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Der unbekannte Gott

Bist du mit deinem Leben unzufrieden?

Wünschtest du dir nichts mehr als für dein Herz, für deine Gesundheit, dein Gelingen?

Fehlt dir nichts? – sorgest du nicht um dein Fortkommen, um die Zukunft dir nahestehender Lieben?

Nein??

Dann blick doch um dich und sieh deine Nächsten sich mühen und plagen, sorgen und leiden, darben und entbehren, oft auch inmitten gleissender Güter. Dann wirst du einsehen, wie wirr und dunkel das Leben ist.

Und bist du unzufrieden – einsam – traurig – hungrig – leidend – sorgenvoll, dann weisst du schon, wie wirr und dun­kel das Leben ist.

Hat das Leben für dich eine Aussicht – einen Zweck – einen Sinn? Wozu mühest du dich? – statt ein trostloses Leben abzutun – warum willst du leben?

* * *

Du hörtest die Kirche, du hörest die Wissenschaft über das Leben reden und predigen.

Befriedigen dich ihre Lehren? – gaben Sie dir Kraft im Unglück?– Mut im Zweifel? – Licht in der Verwirrung? Sagten sie dir, warum du leidest und doch nicht verzagen sollst? – sprachen sie dir von deiner persönlichen Lebensaufgabe? – von deiner Mitarbeit am Werke Gottes?

Sprachen sie dir vom unbekannten Gott?

* * *

Wie antworten Kirche und Bibel auf deine Fragen?

1 Wie sind die Welt, das Leben, die Menschen ent­stan­den? – fragst du. «Gott der Alleinige schuf euch aus dem Nichts, das Werk seiner Willkür seid ihr allesamt.» So sagt die Kirche.

Nachdem er also in der Ewigkeit der Zeiten nichts! ge­schaf­fen hatte, schuf er plötzlich euch und für euch alle Gestirne, die ihr – nicht seht! Wirklich?

 

2 Woher ist das Werk des Allmächtigen und All­gü­ti­gen so voller Elend? – fragst du. «Des Sünden­falls wegen. Der Mensch sollte seinen freien Willen nur zum Gehorsam benutzen, missbrauchte ihn aber, um die Erkenntnis des Guten und Bösen zu erlangen.» So antwortet die Kirche.

Mit andern Worten: der Mensch «missbrauchte» also seine Freiheit, nicht aus Hochmut, sondern weil er Gott besser erkennen und Gott ähnlicher werden wollte. Durch das Stre­ben zu Gott geriet also Gottes – vor dem Sündenfall doch voll­kommenes – Werk in Unvollkommenheit. Wie?! Dass er Gott ähnlich werden wollte, war doch keine Sünde; sagt doch Chris­tus selbst: «seid wie eurer Vater im Himmel».

 

3 Warum verzieh der Allgütige nicht seinem Ge­schöp­fe? – fragst du. «Weil er neben sich keinen Eigenwillen dulden kann. Und daher rächte er sich an seinem Ge­schöp­fe, verhängte Leiden, Not und Tod über die Kreatur. Wohl lässt er Nahrung wachsen und hilft, wem er will, aber er versucht auch und verführt den Menschen, sein Ge­schöpf, zum Bösen. Er sendet in immer erneuertem Zorn alle Plagen über sein Geschöpf: Krankheiten, Sorgen, Hungersnot, Krieg, Überschwemmung, Erdbeben, Zerstörung – um den Men­schen zu vernichten und zu demütigen.» So lehrt die Kirche, und die Bibel sagt:

 

«Der Herr … hat erwürget alles, was lieblich anzusehen war … Er hat ohne Barmherzigkeit zerstört. Herr, schaue und sieh doch, wen du verderbt hast. Sollen denn die Weiber ihres Leibes Frucht essen? … Du hast ohne Barm­herzigkeit ge­schlach­tet.»

Klagelieder Jeremias 2

Also frage ich: zerstören ist göttlich?! und der Mensch soll laut den zehn Geboten doch nicht töten, noch rauben und vergewaltigen – etwa nur, weil das Gottes Vorrecht wäre?!

 

4 Und gibt es kein Mittel, den Allgütigen zu ver­söh­nen?! – fragst du. «Ja, sagt die Kirche: ein solches Mittel ist das Bekenntnis des Menschen, dass er ein un­seliges Nichts sei, der das Gute nicht einmal wollen, viel we­ni­ger vollbringen könne – so dass nur ein schreckliches Blut­opfer seine Nichtswürdigkeit tilgen kann. Als daher alle frü­he­ren Rachegerichte den Eigenwillen des Menschen nicht hatten brechen können, liess der schreckliche Allmächtige Gott sich selbst, als Christus, ans Kreuz schlagen, um durch seine eignes Blut die Schuld des Menschen wider Ihn zu bezahlen. Nur wer die unbedingte Notwenigkeit dieses göttlichen Selbstopfers zur Selbstversöhnung des göttlichen Rachezorns bekannt, der fin­det das ewige Heil.»

Es war einmal ein steinreicher und allmächtiger Neger­sul­tan; dem schuldeten arme Leute den Mietzins für ihre Palm­hütte. Da sie nicht bezahlen konnten, liess er sie martern, etliche töten und ihre Hütten – die ihm selbst gehörten – zün­dete er an. Schliesslich wollte er Gnade vor Schuldrecht er­gehn lassen, er strich aber die Schuld nicht einfach aus, son­dern verkaufte seinen guten Sohn an einen abgefallenen kleinen Häuptling. Den Erlös legte er in seine Kasse und nun galt die Schuld derer als beglichen, die diesen Handel billigten.1

 

5Und ist durch das Christusopfer nun der Mensch erlöst? – fragst du. «Nur derjenige Mensch ist erlöst, antwortet die Kirche, den der Allmächtige aus seinem Gnadenbelieben zur Demut zu befähigen geruht. Alle anderen verfallen ewiger Höllenqual.»

* * *

Gibt dir diese Lehre aller bestehenden Kirchen und Sekten Trost und Kraft?

Wozu mühst du dich in Arbeit? Will der Allmächtige dir wohl, so fällt dir das Glück in den Schoss – beliebt es ihm nicht, so ist dein Sorgen umsonst. Und wozu mühst du dich in Selbsterziehung? Will Gott dich in sein Reich, so heiligt er dein Herz – beliebt es Ihm nicht, so lässt er dich in Sünde, Unrecht und ewige Strafen stürzen.

 

«So erbarmet er sich nun, wessen er will, und verstocket, wen er will. So sagtest du zu mir: Was beschuldigt er denn uns? Wer kann seinem Willen widerstehn? Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst? Spricht auch ein Werk zu seinem Meister: Warum machst du mich also? Hat nicht ein Töpfer Macht, aus einem Klumpen zu machen ein Ge­fäss zu Ehren und das andre zu Unehren? Derhalben, da Gott wollte Zorn erzeigen und kundtun seine Macht, hat er mit gros­ser Geduld getragen die Gefässe des Zorns, die das her­ge­rich­tet sind zur Verdammnis.»

Römer 9, 18–22

Diese Gotteslästerung lehrt der nach Kirchenansicht in­spi­rier­te Paulus der Bibel. Weiss du nun etwa, ob der Allmächtige dich zum Gefäss der Ehren oder Unehren bestimmte – zum hei­li­gen Kelch oder zum Geschirr der Notdurft?

Gibt dir der Willkür- und Rachewahn der Kirchenlehre Mut und Freudigkeit? Fragtest du dich selbst nie: weshalb denn diese endlose Rache des angeblich allmächtigen und all­gütigen Gottes? Weil der jung geschaffne Adam vom ver­bot­nen Baume ass? Ist das nicht allzu – kindlich?! Und dafür wird die ganze Schöpfung zu qualvollem Tode verurteilt? Dafür hast du einen dir Lieben qualvoll sterben sehen?! Könnte irgend ein Despot grausamer sein? Würdest du mit deinem Kinde so verfahren? Wirklich? Sehnt sich dein Herz nicht nach höherer Güte?2

* * *

Und was antwortet die monistische Wissenschaft auf diese Fragen?

1Ist die Welt erschaffen? – fragst du. Nein, heisst es. Seit Ewigkeiten besteht die ganze Welt. In Allem wirkt und waltet unbeschränkbar der ur-eine Weltengrund. Nichts ist ausserhalb dieses All-Eins und in jedem Dinge, in jedem Menschen ist dieses Allwesen vollkommen gegenwärtig. Was dies All-Eins-Wesen ist, wissen wir nicht, wir nennen es bloss Gott-Natur oder Geist oder Energie oder Materie.

Mit andren Worten: das Allwesen ist in jedem Menschen ungeschwächt gegenwärtig – und dennoch weiss kein Mensch, was das Allwesen ist. Ein Mirakel! und ferner: jedes Ding, z. B. die Fliege, stellt das einheitliche All dar; und ginge ir­gend wie alles übrige zugrunde, so wäre diese Fliege das All. Logisch hat also die Fliege und auch jeder Mensch das Recht zu sagen: ich bin die Welt, ich bin das All. Da steht das Ein­zel­wesen wieder allmächtig da. Oder – ist das All in der Fliege nicht voll enthalten? Dann ist das einheitliche All zersplittert und ein Teil ist dem Wesen des «Alls» entzogen; es ist also nicht das All mehr. Der Monismus ist der ärgste, ver­wor­ren­ste Wunderglaube.

 

2Wie ist das menschliche Leben geworden? – fragst du. Durch Entwicklung der feurigen Weltdämpfe zu festen Weltkörpern, durch Entwicklung der leblosen Materie zu Lebewesen, durch Entwicklung der einfachsten Le­be­wesen zu den höchsten Tieren, zum Menschen. So lautet es bei der monistischen Wissenschaft.

Mit andren Worten: das Allwesen ist seit Ewigkeiten vollkommen – und muss sich doch noch zu Höherem ent­wi­ckeln? Ist das Unsinn oder ein Mirakel?

Ist es aber nicht das All, sondern ein vergängliches Teil, das sich entwickelt? – was für einen Zweck und Sinn hat diese Entwicklung, wenn das Einzelwesen bald darauf wieder im vollkommenen All verschwindet und da es durch seinen per­sön­lichen Lebensgewinnst das vollkommenen All doch nicht bereichern und vervollkommnen kann? Das hiesse: aus dem Ozean eine Handvoll Wasser schöpfen und es wieder hi­nein­gies­sen, um ihn zu – füllen. Die kindischste aller kindischen Meinungen.

 

3Und wie vollzieht sich die Entwicklung? – fragst du. Alles, was geschieht, verbraucht Kraft, heisst es. Doch diese unvermehrbare Weltkraft wird nicht zu­nich­te, sie wird nur immer schwächer und wird schliesslich still­stehen, wie der Giessbach, der vom Gebirge niederstürzend Mühlen treibt, aber schliesslich kraftlos im Meere mündet.

Mit andren Worten: seit Ewigkeiten verbraucht sich die Kraft – und ist doch noch nicht verbraucht? Ein Mirakel! Viel wunderbarer als das von den Monisten verspottete Blut des Heiligen Januarius! Ferner: Das Allwesen sinkt zum Wel­ten­still­stand hinab – und doch heisst es, der Mensch solle sich in rastloser Arbeit emporringen. Ja soll er Wunder voll­brin­gen? – dieses kleine nichtige Menschlein des Alls! Welch ein Wider­sinn und Humbug der sogenannten «denkenden» Menschen!

 

4Und wer regelt den Verlauf der Welt? – fragst du. Da heisst es als Antwort: Die unerbittlichen, un­auf­halt­sa­men Naturgesetze, denen sich Niemand und Nichts widersetzen kann.

