»
Und damit wandte sich der Heiland,
Gefolgt von seinem Lieblingsjünger.
Und zu den Andern sagte Simon:
«Uns ist Er Freund, doch Jenen liebt Er.»
* * * * *
Der mich liebt und Den ich liebe,
Beide, beide sind sie mein!
Und ich möcht gestorben sein,
Wenn ich einsam bliebe!
Bald von treuer Huld getragen,
Fühl ich mich in Ruh gewiegt,
Bald von zarter Glut besiegt,
Alles selbst zu wagen.
Alle Kräfte sich verschlingen
So zu festem Lebensband;
Liebe hält den Stürmen Stand,
Fördert das Gelingen.
Der mich liebt und Den ich liebe,
Den ich lieb und Der mich liebt:
Jeder, auch empfangend, giebt
Liebe hin um Liebe.
Elisàr von Kupffer
Der Genesende spricht
Horchet Stern bei Stern,
Liebling, wenn Du betest,
Lauscht auch Gott dir gern.
Darum musst auch danken
Du, bin ich gesund,
Muss ja sonst erkranken,
Schweigt dein süsser Mund.
Was ich auch gelitten,
Wiegt es noch so schwer,
Deine lieben Bitten
Wiegen ja noch mehr.
Elisàr von Kupffer
Ich habe mein Geschick in dir gefunden
Und ist die ganze Welt in Wonne,
So quält michs doch wie Missgeschick,
Und blind, mein Freund, scheint mir die Sonne,
Trifft trüb und finster mich dein Blick.
Und liegt die Welt in grauem Schleier,
Doch es liebkost dein Auge mich,
So schwöllt zu stiller Jubelfeier
Im Herzen mirs: Ich liebe dich!
Ich habe mein Geschick in dir gefunden,
Das ich so lange, ach! umsonst gesucht;
Hab ich so oft als Kette doch verflucht,
Was uns vom ersten Augenblick verbunden.
Denn damals schon, in jenen ersten Stunden,
Da uns ein Ungefähr zusammentrug
Und mir dein Jünglingherz entgegenschlug,
Da ward ich Dein: ich hab es froh empfunden.
Und floh ich dich, und musst ich dich verwunden,
Ich tat es blind, in eigenwillgem Irren.
Doch was mich blendete, ist jetzt entschwunden,
Mein Herz durchlebte seine wilden Wirren
Und musste endlich doch für dich gesunden.
In ewger Liebe bin ich dir verbunden.
Eduard von Mayer
In der Villa Borghese
Im grünen Laube der Eichen
Liegt golden der Sonnenschein
Und durch die Äste streichen
Die Winde ihren Reihn.
Der blaue Himmel breitet
Sich lächelnd darüber aus,
Die Sonne glänzt und gleitet
Dahin am ewigen Haus.
Ich sitze still am Bronnen
Und lausch dem murmelnden Lied,
Und alles, was mir zerronnen,
Durch meine Seele zieht.
Und alles, was ich habe,
Wird mir so warm, so klar:
Wie glücklich macht mich die Gabe
Der Liebe, die tief und wahr!
Was mir entschwand – ist entschwunden,
Und was mir ward, ist mein.
Ich habe dich gefunden,
Mein Liebling, drum bin ich dein.
Eduard von Mayer
Das nebenstehende Gedicht ist eine Huldigung an Antinous und die männliche Schönheit. Im mittleren Teil des Gedichts spricht Kaiser Hadrian durch die Worte von Elisàr von Kupffer zu seinem Liebling, der 130 im Nil ertrunken ist.
Die Osiris-Statue symbolisiert das Jenseits, die Wiedergeburt und den Nil.