Also sage ich: Wenn die Gesetze des Allwesens un­er­bitt­lich sind – wie können die Bäume dem Gesetzte der Schwere zuwider aufwärts wachsen? Sind sie Wundertäter? Wie kannst du entgegen dem Gesetze der Schwere aufrecht gehen, statt zu fallen und auf dem Bauch zu liegen? Bist du ein Wun­der­tä­ter? Oder widerspricht sich am Ende die Wissenschaft? Ist es nicht vielmehr wahr, dass die Naturgesetze einander aufzuhalten und aufzuheben trachten – dass sich höhere Naturgesetze ein­stellen, sobald die individuelle Kraft machtvoll genug ist – dass die Naturgesetzte gar nicht ewig sind, sondern sich ent­wi­ckeln, beginnen und aufhören – dass noch unbekannte, ganz andre Gesetze der Natur entstehen müssen, sobald die Ent­wick­lung dahin gelangte.

 

5Und was ist der Mensch? – fragst du. Ein hinfälliger Schein, heisst es, eine vergängliche Welle der alleinen, allweisen und allgütigen All-Natur.
Dagegen antworte ich: Wenn die Natur eine gütige Mut­ter ist – warum muss der Mensch mit Schmerzen der Mutter geboren werden? Warum muss er mit oft fruchtloser Mühe die Zer­stö­run­gen bekämpfen, die durch Krankheiten, Unwetter, Natur­ge­wal­ten über ihn und sein Werk hereinbrechen? Warum entreisst ihm der Tod seine Lieben? Warum muss er Hunger leiden, ver­zweifeln und verwesen? und wenn die Natur voll­kommen ist – wozu muss der Mensch in harter Arbeit auf dem Felde, in der Fabrik, im Bergwerk die Natur verändern? Wie ist es überhaupt möglich, dass die all-eine Natur sich in wildem Kampfe ums Da­sein zerfleischt? Wie ist es überhaupt möglich, dass der Mensch sich mit seinen Wünschen, Klagen, Taten und Opfern gegen die natürlichen Zustände aufbäumt? – ein «ohnmächtiges Nichts» gegen das allmächtige All-eins! Ein sonderbares Mirakel.

Die Natur wäre allweise, allgütig und wünsche des Men­schen Aufstieg? – Der Tiger, der einen Pionier, einen Pfad­fin­der menschlicher Kultur zerfleischte, könnte auch die Tatzen falten und betend sprechen: Allweise, allgütige Mutter Natur, habe Dank für Speise und Trank!

* * *

Gibt dir die monis­ti­sche Wissenschaft Mut und Kraft? Wozu mühst du dich in Arbeit, in Selbsterziehung? Die unerbittlichen Naturgesetze walten, und achten deiner nicht, sie zertrümmern dich oder beglücken dich wahllos und blind, dann weder auf dich, noch auf deinen Familie, noch auf dein Volk, noch auf die Menschheit, noch auf die Erde, noch auf das Sonnensystem, noch auf alle Milchstrassen kommt es an: denn alles Einzelne ist ein leeres Scheinwesen, ein Nichts vor dem All-eins. Es ist alles eins, ob du fleissig oder faul, opferbereit oder räuberisch, barmherzig oder blutdrünstig, liebevoll oder brutal, ehrlich oder lügnerisch bist – du bist ein Nichts, dein Tun ist nichts, deine Wollen ist nichts, dein Unglück ist nichts.

Denn das All-eins ist vollkommen.

Gibt dir dieser Vernichtung- und Zwangwahn der mo­nis­ti­schen Wissenschaft Freudigkeit und Heldensinn? 3

Weder die Kirchenlehre noch die monisitsche Wissen­schaft, weder der Rachewahn noch der Vernichtungswahn, we­der die Wunderwillkür des Weltenschöpfers noch die Zwang­blindheit der All-Natur können Freudigkeit, Heldensinn, Mut und Kraft verleihen – dem, der einmal erkannte, dass die Kirchenlehre Gott lästert und dass der Monismus den Men­schen lästert und nasführt.

Sind aber nicht soviele tüchtige Menschen innerhalb der Kirche? Drängen sich nicht gerade Geistig-Lebendige zur Wis­sen­schaft? Gewiss. Und keineswegs sollen hier die Verdienste der Kirche, die Verdienste der Wissenschaft irgend verkleinert werden. Doch sie genügen nicht und es ist höchste Zeit, dass durch ganz neue Erkenntnis die Irrtümer der Kirche und Wis­sen­schaft abgeschüttelt werden, damit das Fruchtbare und Wahre in der Kirchenlehre und in der Wissenschaft erst recht zu Segen gelange.

Die Kirchenlehre hat mit ihrem Rachewahn viel Hass, Leid und Heuchelei gesät, sie hat aber auch das Bewusstsein für den Ernst des Lebens und das Ungenüge des Erdenlebens geschärft, und hat in der Bekämpfung der wilden Rohheit des Menschen Unentbehrliches geleistet. Je roher ein Mensch ist, um so eher mag er noch dieser Art Kirchenzucht bedürfen. Die Kir­chen­ge­mein­schaf­ten werden bleiben, solange es Menschen gibt, denen sie seelische Förderung bringen – und wäre sie noch so gering. Auch haben viele Menschen, ob schon sie sich zur ganzen Bibel als «Gottes Wort» bekannten, doch nur Teile von ihr wirklich im Glauben gelebt, jenen andern Seelen gleich, die schon in das zornvolle Bibelganze lichte Ahnungssprüche höherer Er­kennt­nis hineintragen. Und nicht im Sinne des Rachegottes, sondern im Widerspruch zu ihm wirkten so viele Bibelfromme in Auf­op­fe­rung an der Linderung der Not der Menschen, selbst solcher, die sie als Sünder verdammen müssten, denen jede Qual ja eine heilsame Strafe wäre – wie die Pharisäer und Fanatiker der ver­schiedenen Konfessionen lehrten und handelten.

Und ebenso steht es mit der Wissenschaft. Sie hat durch Sammlung und Prüfung der Erfahrung, durch Erforschung der Natur unendlich viel Segenreiches geleistet und hat noch un­end­liche Aufgaben im Dienste der Menschheit, besonders in der Heilkunde und Technik. Aber hat die Wissenschaft das Recht, sich als alleinigen Hüter der Wahrheit zu preisen? Die Wissenschaft beruht zur Hälfte auf einem entscheidenden Irr­tum. Sie glaubt alles beweisen zu können und beweisen zu müssen. Und daher glaubt sie, alles ablehnen zu müssen und zu dürfen, was nicht experimentiert, fotografiert, gewogen, ge­mes­sen und urkundlich bestätigt ist. Aber gerät die nüchterne, realistische Wissenschaft damit nicht etwa selbst ins Fan­tas­ti­sche und Unreale? Denn sie verkennt ihre eigne Grundlage. Was ist denn der Ausgangspunkt jeder Erforschung, jeder Erkenntnis? Das persönliche Bewusstsein des Erforschers und Beobachters. Dieser persönliche Ausgangspunkt kann nie «bewiesen» werden, nie als «allgemeingültig» für alle gleich­mäs­sig erzwungen werden. Worauf beruht also auch die Wis­sen­schaft? Nicht nur auf Hypothesen, auf scharfsinnigen Ver­mutungen, sondern geradezu auf Glaubenssätzen des per­sön­li­chen Empfindens. Wie solche gewisse Glaubenssätze (Axiome) unmittelbar in das Bewusstsein und ins Gehirn gekommen sind, vermag die Wissenschaft nicht zu sagen – sie müsste sich denn wie Münchhausen am eigenen Zopf aus dem Sumpfe ziehn. Persönliche Erkenntnis – die Offenbarung der Le­bens­rich­tungen gehen aller Erfahrung, Beobachtung und Wissen­schaft vorher, und alle «Beweise» stützen sich auf Un­be­weis­ba­res. Die Wissenschaft sägt sich also selbst die Wurzeln ab, wenn sie vorgibt, voraussetzungslos zu sein. Auch sie ist eine Dogmenlehre.

Das einzige, was Wissenschaft in hohem Sinne verlangen kann, ist: dass jeder von seinem persönlich klar geschauten Standpunkt aus weitere klare Folgerungen des Denkens ziehe, sich selbst nicht widerspreche (was gerade der Monismus un­un­ter­brochen tut) und endlich aus den klaren Gedanken ehr­liche Folgerungen des Handelns ziehe. Das ist es ja auch, was viele Menschen in der Wissen­schaft zu finden hoffen und glau­ben – ohne zu ahnen, wieviele wirre Vorurteile ihnen das aufgetischt werden.

Klar schauen – klar denken – klar handeln ist darum der Grundsatz des klaristischen Glaubens und der klaristischen Wissenschaft.

So höre denn! was dir der

Klarismus

antwortet und sagt.

* * *

Was bist du?

Wärest du, wie die Bibel berichtet, von dem allmächtigen Schöpfer, den sie zugleich widerspruchsvoll den Allgütigen nennen, aus dem Nichts erschaffen – brauchtest du dich dann noch zu mühen und zu sehnen? Müsstest du nicht unterwürfig in unverlierbarem Glück leben? und doch wurdest du, heisst es, ungehorsam und nun mühst du dich mit den Mängeln! der erschaffenen Erde und mit den Fehlern deines erschaffenen Wesens ab. Und musst dich nach einem Glücke sehnen, das dir fern ist.

Wärest du aber, wie die Wissenschaft sagt, nur ein wesen­loses Teilchen des All-eins, das der Monismus unerbittlich nennt –

könntest du, ohnmächtiges Nichts, dich dann in Sehnsucht gegen die Allvollkommenheit aufbäumen? Könntest du dich gegen die notwendigen bestehenden Zustände, die dich be­drü­cken, überhaupt auflehnen und gegen sie kämpfen?

Und doch ersteht der mangelhaften Schöpfung und der mangelhaften All-Natur ein Richter in deiner Sehnsucht und ein Überwinder in deiner schaffenden Arbeit.

Wie? – du wärest nur ein Scheinwesen, flüchtig wie die Welle des Meeres, das Erzeugnis einer Laune?

Bezeugt nich deine Sondergestalt, dass ein Etwas, eine Macht in dir die flüchtigen Atome des Staubes zu eignem Da­sein verbindet? Hauchst du nicht mit jedem Atemzuge, schei­dest du nicht tagtäglich den Naturstoff wieder aus? – Nimmst aus Luft und Nahrung neuen Stoff in dich auf? Und bleibst doch wesentlich der du bist, entwickelst dich doch, als der du bist, suchst deinem eignen Willen zu folgen und wider­setzt dich denen, die die gleiche Luft, gleiche Nahrung, gleichen Naturkräfte wie du empfingen, auch den allernächsten Ver­wand­ten deines Blutes, Eltern und Geschwistern. Als Sonder­wesen und Eigenwesen, als gesonderter Leib und als eigner Wille erhältst du dich Jahr um Jahr inmitten des Wechsels der Natur – arbeitest an der Natur und gestaltest sie um.

Erweisen sich aber die Bedingungen der Natur mächtiger als du, zerfällt dein Leib im Tode – kann das das Ende deines Eigenwesens sein? Nichts wird zu nichte. Und die zähe Kraft deines Eigendaseins sollte doch zunichte werden?

Nein! Es gibt keine Toten, es gibt nur Lebendige, nur Lebendiges.

Du bist ein Eigenwesen, eine tätige Macht, und diese See­len­macht wird sich notwendig und naturgemäss in neuer Geburt eine neue Tätigkeit suchen. Du hast von der drahtlosen Funkentelegrafie gehört. Da springt eine unsichtbare Energie weit weg und irgendwo hinüber und veranlasst an anderm Ort, wo Stoffe und Kräfte für sie vorbereitet vorhanden sind, eine neue Gestaltung, die doch den Sinn des früheren Geschehens wiedergibt. Das Telegramm taucht wieder auf. Das ist nur eine kleines Bild dafür, dass dein Tod, dein Weggang, nur der Anfang veränderten Daseins ist. All dein Streben, Sehen und Wirken stammt aus dem unverlierbaren Wesenswunsche deiner Eigenkraft und Gestaltung.

Du bist also ein Eigenwesen.4

* * *

Wo lebst du?

Du bist ein Eigenwesen, aber dich umgeben unzählige Eigen­wesen: Menschen, Tiere, Pflanzen; Kristalle, Planeten und Sonnen, die Atome und Elektronen – tätige Mächte in Sondergestaltung, von denen du die meisten mit blossem Auge garnicht siehst und mit keinem Massstabe messen kannst.

Und jedes dieser Eigenwesen will gleich dir sich erhalten und gestalten, denn in jedem strebt und sehnt und wirkt eine verwandte Kraft. Aber in jedem Eigenwesen wirkt seine Eigen­kraft mit eigener Wucht, stärker oder schwächer, schneller oder langsamer. Da überflügelt ein jedes das andre, da schlies­sen sich Bünde, die doch nicht dauern können, da lähmen die minderkäftigen die machtvollen, da reissen die gewal­ti­ge­ren die trägeren mit sich, da gibt es Hemmungen und Zerrungen, da gibt es Zwang und Streit, Vergewaltigung und Hass.

Das ist der ewige Wirrwarr, das ist das ewige Chaos, der Wettstreit der ringenden Eigenwesen – das ist das Fliehen und Suchen, das Hasten und Stocken, das Werden und Vergehen, das Drängen und Lähmen, das Bauen und Zerstören, Geburt und Tod, das Streben und Versagen, das Verlangen und die Feindschaft, Hass und Neid, Raub und Hunger, Rohheit und Qual, das Geheul des Hundes, das Geschrei des Kindes, die Träne des unglücklichen und der Untergang eines Weltkörper. Das ist die Zerspaltenheit des Daseins.

Nicht flüchtige Scheinwellen des All-Seins – sondern wahr­hafte Eigenwesen in wahrhaftem Wettringen erfüllen das Dasein. Das ist die Welt der Unvollendung, das ewige Chaos.

Und da lebst und stehst du mitten drin, als Eigenwesen im Chaos.

* * *

Wohin gehst du?

Du stehst im Chaos mitten drin, aber du stehst nicht still. Deine Sehnsucht spornt dein ringendes Wesen und dein rei­fen­des Wesen steigert deine Sehnsucht.

Geht deine Sehnsucht nicht nach besseren Zuständen? – nach Liebe, wenn du einsam und verlassen bist, oder Hass dich verfolgt, nach Güte inmitten boshafter Menschen, nach Schön­heit inmitten gemeiner Rohheit, nach Freiheit inmitten des Zwanges …

Warum genügt es dir nicht in deinem Drange zu handeln und zu wirken, wenn du blind drauf los arbeitest? Warum ge­nügt es dir nicht, wenn du schuftest?

Weil deine Seele ein Ziel sieht, weil du mit dem Ziele wächst – weil in dein drängende Eigenwesen sich ein Licht­funke senkte: die Ahnung der Liebe, der Güte, der Freude und Freiheit, der Gemeinschaft und Gestaltung, der Schönheit – kurz der Harmonie, das heisst, des beglückenden Einklanges mit deiner Umgebung und dir selbst.

Woher diese erhöhende Wirkung in dir? Sind wir nicht Kinder dieser Erde? Werden wir nicht geboren? Und sterben wir nicht? Sehen wir nicht alles vergehen? Woher kommt uns der Gedanke, der sich gegen den Tod sträubt?

Das ist deine Eigenwesenheit, die nicht untergehen kann.

Aber doch sind wir nicht befriedigt, und wenige sind es, die ihr Leben wieder so mit allen Leiden und Wirrnissen noch einmal erleben möchten. Und doch verlöscht der Drang des ewigen Lebens nicht. Was ist das?

Das ist der unbekannte Gott, der in uns wirkt, der das Leben in uns zu lichterer Gestaltung steigert, und endlich …

Doch wie? Merktest du nicht, wie im Erdenchaos eines vom andern lebt, ja wirklich einer den andern frisst, um zu leben? Auch die liebliche Sängerin Nachtigall frisst gierig die kleinen Insekten. Der Mensch steht da dem Tiere nicht nach. Und nicht bloss der Menschenfresser. Jeder Mensch, der da lebt, auch der edelste muss essen und vernichtet dadurch anderes Leben. Und nicht bloss der Leibes-Hunger verschlingt andre Wesen, die ein Recht zu leben haben wie wir. Und nicht bloss der Machthunger unterdrückt die Schwächeren, jeder, der das Lebensrecht anderer, ihr Recht auf Glück und Liebe zertritt und schädigt, ist ein grausamer Zerstörer. Wie soll die Harmonie froher Entwicklung auf solcher Erde herrschen?

Und fühltest du nicht, dass dir Unrecht geschah, wenn jemand die Freude deines Herzens zerstörte? Hattest du jemals Mitleid mit andern, die du getreten und vergewaltigt sahst, die du leiden sahst durch Krankheit, Not oder menschliche Härte? Hattest du jemals den Wunsch: Oh dass das Leben anders wäre! Oh dass es ein andres Leben gäbe!

Da wirkt der unbekannte Gott in dir.

Reute es dich niemals, wenn du andren Kummer bereitest? Wenn du in der Hitze harte Worte sagtest? Wenn du aus Eigen­nutz andere verzichten liessest? Wenn du aus Trägheit andren eine Hilfe versagtest? Wenn du einen verliessest, der deiner bedurfte? Wenn du den täuschtest, der dir vertraute? Wenn du hinter dem Rücken der Leute über sie Schlechtes sprachst? Wenn du schadenfroh über andrer Unglück lachtest? Wenn du aus Feigheit die Wahrheit verschwiegest? Fühltest du nie in bittrer Scham, dass du Unrecht getan? Klagtest du nie über die Schwäche und Mängel, die deine besten Regungen vereiteln? Doch?

Da wirkt der unbekannte Gott in dir.

Woher wolltest du, wenn es nur! diese allgemein bekannte Erdenatur gäbe, von der die Wissenschaft redet – wie solltest du überhaupt solche Klagen, Wünsche und Fragen äussern? Aus dem Erdenchaos geboren, müsstest du alles im Chaos na­tür­lich und recht finden. Das ist klar, und logisch gedacht. Aber die Sehnsucht lässt dir keine Ruh. Und je höher du inner­lich reiftest, um so weniger Ruhe lässt sie dir.

Als Kind des Chaos bist du selbsteigen geboren, aber der unbekannte Gott wirkt in dir. Und erkennst du ihn, so wirst du in ihm neugeboren, so bist du nicht mehr bloss ein Kind des Chaos, sondern zugleich gleichsam ein Kind Gottes des un­be­kann­ten. Aber deine Gotteskindschaft ist nur ein Teil in dir, und solange bist du noch sterblich, trotz deiner mächtigen Sehnsucht nach der verklärten Natur.

Je mehr du die vergewaltigenden rohen Elemente in dir überwindest, um so näher bist du der Erfüllung deiner Sehn­sucht, der Erlösung aus dem Chaos.

Aufwärts ging die Entwicklung der Natur, aufwärts aus dem gestaltlosen Wirbel des Urchaos zum Dasein der Materie, aufwärts aus der schweren Materie zum Dasein der Kristalle, aufwärts zum Leben, aufwärts zu Pflanze und Blüte, zu Tier und Bewusstsein, aufwärts zum Menschendasein und Men­schen­werk und Erlösungswillen. Und es ist logisch, dass in der ewigen Welt diese Sehnsucht noch höher steigt. Aufwärts!

Aufwärts – und doch auf jeder Stufe von dem festgehalten und niedergerissen, was in dir und um dich noch Rohheit und Chaos ist, immer wieder ans Chaos versklavt, an die Not­wen­dig­keit der Starrheit und des Wechsels, an den Zwang von Schwere und Unrat, an das Joch von Hunger und Broterwerb, an den Fluch von Tod und Geburt, an den Jammer von Tren­nung und Entfremdung, an alle unerbittlichen Gesetze der Lieb­lo­sig­keit, der Selbstsucht, des Stumpfsinns, der Torheit, der Lüge, der grausigen gegenseitigen Knechtung – versklavt.

Siehe, der unbekannte Gott will nicht! deine Knechtschaft und Erniedrigung. Er verlangt nicht! von dir, dass du ihn skla­visch fürchtest. Er will gerade die Entwicklung und Befreiung deines Wesens. Ohne ihn wärest du in deinem mühseligen Tun verloren – ohne den unbekannten Gott.

Auch die Kirche lehrte zwar an einen Gott glauben. Aber ihr Gott war ein selbstsüchtig herrischer, rachsüchtiger Gott, der allzuviel von einem Erdentyrannen an sich hatte. Und war doch ohnmächtig, dieser Allmächtige, denn er verlor die Meis­ten an die Hölle des von ihm geschaffenen Teufels. Der un­be­kann­te Gott ist aber der Allsieger in Ewigkeit und hat das Chaos nicht geschaffen, sondern erlöst uns aus dem Chaos.

Aufwärts geht dein Weg. Denn dem ersten Lichtfunken des unbekannten Gottes, der in deinem Wesen zündete, strömt immer reichere göttliche Kraft zu, immer klarer wird dein Stre­ben, und je klarer dein Streben wird, um so reicher ist der Zustrom der göttlichen Liebeskraft. Immer mehr wird dein unklares Streben und Drängen zu gottsuchendem Willen, im­mer mehr wird dein zielloses Handeln zu göttlich geleitetem, segensreichen Gestalten. Aus jeder starren und wirren Stufe des Chaos bricht dich ein reissender und klärender Wille los, stellt dich an die Spitze der Entwicklung, stellt dich in die erste Linie des Kampfes gegen das Chaos in dir und um dich, weist dir tätige Aufgaben der Lebenserneuerung, heisst dich deinem mitstrebenden Mit-Eigenwesen helfen, heisst dich die er­starr­ten Menschenkräfte befreien, die verirrten zurechtweisen, heisst dich alles seelisch Verwandte sammeln. Und so ent­ste­hen neue Bünde, neue Zustände, neue Notwendigkeiten – immer vom nachdrängenden Chaos mit Erstarrung und Rück­fall bedroht, aber dennoch immer mannigfaltiger dem wäh­len­den, freien Wirken des Eigenwesens zugewiesen, immer wil­li­ger der göttlichen Klärung und Führung geneigt.

Aufwärts geht dein Eigenweg aus dem Chaos.

* * *

Was steht dir bevor?

Aufwärts geht dein Eigenweg aus dem Chaos.

Aber dieses «Aufwärts» ist nicht ergebnislos, es führt dich zur höheren Natur, zum Über-Leben, nämlich zu Welt der Ver­klärung, die über diesem Naturleben steht.

Du hörst allerorten das Wort «Natur». Aber dieses latei­ni­sche Fremdwort, das so vielfach und klar gebraucht wird, be­deu­tet eigentlich durchaus nicht die schöne Landschaft oder die ganze Welt, sondern das «Geborenwerden». Wer klar den­ken will, darf daher Natur nur das Geschehen im Chaos nen­nen. Das Chaos selbst, die Erden und die Wesen sind zahllos und unendlich, ihr Geschehen (ihre Natur) vollzieht sich seit Ewigkeiten. So ist auch die verklärte Welt ewig im ewigen Urgott beruhend und ihr Walten nenne ich hier höhernatürlich, um verständlich zu machen, dass auch dort keine sinnlose Märchenwillkür herrscht, sondern alles einer erhöhten Eigen­art entsprechend vor sich geht. Ja, gerade unsre Natur ist weit wunderlicher und sprunghafter und widerspruchsvoller. Das beweisen die vielen Dinge, die uns rätselhaft bleiben, das beweisen die zahllosen Fragen, die auch der weiseste Gelehrte nicht beantworten kann. Ist es etwa nicht ein kaum glaubliches Wunder, das aus einem Samenkorn eine grosse Tanne wird? Und das nimmst du so einfach als selbstverständlich hin! Ja sogar, dass, ein Goethe oder Bismarck aus einem scheinbaren Nichts hervorgehen, der winzigen Samenzelle, die nur eine unter Millionen ist?!

Also: die «natürliche» Erde bleibt ein wunderliches Rätsel, das sich in der verklärten Welt löst.

Was lastet auf dir im chaotischen Leben? – was quält und martert dich?

Hunger! weil dein Leib seinen Stoff verzehrte – Müdigkeit und Schwere, weil die Kräfte versagen – Leiden und Schmer­zen, die deinen Körper zerstören – Hass und Missgunst, die deine Seele peinigen – Sorge, weil die Übermacht des Chaos dich dahin zwingt, wohin du nicht gehörst, und dich von dem trennt, wohin du gehörst.

Du bist oft unzufrieden, du leidest im natürlichen Dasein und sehnest dich nach Glück. Mancher kam zur Verzweiflung, ja bis zum Selbstmord. Wohl dem, den die Stimme der Sehn­sucht dahin führt, dass ihm die Augen aufgehn. Die Augen öffnen sich nur allmählich für vielerlei Dinge auf Erden. Man kann oft vor demselben Bilde stehen und nach Jahren ganz andres und neues darin schauen. Man ging oft an derselben Stelle vorbei und sah erst nach Jahren, beim hundertsten Male mit sehenden Augen, was einem vorher entging. Man muss mit sehenden Augen sehn und mit hörenden Ohren hören. Wohl dem, der sie besitzt – der sie erwirbt – der sie nicht durch verworrene Vielwisserei einbüsst! Schau mit sehenden Augen in die Welt, und du wirst plötzlich erkennen, das schon um dich sich Schönheit und Herzlichkeit regen, die scheinbar garnicht mit den Dingen, Menschen und Ereignissen zu­sam­men­passen, die dein Leben verbittern.

Schau nur tiefer hinein! Das bewirkt der unbekannte Gott, das bewirken die Sendboten des verklärten Reiches. Schon hier, hier auf Erden kannst du sie spüren, auch in dir selbst – wenn deine Seele in einem frohen Augenblicke jubelt, ja wenn sie gleichsam betet: O dass es ewig schön wäre!

Und wenn nun mit göttlicher Hilfe dein ringendes Eigen­we­sen reift und reifend seine Zukunft erahnt und in seinem Willen den grossen Sinn des Daseins erlebt – das göttliche Ziel: damit kommt die tapfre Geduld, die frohe Teilnahme, die tätige Hilfe in dein Wesen und überwindet in täglichem Selbst­kampfe den Eigennutz und die Trägheit, Kaltherzigkeit und Trübsinn, Ungeduld und Vergeudung. Dann setzt in dir das lichte Schauen des Glaubens ein, die frohe Kraft des Ge­stal­tens, dann wirst du als Kind Gottes wiedergeboren und dein Wesen wächst empor über das Hungerchaos des Hasses. Und so nähert sich dein Wesen der höheren Daseinsordnung, wo der Hass vor der Liebe weicht, die Trennung vor Gemein­sam­keit, der Zwang vor der Freiheit, die Schwere vor Leichtigkeit, die Starrheit vor Begeisterung, die Gestaltlosigkeit vor der Schönheit, die Dumpfheit vor der frohen Klarheit.

Wehe! aber, wenn du deine Augen zuschliesst vor den stillen Sendboten der verklärten Welt, vor den schönen An­zei­chen und Vorahnungen auf dieser Erde. Wehe! wenn du sie gar bekämpfst, die frohe Entwicklung deines Nächsten hemmst, ohne dass er dich etwa vergewaltigt hätte. Wehe! dir, wenn du das Reich der Liebe gehässig verspottest und heuchlerisch vergiftest und in dir selbst die Keime freudvoller, hilfsbereiter Harmonie zerstörest. Dann kann dir der unbekannte Gott nicht zu einem bekannten, nicht zu deinem Freunde werden, dann kann er nicht in dir wirken, und du bleibst ein Höriger, bleibst ein Sklave dieser Erde.

 

Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt kommen ist, und die Menschen liebeten die Finsternis mehr denn das Licht; den ihre Werke waren böse.

Johannes 3, 19

Und kommt der Tod, so bedeutet er dir so keine Erlösung. Wieder­kehren musst du auf die Erde, um in neuer Gestalt zu wach­sen und zu leiden. Nichts kann zunichte werden. Der Leib ver­wandelt sich in andre Erdendinge, und sollte etwa die See­len­macht, die alles in deinem Leben in dir bestimmt, zu nichts werden?! Das ist doch unsinnig. Was den Untermächten zu­steht, ist doch der höchsten Macht, deiner Seele, erst recht zu­zu­gestehn – nämlich, dass sie Neues formt.

Siehe zu, dass der unbekannte Gott dir ein bekannter werde, dass er dich in das ewige Reich der Verklärung em­pfan­gen kann. Er rächt sich nicht, wie alle Religionen von ihren Göttern lehrten. Der wahrhafte Gott, der den Meisten un­be­kannt blieb, ist kein Schöpfer der Hölle, keine ewiger Ver­dam­mer. Aber er kann dich nur dann empfangen, wenn du ihm in Sehnsucht entgegenreifest, wenn du zu ihm kommen willst. Dies ist nicht so bequem, wie in früheren Religionen, nein! Es genügt nicht, nach einem rücksichtslosen Leben voll Ver­ge­wal­ti­gung und ohne Herz für die Eigenwesen in letzter Stunde einfach zu bekennen: Ich bin ein Sünder. – Nein, so bequem ist es nicht. Es gibt keine ewige Verdammnis. Aber wenn du Not und Schmerz der Erde erkannt hast, wird dir davor grauen, wieder zu ihr zu kehren. Und wenn du Sehnsucht nach Schön­heit und Seligkeit hast, wird dich nach dem Reiche der Ver­klä­rung dürsten und du wirst dich hüten, andern den Becher dieses Leben, in den sich schon die Tropfen des ewigen Glückes als Freude mischten, neidisch vorzuenthalten, gar ihnen die Freude zu entreissen. Hüte dich vor der Vergewaltigung!

Dann, wenn der göttliche Lichtfunke dein ganzes Wesen durchleuchtete und deinen dumpfen Drang in klaren Liebes­wil­len verwandelte – dann trittst du, für reif befunden, nach dei­nem letzten Erdentode, befreit von neuer Erdengeburt als Froh-Seliger in das Reich der Erden-Entwachsenen, gleichsam in ein «Tausendjähriges Reich» der Seele, um erst darauf als Verklärter im göttlichen Glücke freier Tätigkeit zu walten: all denen zu helfen, all die zu leiten, anzuspornen und zu stählen, die noch im Chaos befangen leiden, ringen und sich empor­sehnen.

Und fragest du, wo sie ist?

Überall kann sie sein, dir unsichtbar. Spür in dir, und du wirst ihre Stimme hören; schau um dich, und du wirst mehr sehen, als du ahntest – und wärs auch nur für Augenblicke. Genug, wenn dir die Sehnsucht ihre Flügel leiht. Sie wird dir zu Kompass und Fernrohr. Entdecke selbst den unbekannten Weltteil. Seine Früchte kommen auch schon hierher. Glaube, und du kannst sie kosten, die Früchte des ewigen Lebens­bau­mes. Lass dir nicht Steine und Stacheln geben von denen, die den unbekannten Gott nicht kennen.

* * *

Wie erreichst du dein Ziel?

Deiner harrt die verklärte Welt – das Reich derer, die der Urgott um sich versammelte. Nicht aus dem Nichts erschuf der Urgott die unfertige Welt –, seit Ewigkeiten stand einem vol­len­de­ten Dasein das unvollendete Dasein des Chaos, der rin­gen­den Eigenwesen gegenüber. Wohl aber suchte er aus Liebe von Ewigkeiten her die Eigenwesen zu dem Ziele zu geleiten, an dem sie dumpf und wild vorbei irrten. Mit allsuchender Leibe senkte er seines Geistes Funken in jedes Eigenwesen, das reif dafür ward. Er strömte ihm immer erneute Kraft ein, je weiter es reifte, und hiess alle Verklärten mit am grossen Er­lö­sung­wer­ke walten. Nicht der ruchsüchtige Rächer aus Eifersucht, wie ihn blinder Chaoswahn lästerte, ist der Urgott, sondern der Förderer jeden Eigenstrebens, der Urerlöser. Nicht der lau­ni­sche Schöpfer und Urheber jeden Mangels, jeder Missbilligung, jeden Missbrauches ist der Urgott, sondern der Ur-Schön­heits­ge­stal­ter, der zu Freude, zu Harmonie, zu Einklang, be­glü­cken­dem Austausch all die Wesen fügt, die für einander reiften. Und so ist es der Urgott, der den lichten Friedensstrom der Schönheit in die streitende Welt sandte und durch Schön­heits­freude den Menschen zu Heldensinn anspornen will, zum Fluge über das Chaos hinaus begeistern will. Und so wird der all­su­chen­de Urerlöser durch sein urschöngestaltendes Liebeswalten endlich in jedem Einzelnen zum Allsieger, der nicht ein ein­zi­ges Eigenwesen in der Ewigkeit verloren gehen sieht. Er rächt sich nicht am Eigenwillen, er straft nicht das Eigenirren, in Liebe und Geduld sucht er den Irrenden, spornt er den Trägen, hilft er dem Tätigen und wartet des Augenblicks, da mit seiner verklärten Mitwalter-Segenskraft das Eigenwesen wirklich dem Chaos entwachsen sein wird. Er befruchtet deine Seele in der Not der Erde und wirkt auch im Leben dem Leiden entgegen, wo er nur kann, um die Schwere des Lebens tragen zu helfen, um die Sinne zu klären. Erlöser, hilf uns zu tragen ist das tief­ste Gebet. Er wird dir nahen, seine Sendboten sind dir nahe.

Nicht dein Schöpfer und Richter, sondern dein Urförderer und Urerlöser ist der Urgott. Er will dein Eigenstreben, er will dich ihm ähnlich werden sehen, kein alternder Vater mit grau­em Barte, wie kindischer Glaube ihn darstellt. Er ist ewige Jugend. Erkenne ihn, und er ist dir nicht länger ein un­be­kann­ter Gott.

Das ist der Glaube des Klarismus.

* * *

Wer aber war Christus? – und was soll er uns?

Du hast von der Kirche gehört, dass Jesus Christus das zweite Ich Gottes wäre, Gottes Sohn, der durch seinen Tod den Zorn und die Rache Gottes versöhnt hätte.

Nicht einmal das ist folgerichtig geschehen, denn in dem­sel­ben Augenblicke als Jesus’ Tod den Zorn des allmächtigen Gottes versöhnte, hätte der Tod für alle, welche glauben, auf­hö­ren müssen, denn der Tod war doch, laut der Bibel, die fruchtbare Rache, die Gott Vater an allen Nachkommen Adam für den gestohlenen Apfel ausliess. In dem Augenblicke, da das grosse Sühneopfer «vollbracht» war, hätte das Wort: «Heute wirst du mit mir im Paradiese sein», für alle Gläubigen gelten müssen. Aber wir sehn, dass der Tod auch für die Gläubigsten und Untertänigsten nicht aufhört. Somit war also, klar gedacht, die Rache Gottes, des Allschöpfers noch nicht versöhnt – trotz dem Tode des Christus.

Doch du kennst nun den unbekannten Gott, du weisst, dass er nicht der Schöpfer der Unvollkommenheiten und des Todes, noch gar der Hölle ist, auch kein grausiger Rächer und Neider des Eigenstrebens, sondern der Urgrund der verklärten Welt und der Urerlöser der Eigenwesen aus dem Chaos aller Erdensterne. Denn es ist allzu kindlich zu glauben, dass alle andren Sterne nicht ihre eigne Entwicklungs- und Erlösungs­ge­schich­te haben, sondern nur unsertwegen da sind. Wieviele haben wir nicht erst mühsam entdeckt, die unsrem Auge nichts bedeuten.

Wer war also Christus? War er bloss Jesus, der Sohn des Zimmermanns aus Nazareth, ein Sittenprediger gleich anderen, wie ihn Moderne nennen? Oder war er bloss eine erdachte Ide­al­ge­stalt? wie andre Moderne meinen? Eine erdachte Gestalt?! Das sagen gern solche, die alle überragende Persönlichkeit has­sen; aber sie erkennen nicht, wie wenig sie die Menschen ken­nen. Es ist noch nie ein grosser umgestaltender Geist von einer Mehrheit oder Minderheit erdacht worden. «Keine Er­schei­nung ohne Ursache» heisst es in der Wissenschaft. Und hier soll mit einmal eine mächtige Erdenwirkung stattgefunden ha­ben, ohne dass eine einheitliche Ursache in ihr wirkte? Wel­cher Unsinn! Nein: Jesus hat gelebt, seine Persönlichkeit über­ragt alle, die von ihm reden. Seine Jünger bekennen es ja selbst in unbefanger Weise, wie oft sie ihn falsch verstanden hatten.

Also: Jesus lebte und wirkte und seine Apostel haben ihn oft falsch verstanden. Das sind zwei Tatsachen.

Was ist nun die Botschaft dieses Jesus aus Nazareth?

Dass Gott unser geistiger Vater sein will, dass er die Liebe ist, die den Hass überwindet – dass er, Christus, als Sendbote Gottes in die Welt gekommen ist, zu helfen, zu erlösen, nicht zu richten.

 

Und wer meine Worte höret und glaubet nicht, den werde ich nicht richten; denn ich bin nicht gekommen, dass ich die Welt richte, sondern dass ich die Welt selig mache.

Johannes 12, 47

Und

 

Wisset ihr nicht, welches Geistes Kinder ihr seid? Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, der Menschen Seelen zu verderben, sondern zu erhalten.

Lukas 9, 55–56

ruft er unwillig seinen rachedürstenden Jüngern zu. Gewiss ist auch schon früher göttlicher Geist im Chaos wirksam gewesen, schon vorher brachten göttliche Offenbarungen durch. Aber noch nie war die Botschaft so klar, so grundsätzlich an die Menschheit ergangen. Es war das erste Mal, dass der un­be­kann­te Gott der hassüberwindenden Geduld und erlösenden Liebe in so klarer Offenbarung unter den Menschen, im Erden­chaos kund wurde. Und das chaosnatürliche Ergebnis war, dass die stumpfe Menge des Volkes, die gelehrte Menge der Schrift­kun­digen, die hohe Menge der Richter sich gegen Christus er­hoben und diesen Gottesboten zuletzt voll Hasses töteten, ihn der jedes Zugeständnis der Halbheit verschmähte. Das es dann der Kreuztod war, lag in den Bräuchen der Zeit.

Das ist nun die dritte Tatsache: in diese Welt des Ringens und Stossens und Hassens, in denen sich die Liebe mühsam emporringt, trat plötzlich ein Sendbote verklärter Welt, ge­bo­ren in der Person des Jesus aus Nazareth von Eltern, die sich Josef und Maria nennen. Das ist der, den wir Christus nennen, den Geweihten. Er ist es, der sich geweiht hat, freiwillig ins Reich des Chaos zu kehren, dem er nicht mehr angehörte. Als Sohn des göttlichen Reiches, als Ur-Überwinder unsrer Erde, tritt er wieder in Erdenleben. Diese Erdengeburt war ein gros­ses Opfer. Diese Geburt des Christus als Jesus in Betlehem be­deu­tet schon das erste grosse und wahrhafte Opfer der Liebe, das den Tod, das zweite Opfer mitbedingte – doch nicht um einem alten Rachegott zu versöhnen, sondern um den un­be­kann­ten Gott in den Herzen der Menschen lebendig zu machen und dadurch die Erlösung aus dem Chaos den einzelnen Men­schen näher zu bringen.

 

Denn Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn selig werde.

Johannes 3, 17

Aber die zweite Tatsache ist, dass er falsch verstanden wurde. Was an ihm wundersam ist, nun steht es leuchtender, als je­mals, vor uns da. Nicht ein Rachekünder, nicht ein Prediger gegen alle Freunde der Erde, nein ein liebeweihender Sendbote des unbekannten Gottes ist Christus. Schon hat er, trotz aller Missverständnisse, in Unzähligen gewirkt, aber Zeit ist es, dass der Künder des verklärten Leibes erst recht auch in unsren Her­zen auferstehe, als Osterbote, als Frühlingsbote des «ewi­gen schönen» Lebens.

Das sei dein Kristos, der sich im Menschensohn Jesus offenbarte. Was irdisch, was menschlich, was bloss historisch-national war, betrifft uns nicht mehr. Die Bibel hindert uns nicht, denn wir wissen, dass ihre Verfasser den unbekannten Gott noch nicht erfassten. Alle Verfolgungen aus religiösem Wahne sind widergöttlich, alle Inquisition, alle Hexen­ver­bren­nung, alle blinde und erbitterte Verfolgung der Liebe. Soviel auch der Liebe hienieden von rohem anhaften mag, sie ist doch der Keim der Erhöhung unserer Seele. Wer ein liebendes Herz vergewaltigt, sucht diesen Keim zu töten und ist ein blinder Feind der verklärten Welt, ist ein Feind des Urgottes, ein Feind des Kristos. Freilich, auch wer in vergewaltigender Sinnlichkeit das Liebesfühlen des Andern niederdrückt, ist ein Verräter Gottes.

Nun weisst du, wer Jesus Christus, der Kristos des Kla­ris­mus ist und was er uns soll: Freude bringen, die Seele von Hass und Rache lösen. Leid und Freude, beide walten hienieden. Wir alle haben einmal unseres Stunde, die wir die düstere von Gol­ga­tha nennen. Aber wir alle sollen auch über sie hi­naus­schau­en und in den Lenz der Seele die Flügel breiten.

* * *

Ist das deutsch? – ist das germanisch? – ist das antisemitisch?

Du hast vielleicht gehört, dass Völkisch-Gesinnte sagten: Christus ist kein Germane, dieser Gottesdienst ist unger­ma­nisch, diese Religion ist fremden Geistes, ist ein langer Verrat an dem Sinn unseres eignen Blutes. Und gewiss: es ist viel Wahres daran. Die Geschichten der Bibel, die wir als heilige hinnehmen sollen, könnten vielmehr oft unser besseres Denke empören. Jakob, der seinen alten blinden Vater betrügt und seinen Bruder übervorteilt, wird von Jehovah gesegnet, Josef treibt politischen Brotwucher (1. Moses 47) und wird von Jehovah gesegnet. Aaron, der das goldene Kalb anbetet, ist der erlesene Hohepriester Jehovahs. David, der Auserkorene, be­gehrt das Weib Urias und lässt diesen in die vorderste Schlacht­reihe stellen, um ihn dem Tode zu überantworten. Jael ermordet den Sisera, dem sie Gastfreundschaft und Schutz versprochen. Jeftah opfert dem Jehovah seine Tochter, Jehu lockt mit Lüge und Verstellung alle Baal-Priester zusammen und lässt sie meuchlerisch umkommen, zur ausdrücklichen Befriedigung Jehovahs. All das sind keine Dinge, um uns Verehrung und Bewunderung vor diesen sonderbaren Heiligen einzuflössen – ebensowenig wie der heilige Konstantin, der Begründer der christlichen Staatskirche, der seine nächsten Verwandten ermordete. Und fremd und feind ist deutschem Geiste bis auf diesen Tag die geistige Herrschsucht Roms, trotzdem ein grosser Teil der Deutschen sie als heilig ehren soll. Aber auch die alte germanische Religion kannte viel Grau­samkeit, wie die blutigen Opfer im Tempel bei Upsala.

Und dennoch ist die Botschaft des Christus dem Ger­ma­nen­geiste nicht fremd. Denn es regte sich schon eine göttliche Ah­nung, die an die Christusahnung anklingt – eine lichte Ah­nung, die den alten kriegerischen Germanen in tiefster Sehn­sucht nach einer höheren Ordnung, als das Chaos mit seinen blutigen Opfern und missverstanden Göttern ist. Balder, der lichte schöne friedvolle Gott, der in dem Chaosreiche von den mächtigen rohen Feinden, den argen heimtückischen Göttern getötet wurde – der ersteht nach der Götterdämmerung auf, der kehrt wieder, der richtet ein anderes Reich auf, ein ver­klärtes Reich. Das war Christusahnung – ja, die Ahnung des un­be­kannten Gottes. Der unbekannte Gott ist kein nationaler Gott, weder der ruhm- und eifersüchtige Rachegott der Juden oder andrer Asiaten, noch ein launischer ränkevoller Olympier, noch ein Gott Roms, der seinen Tribut in Unterwerfung und Peterspfennigen fordert – nein! der unbekannte Gott ist allen! Völkern unbekannt und wirkt doch seit Ewigkeit in allen Lan­den und unter allen Völkern. Im Höchtsten verschwinden auch die Gegensätze der Völker und Rassen, ersteht eine über­völ­kische, übermenschliche Gemeinsamkeit.

So urgermanisch ist der klaristische Tat- und Ver­klä­rung­glau­be und führt doch für die Völker zu einer Minderung der gegenseitigen völkischen Gereiztheit und täglichen Kam­pfes­ge­fahr – doch ohne etwa Feigheit zu hegen. Er verketzert nie­man­den um der Rasse willen, er ist weder antisemitisch, noch antiromantisch, noch antislawisch, auch nicht anti­mon­go­lisch – denn er hat es mit Eigenwesen zu tun. Den Einzelnen aber führt der Klarismus zu einer mutig-ruhigen Überzeugung und edlem Kraftgefühl im Kampfe mit dem gemeinsamen Feinde aller: dem Chaos.

* * *

Wird dein Volk untergehn?

Täuscht dich die Schönheit? und die Liebe?

Etwa weil sie auf Erden vergänglich scheinen? Oder weil es heisst, sie verlocken den Menschen, Minderwertiges zu be­geh­ren? – ja, oberflächlich oder gar schädlich zu werden? Wirk­lich?

Wie kam es zu solcher Lehre?

Einerseits, weil es hiess, diese Erde wäre des Bösen Reich und der Böse verlockte den Menschen durch die Scheingüter der Erde, dass er den Fehlern der Erde anhänge, dass er ihre nichtigen Güter verlangte, dass er sein Herz an den schönen Trug kettete und daraus war, dass er das Schöne, so vor allem den schönen Leib als unsittlich verachten müsste.

Eine Folge müsste es sein, dass der Mensch seinen Leib unmässig zerstört, weil dieser doch unwert und nur des Unter­gan­ges wert wäre. Von einem Asketen wird berichtet, er habe seinen Leib durch absichtliche Selbsterschöpfung zerstören wollen. Und er erreichte es. Heute erzielen das die Modernen auch durch Alkohol, Tabak und katzenjämmerliche Pros­ti­tu­tion, denn sie denken im Grunde nicht viel anders.

Sie verachten das Einzelwesen, das Eigenwesen, denn es vergeht, nach ihrem Glauben, wie im Nichts. Wert hat laut dem Glauben dieser Modernen nur die Gattung. Du hast keinen Ei­gen­wert, sagen sie; nur deine Art, deine Familie, die deut­sche Rasse oder bloss das Säugetier Mensch habe Wert. Danach hätte das Schöne keinen Wert. Schön ist aber nur das Einzel­we­sen, denn nur das Einzel­we­sen ist wirklich als Erscheinung da, hat eine wirkliche Gestalt und Schönheit. Und die Freude am Schönen wird immer vom Einzelnen empfunden und begehrt. Wenn diese Modernen klar dächten, müssten auch sie die Schönheit als irren Trug verachten. Aber sie sind wirre Nebelköpfe.

Hörtest du nicht sagen? – die grosse Erkenntnis der modernen Wissenschaft ist, dass wir Lebewesen uns entwicklen und vervollkommnen … Vielleicht schien dir das eine frohe Botschaft und du nennst dich daher einen Monisten.

Aber hörtest du nicht wiederum sagen? – alle Kraft steigt ständig ab, sinkt beständig im Weltall, ohne dass neue zum Ersatz entsteht. Der Höhepunkt des Menschenwesens ist vor seiner Geburt.

Kannst du klar denken? Dann wirst du logisch sagen müs­sen: ein reifer Mensch steht tiefer als eine Säugling, ein Goethe steht tiefer als sein Vater oder seine Mutter, wir stehen tiefer als unsre Vorfahren. Du stehst tiefer als die Affen der Vorzeit. Es geht abwärts – also ist alle Entwicklung ein Unding und alles Gerede von Entwicklung ein Unsinn. Und auch dein Va­ter­land wird niedergehen, wird untergehen müssen.

Diese willenskranke und nervenkranke neurasthenische Weltanschauung ist eine Gefahr für uns. Sie ist so dumm und so widerspruchsvoll, dass es unfasslich ist, wie denkende Män­ner sie als wissenschaftliche Bekenntnis aussprechen mögen, den Abfall der Kraft ohne neuen Zuschuss schliesst eine fort­schreitende Entwicklung aus.

Also: Schönheit, harmonischer Aufstieg ist auch für die Monisten eine unsinniger Trug. Nach ihrer Lehre müssen deine Enkel wertloser, schwächer, hässlicher und blöder werden und zuletzt alle stumpfsinnige Krüppel sein, charakterlose Lumpen.

Weh dem Volk, das solchen Glauben nährt! Es wird von den andren Völkern unterworfen werden – mit Fug und Recht.

Aber nein! Harmonische Kraft und Schönheit in deinen Mitmenschen, in der Natur um dich, bezeugen das Auf­wärts­stre­ben inmitten der Wirrnisse, das Eigenaufstreben aus dem Chaos des Ringens und Kämpfens. Gerade die Schönheit, wie auch der helle Geist und die edle Gesinnung sind Vor­ah­nun­gen, sind Vorwirkungen der verklärten Welt – seltne, aber erfreuende Zeichen dafür, dass da Kräfte wirken, die empor streben, empor ziehen, neuquellende Kräfte.

Dasjenige Volk, welches nicht mehr an quellende Kräfte glaubt, ist wert, dass es zugrunde geht. Dasjenige Volk, das nicht die Kraft und Schönheit des Leibes, den Reichtum des Geistes, das Feuer edelstrebenden Willens achtet und pflegt, und nicht mehr erkennt, dass da ewig neue Kräfte persönlich quellen – ein Volk, das entweder die Lebensverachtung oder nur den Abstieg und die Verachtung höherer Kräfte predigt, ist wert, dass es zugrunde geht. Solch ein Volk wird und muss den Völkern und Rassen unterliegen, die an sich und ihre auf­stei­gen­de Zukunft glauben.

Das sage ich dir, du deutsches Volk, das von Kulturgreisen des Monismus irregeführt wird.

Schau das alte griechische Volk an. Sie verehrten die Schön­heit und Kraft als etwas göttlich Geweihtes, als Zeugnisse der göttlichen Überwelt. Die Feiern zu Olympia, die Bildsäulen, deren Reste noch jetzt Vielen freudige Kraft spenden, die schönheit- und glaubenbegeisterten Gedichte – all sind sie uns Zeugen dessen. Und was leistete das kleine griechische Volk damals? Es hat mächtige Völker zurückgeschlagen, wie die Perser. Du wirst vielleicht sagen, wie du gehört hast, die alten Griechen sind entartet und untergegangen. Freilich! als ihr Glaube erstarb, als sie an dem göttlichen Werte der Schönheit zu zweifeln anfingen, ja, als ihre Philosophen an allem krit­tel­ten und zweifelten.5 Als sie nicht mehr die alten lebens­kräf­ti­gen und schönheitsfrohen Hellenen waren – da erschlafften sie, da gingen sie unter, da erst wurden sie eine Raub der Barbaren. Nicht an Schönheit, Kultur und Liebesbegeisterung, sondern an Zweifelsucht, Neid und Stammeshass starb das griechische Volk.

Und heute droht dir, deutschem Volke, diese Gefahr.

Nach all dem glänzenden Aufschwunge ist eine See­len­er­mü­dung über euch gekommen. Noch schient es so mächtig, dieses deutsche Reichsgebäude, als könnte es selbst dem englischen Weltreiche Halt gebieten und alle Feinde umher im Schach halten. Das haben auch die Veteranen Friedrichs des Grossen gedacht. Aber nachher kam die Schmach!

Soll dein Volk wieder ein verspottetes Volk von kraftlosen gelehrten Hirnen werden, ein Volk von abstiegswilligen Mo­nis­ten werden, deren altbürokratischen und modern monistischen Duselseelen die zukunftsgläubigen Neu-Römer-Italiener, die selbstbewussten Engländer und die energischen Ostasiaten, den Fuss auf den Nacken setzen. Soll es wirklich dahin kom­men!?, mit eurer Verachtung der Eigenwesen, mit eurem Unglauben an den Aufstieg der Kraft, samt eurer lebens- und logikfremden Stubenwissenschaft.

Alle Achtung vor den Errungenschaften der Chemie, der Physik, der Technik! Aber philosophisch klar zu denken, lebens­kräf­tig und politisch klar zu handeln verstehen diese Köpfe nicht, und wären sie Monistenhäupter. Mögen diese Schwächlinge absteigen, bloss absteigen, damit die Bahn für die Aufwärtskräfte frei würde. Lass du dir aber deine neu­quel­len­den Kräfte nicht rauben und versanden!

Lass dein Volk nicht in einem Schildkötenpanzer stecken, weder in den alten konservativen, orthodoxen und ultra­mon­ta­nen, der jede kraftvolle Regung hemmt, noch in den wis­sen­schaft­lich gefirnisten monistischen, der wie Blei auf der Seele lastet. Soll dein an Mannigfaltigkeit reiches Volk immer eine einförmige Allgemeinlivree tragen, sich in Unterwürfigkeit und Nie­der­gangs­stim­mung üben? – dann wird es auch zuletzt zum Kammerdiener der andren Völker werden.

Horch! die Quellen rauschen noch in der Natur, auch in deinem Vaterlande. Auch in den Herzen, in den Willen quillt es noch. Noch wachsen die Bäume aufwärts, auch in deutschen Landen, trotz dem Naturgesetz der Schwere und des Nie­der­gan­ges. Aufwärts, Volk, und schlaf nicht in moderner To­ren­wis­sen­schaft ein. Freue dich deiner und jeder Eigenart. Such all die Kräfte auszunützen, auch die, welche dir bisher ent­gin­gen, dir minderwertig, bedenklich oder gefährlich deuchten.

Nicht Ausnahmegesetze mache die sittliche und staatliche Kraft eines Landes, sondern die Kraft beruht auf der Wil­lens­kraft einer solchen fruchtbaren Überzeugung, die die frei­heit­liche Ausnützung aller eingeborenen Eigenkräfte gewährleistet.

Jedem, auch dem Bauer- und Arbeitersohne muss die Mög­lich­keit offenstehn, Führer in den Geschicken seines Lan­des zu werden, Minister, ja Botschafter und Kanzler – wenn er die Begabung dazu hat. Es hat der Macht der römischen Kirche nur genützt, dass Kinder des Volkes lenkende Kardinäle, ja Päpste werden konnten. Zwar allgemeine Gleichheit erzwingen wollen ist ein Unsinn, denn die Menschen sind ungleich –, aber jedem die Bahn seiner eingeborenen Eigenkräfte eröffnen, das ist Klugheit.

Gebt jedem offenherzige Möglichkeit zu zeigen, ob und was er kann. Mit gebundenen Händen kann niemand etwas leisten, weder Mann noch Frau. Lasst jedermann frei glauben, seinen Glauben bekennen uns sich danach ohne Gewaltsamkeit entwickeln – und eure Kräfte, die Lebenskräfte eures Volkes werden wachsen. Nährt eure innere Kraft, nähr, wer du auch seist, die Kraft eines freien frohen Glaubens in deiner Familie, in deinem Freunden, in jedem Bunde, der sich herzlich schliesst, und so nährst du dein Volk.

Besser ist ein Glaube, der mit den fragwürdigen Hypo­the­sen, vermuteten Erklärungen der Wissenschaft in den Haaren liegt, als ein lähmendes angebliches Erkennen, das mit jeder neuen Hypothese hin und her gezerrt wird und alle schwan­kend, haltlos und nervös macht. Nicht jedes Wissen ist Wohl­tat, wenn der Wille zu Lebenserhöhung fehlt. Wenn du wis­sen­schaft­lich genau berechnen könntest, dass du in zwei Jahren ermordet wirst oder zum Krüppel – würde dich das stärken? Und wenn diese wissenschaftliche Berechnung doch einen Fehler hätte, so hättest du deine Lebensspannkraft und Freude umsonst verloren! Und es steckt ein grosser und grober Rechen­fehler in der wissenschaftlichen Weltanschauung: die Leugnung des tätigen Eigenwesens und seines Aufstieges. Dieser Irrtum ist eine Lebensgefahr.

Nicht Wissen allein ist dein Schatz, nicht Gold und Wert­pa­piere allein deine Macht, nicht Arbeit, Gewerbe und Handel allein dein Reichtum, nicht Heere und Panzerschiffe allein deine Kraft – grosse, gerüstete, reiche Völker sind von kleinen, armen, aber energisch überzeugten besiegt worden, wie Russ­land von Japan – nein! Kraft, Reichtum, Macht und Glück gibt dir noch mehr der Glaube an dich, an deinen Wesenheit, der Glaube an die emporsteigende Zukunft, der Glaube an die Schönheit des Leibes, an den hellen Geist, an das reiche Gemüt als Mehrer des Lebens, als wirkende, aufwärtsführende Kräfte einer höheren Macht, der Glaube an den unbekannten Gott, der deine Erhöhung und Ewigkeit will.

Das Volk, welches diesen Glauben zuerst in Leben ver­wan­deln wird, wird zum Führer und Herren aller andern werden.

* * *

Politik oder Klarismus?

«Oder?»

Das ist die falsche Frage! Denn diese Erde und dieses Leben sind nicht einheitlich, nicht monistisch.

Was ist überhaupt Politik?

Die regelnde Ausnützung andrer Lebewesen und ihrer Zustände im Chaos.

Was folgt daraus?

Dass kein Mensch und erst recht keine soziale Ge­mein­schaft der Chaoserde ohne Politik ihr Dasein auf die Dauer fristen kann. Politik ist die Kunst der irdischen Lebens­er­hal­tung. Auf Politik gänzlich verzichten kann nur der, welcher den Tod erstrebt. Ob ein Staatsmann die ihm nötigen Personen heranzieht und fördert, aber die Feinde der Regierung ver­bannt, gar einen ausrottenden Angriffskrieg im günstigen Zeit­punkte beginnt – oder ob ein Landmann Spatzen verschont, weil sie die Würmer vertilgen, Hasen aber tötet, weil sie den Kohl fressen, sie jedoch leben lässt, falls die Jagdpacht mehr einträgt als der Kohlverkauf samt dem Erlös der selbst­ge­schos­se­nen Hasen: all das bleibt sich im Politischen «wesentlich» gleich. Wenn ein Politiker den Weltmarkt ausnutzt, andere Staaten übervorteilt und schwächere als Kolonien für sein Volk erstrebt, ist es wesentlich dasselbe, wie wenn ein Kaufmann die Konkurrenten zu schlagen sucht, um für seine wachsende Familie die Mittel zu beschaffen. Der Vorteil des einen wird, dieser Chaos-Natur gemäss, irgendwie der Nachteil des an­de­ren sein. Wenn du eine Stellung durch deine Geschick­lich­keit erlangst, wird sie einem andren entgehen, der vielleicht ebenso mit aller Politik um sein tägliches Brot gerungen hat. Wenn dein Buch von Zehntausenden gekauft wird, weil du politischer warst, so wird ein andrer den Nachteil haben. Du schimpfst vielleicht über gewissenlose Politik, geniesst aber sehr gerne die Früchte dieser gewissenlosen Politik in deinem Vaterlande. Du speistest vielleicht Braten sehr gerne, verachtest aber am Ende den Schlachter als einen rohen Gesellen. Du verurteilst den Mord, wünschest aber die Todesstrafe und duldest den Henker-Mörder. Das ist alles unlogisch, unklar oder gar heuch­lerisch.

Politik ist die notwendige Rohheit dieser Erde, daran ist nichts zu deuteln und zu drehen. Völker entwicklen sich po­li­tisch und gehen nieder, Staaten werden politisch gross und ver­sin­ken, Menschen drängen sich politisch empor und ster­ben. Das ist der Lauf dieses Chaoslebens.

Dass du politisch sein musst, solange du nicht irdisch stirbst – das ist dein Erbverhängnis, solange du ein Kind dieser Erde bist. Deine Seele aber möglichst davon zu lösen, um die­ser Erde zu entwachsten, das ist deine Lebensaufgabe.

Die Menschen, wohlverstanden «die», werden nie der Poli­tik entwachsen; aber der einzelne Mensch kann ihr ent­wach­sen. Das Volk als Ganzes wird immer der Politik untertan sein, wird Vaterland, Familie, Partei über alles stellen, und sich im besten Rechte dünken; nur der Einzelne, der gereift, wird den Schein durchschauen und sich in seiner Überzeugung, in sei­nem Bekenntnis von der falschen Herrlichkeit des Wahnes befreien. Deshalb wird er jedoch nicht zum Feinde des Va­ter­lan­des. Im Gegenteil: er wird es oft vor grossen Gefahren bewahren, in die es nur zu oft durch Verblendung der Nur-Politischen hineingestürzt würde.

Dass die Religion sich mit der Poli­tik und gar mit der Poli­zei wesentlich verknüpfe, war ihr tiefster Schaden, dem nur klare Trennung von Staat und Glaubensgemeinschaft abhelfen kann. Politik unterliegt der Notwendigkeit des Chaos, aber der unbekannte Gott ist kein politischer Götze, er wirkt nicht auf Massen, nur im einzelnen Herzen. Politik ist einer und Kla­ris­mus ist ein andrer Geist, Klarismus ist die Befreiung der Seele aus den Banden des Chaos. Jeder auf Erden hat sein Gebiet, seine Wirksamkeit. Der Klarismus wird nie mit der Politik auf­räumen, aber auch alle Politik der Welt vermag nichts gegen den klaristischen Glauben, nichts gegen den unbekannten Gott. Ebenso könnte man Strahlen mit einem Schwerte zerschneiden wollen, um ihr Wirken zu verhindern.

Folgt nun aus alledem, dass der Klarist weltmüde die An­grif­fe eines gewaltätigen Vordringens dulden soll? Keines­wegs. Es ist vielmehr seine ritterliche Pflicht, im Chaos die höhere Natur zu vertreten – als Kämpfer. Wer die Rohheit duldet, leis­tet ihr Vorschub. Nein, nicht dulden sollst du Übermut, Frech­heit und Ungerechtigkeit, soweit es in deinen Kräften steht.

Abwehr der Übergriffe und Klärung der Einzelwesen ist klaristische Ehrenpflicht.

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Wie freust du dich des Lebens?

Den zerreibenden Hass, die entfaltungshemmende Miss­gunst, den zerstörenden Rachewahn zu überwinden: das war das Leben von Christus, die Liebe war seine Botschaft, war seine Tat. Und die Verklärung des aus dem Todeschaos er­stan­denen Leibes als selige Möglichkeit für jeden und als ent­rü­ckende Gewissheit für die Schauenden – das war das Ergebnis dieser Tat.

Zerstört ist von nun ab der Wahn, als wäre die Schönheit der Gestalt, wäre die Schönheit der Natur nur irdisch, hinfällig und täuschend, vor Gott wertlos – als wäre die Schönheit und die hohe Freude an ihr unchristlich.

Sahst du nicht Christusgläubige in selbstloser Hingebung Kranke pflegen, deren Leiden jedem Menschen Ekel ein­flös­sen? Hörtest du nicht von den mutigen Frauen, die zu Engeln der Gefangenen wurden und verrottete, verbitterte Herzen wieder der suchenden Liebe Gottes zu öffnen wussten? Lasest du nicht von Befreiern der Sklaven, von Kämpfern wider die soziale Ungerechtigkeit, von Rettern und Retterinnen der un­se­ligen Opfer des Mädchenhandels? Vernahmst du nicht von Männern und Frauen, die sich um mildere und menschlichere Gesetze unermüdlich mühten?

Sie alle taten das, um Freude zu sehen und Freude zu säen. In ihnen wirkte schon der unbekannte Gott, obschon sie ihn im wahren Grund seines Wesens nicht ganz erfassten, auch nicht in seinem Verhältnis zum Erdenchaos. Oft förderte sie sein Reich der tätigen Liebe, obwohl sie die Liebe oft miss­ver­stan­den, ja bisweilen verfolgten.

Wer das Reich des unbekannten Gottes fördern will, wird nicht als grübelnder Philosoph nur zuschauen, noch als schön­tuender Ästhet die Dinge und Ereignisse bloss als fesselndes Schauspiel bewillkommen, noch als wehleidiger Stentimentaler sich im Unglück andrer, ja in seinem eignen gefühlsam und untätig sonnen. Er wird nicht als teilnahmsloser Gelehrter frem­des Leid und fremden Missstand bloss als «interessantes» un­ge­lös­tes Problem betrachten. Nein, er wird tatkräftig und befreiend an dem heiligen Gottesgeiste der Freude wirken wollen.

Die vergangene verblendete Kultur hat unser Geschlecht geschwächt und verkümmert. Weisst du doch selbst, wieviele leiden, und mehr als sogar im Chaos nötig wäre. Weisst du es aber etwa nicht, wie verseucht ein grosser Teil des Volkes ist? Durch die Luftfeuchte ist die Sinnenfreude fast zu einem Flu­che geworden, davor die Eltern ihre Kinder warnen müssen. Der plumpe Rausch des Alkohols zehrt an der Schwungkraft des Leibes, als ob es keinen höheren Rausch der Seele mehr gäbe. Hast du nicht viel von Hygiene reden hören? von ge­sun­den Einrichtungen, von prächtigen Badeanstalten, modernen Häusern, hygienisch reinen Strassen, Hospitälern? Und hast du nicht viele moralische Phrasen gehört?

Was fruchtet uns das alles! solang das Volk, auch das gebildete! Volk nicht seine Sinnesart ändert und wirklich seine Lebensführung umwandelt. Solange der Leib als des Auges unwürdig, als unsittlicher Anblick gebrandmarkt ist, nützt alle Hygiene nichts. Ebensogut könnte man einem Hunde Wasser und Seife hinstellen, damit er sich die Pfoten wasche. Wir müssen vor allem unsern Geist baden und mit neuem Geiste taufen. Wir müssen den unbekannten Gott und die Zeichen seines Reiches hienieden spüren – dann wird es von selbst anders werden. Dann wird die Liebe aus dem Kerkerloch stei­gen, wo sie verschimmelte und verseuchte, so dass sie allzuoft nach Moder stinkt. Dann werden unsre Jünglinge und Männer noch andre Begeisterung trinken, als bloss den Alkohol, der sie frühzeitig zu schwerfälligen Dickbäuchen und Leidenden macht. Dann wird auch der Tabak nicht mehr so all­be­herr­schend mit seinem Gift die Sinne umnebeln und die Nerven reizen. Und dann – dann wird ein nächstes Geschlecht nicht mehr so nervenschwach, nervenüberreizt und skrofelleidend sein. Dann werden auch gesunde Mädchen und Mütter er­ste­hen, denn es heisst nicht einfach: Kinder zeugen, sondern ge­sun­de Kinder zeugen. Hygienische Buden allein nützen nichts. Wer will verachtete Waren kaufen? Ist nicht deine Klei­dung ein Hohn auf alle Gesundungsphrasen und Gesundungskongresse? Wer aber davon abwiche, würde gemieden werden. Die Sitten­be­grif­fe müssen zuerst von der krankhaften Hysterie und ra­che­göt­zi­schen Leibesfurcht gesunden – sonst nützt alles He­rum­doktern nichts!

Niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche! warnte schon Christus. Es muss von innen heraus anders werden. Ja! Mensch, du musst auch und zuerst im Geiste neu geboren wer­den. Der Baum des Lebens wird frei, sobald der alte Drache, der ihn absperrt, überwunden, gefesselt, ausgerottet wird.

Darum erkenne den unbekannten Gott – dann erst wird dein Volk gesunden können.

Das ist das Bekenntnis des Klarismus.

Ihr Frauen, helft auch ihr dazu! Dann werdet ihr auch freier und geachteter sein. Die Not des Alltags treibt euch hart – gewiss! Aber hinter der Notdurft des Alltages steht die Not eurer Seele, eures Herzens. Alle, die ihr leidet und nicht in egoistischen Stumpfsinn versunken seid, erkennt! den un­be­kann­ten Gott, den ich euch künde, wirkt für sein Reich – und es wird von selbst anders werden. Dann wird von innen heraus ein Neues entstehen. Jede Pflanze muss aus dem Keim her­vor­wach­sen. Man kann nicht Zweiglein an die Äste des alten Bau­mes binden, zum mindestens müssen sie eingepfropft werden und Zeit haben. Die Fruchtsamen zagen, die Neidischen zür­nen, die Spötter spotten – was ficht es an?! Die Liebes- und Glaubensmutigen siegen doch, ob sie gleich im Dunkel zu un­ter­liegen scheinen. Ihnen hilft doch der unbekannte Gott.

Denn präg es deinen Geist und Herzen ein: der Urgott will dein aufwärtsgehendes Eigenstreben. Was deines Wesens Kraft zu Gesundung und Harmonie beschwingt, strömt von ihm dir zu: die hellen Gedanken und bezaubernden Worte, das ju­beln­de Spiel der Töne, die glühenden Klänge der Farben, der be­le­ben­de Fluss schöner Linien, die Anmut der Gestalt, die Grösse der Kraft des Heldentums, die Pracht und Liebeswonne des Blühens und harmonischer Augenblicke in der Natur um dich her. Nur Zerstörung, Hass, Neid, Kälte, Lüge sind gottwidrig – nie und nimmer aber ehrliche Liebesglut, die beglückt und trotz Erdenleidens emporhebt.

Willst du dich des Lebens freuen? – so breite Freude um dich aus!

Was die Ahnungen der Künstler immer erhofft haben: ihr Schaffen als göttlichen Widerhall zu weihen – nun ward es Glaubensbotschaft, denn alle Freude und Schönheit sind Vor­wir­kungen der verklärten Welt.

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Willst du frei sein?

So achte auf die Freiheit der andren! Es gibt keine un­be­ding­te Freiheit. Wer den andern knechtet, erweckt in ihm den Hass und das Racheverlangen, und diese bedrohen schliesslich alle Freiheit, die rechtgebrauchte samt der missbrauchten. Denn was ist überhaupt Freiheit, in tatsächlichem Sinne?

Die Möglichkeit, das eigne Leben nach eigner Art zu ge­stalten.

Ist das für alle und jeden immer möglich? Der Dieb, der Mörder – sollen sich auch diese Freiheit haben?

Nun, der Dieb und der Mörder sind nicht immer ihrem Wesen nach wirklich solche. Mancher wird Dieb aus Not und Mörder aus vergewaltigtem Herzen. Besserung der sozialen Zustände, Besserung der Gesetze konnte und kann da vieles bessern und die Zahl der Verbrecher herabsetzen, manchen vor dem Verbrechen bewahren. Es gibt aber doch unselige Wesen, deren Eigenart noch allzusehr in zerstörenden Treiben wurzelt, die gerne rauben und gerne vergewaltigen. So geht auch die Katze beim Nachbar stehlen, selbst wo sie genügend daheim zu essen hätte. Es bedarf also des Schutzes der Eigenwesen gegen die Anarchie, denn Anarchie führt gerade zur Unfreiheit, zur Herrschaft der Rohheit. Noch in Rechtsstaaten kommt die gewissenlose Rohheit oft zur Vorherrschaft.

In dem Erdenchaos ist unbedingte Freiheit ein Unding, denn das Chaos ist Zwangleben. Unser ganzes Erdenleben baut sich auf Zerstörung auf. Das ist unser, eines jeden Erbunrecht – nicht eine mystische Paradiessünde, ein gegessener Apfel oder gar überhaupt die Sinnenfreude. Unser Erbunrecht ist, dass wir unser Leben nur dadurch fristen, dass wir anderes Leben zerstören, anderes Leben auffressen, Tiere oder Pflan­zen.

Je weniger wir andre vernichten und vergewaltigen, um so freier kann auch äusserlich unser gegenseitiger Zustand sein. Und innerlich können wir zu einem hohen Grade von Freiheit kommen, indem wir uns von dem Wahn des Rachegottes lösen, aber auch von dem Wahne, Kindersklaven der Erdennatur zu sein:

– der Rachewahn hiess uns, unsre Trieb-Kräfte knechten,

– der Naturwahn wollte, dass wir uns von unseren Trieb­kräf­ten knechten liessen.

Aber es heisst vielmehr nach eigner reifer Überzeugung selbsteigen die eignen Treibkräfte zielbewusst meistern und verwirklichen, denn nicht um die rohe Natur nachzuahmen, sondern um sie zu meistern, wardst du Mensch.

Gerade das Streben nach Freiheit, nach Loslösung von den Notwendigkeiten des Erdenchaos beweist, dass eine Eigenkraft in uns wirkt, die den Naturgesetzen entgegenstrebt. Schon der Baum, der emporwächst und den Saft aufwärts treibt, trotz dem Gesetz der Schwere, ist eine Wirkung dessen – der Mensch, der sich aufrecht hält, statt zu fallen, ist ein Ausdruck eignen Wollens, das die naturgesetzliche Schwere meistert und immer höhere Zustände heraufführen soll, wo das einzelne Wesen immer mehr gilt. Die Sehnsucht nach Freiheit – sie ist gerade die ewige Wirkung des unbekannten Gottes, um uns aus dem Chaos zu entwicklen und zur Erlösung vorzubereiten. Das ist seine ewige Tätigkeit.

Darum – willst du freier sein, so werde auch den andren ein Befreier und lehre durch eignes Beispiel die Vergewaltigung möglichst einschränken. Je mehr sich die innere Freiheit in solchem Sinne verbreitern wird, desto mehr wird die äussere Freiheit zunehmen können.

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Willst du dich und die Kinder fördern?

Nach Förderung strebt ja auch schon die moderne Er­zie­hung, in ihrem gütigen, oft unbewussten Drange. Erziehung tut Not, gerade um die Unfreiheit der Rohheit abzuwenden, denn es ist romantischer Unsinn, dass die «unschuldigen» Kinder «Engel» seien. Aber die neue Erziehung wird darauf ausgehen müssen, das Kind nicht mehr als Skla­ven – auch nicht als Sklaven der «Naturgegebenheit» zu betrachten, sondern als reifendes Eigenwesen, dessen besondre Art und besondre Fähigkeit gestählt und gut entfaltet werden soll, damit seine seelischen Kräfte sich nicht zersplittern noch verkümmern, vielmehr in ihrer Art zur Naturmeisterung tauglich würden. Jeder Gärtner weiss, dass keine Lilie sich in eine Erbse ver­wan­deln lässt und kein Spargel in eine Rose. Und bei Men­schen­kin­dern sollte Zwangsveränderung möglich sein?! Ein zarter Knabe ist nicht zu einem erwerbskräftigen Vater zahl­rei­cher Kinder veranlagt, ein wildes energisches Mädchen nicht zu einer sorgfältig ergebenen Hausfrau, eine Künstlernatur nicht zu einem Geschäftsführer, ein geborener Schauspieler schwerlich zu einem Beamten, eine verwegene Entdeckernatur nicht zu einem Beruf der Disziplin, einer geborener Jugend­er­zie­her nicht zum Geschäftsreisenden; ein menschengewandter Redefertiger dagegen taugt sehr wohl zum geschäftlichen Beruf, zum Richterberuf, aber nicht zum vorsichtig for­schen­den Gelehrten. Wer ohne städtisches Treiben verschmachtet, wird nich die tätige Liebe zu Wald und Feld haben. Denn ohne innere Neigung für eine Arbeit oder eine Familienstellung gibt es keinen Fleiss und keine Zufriedenheit, gibt es keinen Erfolg.

Hüte dich darum, wenn du Vater oder Lehrer bist, das Kind zu zwingen, begnüg dich damit: ihm die Rohheit und Trägheit abzugewöhnen, mit freundlicher Strenge, es dahin zu bringen, dass es sich in seiner Art, an seinem Platz freudig einfüge. So wirkst du am Wohl der Deinen und des Va­ter­lan­des, so wirkst du für die Freiheit und den Fortschritt, für das Reich des unbekannten Gottes. Schränke die Vergewaltigung ein, aus Klugheit und Herzlichkeit.

Nur solche Kinder und solche Menschen werden die Stärke deines Volkes sein, mehr als eine stumpfe oder verwilderte Menge, solche Bürger werden das Übergewicht auch über zahl­rei­che Angehörige eines andern, minderentwickelten Staates sichern.

Freilich ist der Wunsch eines Volkes zu bestehen und sich zu entwicklen nicht bloss berechtigt, sondern auch ein Zeichen seiner gesunden Kraft; und das Recht auf Geburt, als Grund­la­ge der Entwicklung, folgt in tieferem Sinne gerade aus dem Klarismus, ja aus ihm. Denn der moderne Monismus vermag logischerweise den Geburten keinen wahrhaften Sinn zu­zu­ge­ste­hen, da laut ihm alles Einzelleben, auch das Leben des einzelnen Volkes, nur ein vorübergehendes wesenloses Spiel ist, das morgen ebensogut verschwinden kann, als es heute vielleicht irgend jemandem erwünscht ist

Aber: nicht möglichst viele, sondern möglichst gesunde Geburten sei das soziale Ziel, und insoweit, als die zu ge­bä­ren­den Eigenwesen ein gesundes Feld zur Entwicklung und Tä­tig­keit finden. Ein schwächliches Proletariat des Lebens zehrt an der Kraft aller, die da leben. Ererbte Gesundheit und Ent­fal­tungs­frei­heit sind Grundbedingung.

Und ferner: wie es der Einen Aufgabe sein mag, zahl­rei­che, möglichst lebensfähige Eigenwesen für die Entwicklung des Lebens zu zeugen und zu gebären – so mag es die Aufgabe Anderer sein, durch Zeugung neuer Lebensmöglichkeiten und Lebenswege, durch Zeugung neuer geistiger und seelischer Geburt in den Chaoskindern an vaterländischer Er­den­ent­wick­lung heilsam mitzuwirken. Und gerade solche Persönlichkeiten tun unter Umständen eher recht, auf physiologische Nach­kom­men­schaft zu verzichten. Jeden seine Aufgabe, jeden seine Art der Förderung – so mahnt der weitschauende Klarismus.

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Wo ist dein Heim?

Wo ist deine Heimat?

Wo du geboren bist? Zumeist – ja, wenn du nicht zufällig in fremder Stadt, oder gar in fremdem Lande geboren wurdest. Wo du polizeilich angeschrieben bist? Vielleicht. Aber was heisst dir «Heimat» im tieferem Sinne?

Der Ort, wo du dich heimisch, zu Hause fühlst. Das ist deine wahre Heimat.

Und deine engere Heimat, dein Heim, wo ist das? In dei­ner Familie? Ja, wenn du glücklich verheiratet bist und Kinder hast, die dir Freude machen. Oder in deiner Freund­schaft? Ja, wenn du wahre Freunde hast, die dich verstehen, dir herzlich gesinnt sind.

Also Heimat oder Heim ist allemal die Stätte, wo du dich nicht gehemmt, sondern durch verwandte Gesinnung und Gefühle gefördert fühlst. Im Grossen ist das dein Vaterland. Es ist kein Zweifel, du wirst dein Vaterland, deine Heimat und dein Heim nach Kräften fördern, denn sie sind dir ja Bürg­schaft und Schutz deiner Wesensart.

Wenn du aber nicht glücklich bist? Wenn die ererbte Hei­mat, oder das ererbte und erworbene Heim, Vaterland oder Familie dir keine wirkliche Heim- und Keimstätte sind – was dann?! Wenn du in deiner täglichen Eigenart behindert bist, ja in der Entfaltung deiner Herzensbedürfnisse nicht verstanden oder gar bedroht bist? Ist das nicht Gefahr, dass du ein Frem­der und gar ein Feind deiner gegebenen Heimat wirst?

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Du aber, der du ein wahres Heim und eine günstige Hei­mat hast, frage dich, ob dein Mitmensch eine solche Heimat hat, die ihn nicht törichterweise hemmt, missversteht oder aus­stösst. Hat er sie nicht? Solcher Mitmensch wird dein Feind wer­den, wird zuletzt die Ruhe deiner Heimat bedrohen. Darum achte aus Klugheit und Herzlichkeit, die Eigenart des Andren, damit er sich in eurer beider Vaterlande heimisch und dir nah fühle. Nur so kann dein Vaterland einig und stark sein. Hast du ein Recht, deinem Nächsten sein Eigenrecht zu rauben, falls er dir deines nicht raubt? Und wenn du auch glaubst, du könntest es, weil du die Macht hast – so ist es doch töricht, den du schürfst das Feuer der Empörung, du schürfst das gefährliche Feuer des Anarchismus, der Ordnungslosigkeit in der Seele des Recht- und Heimatlosen. Ob du konservativ oder sozialistisch bist, alter oder neuer Moral huldigst, ist es töricht, einen Men­schen zwingen zu wollen, denn es ist auf die Dauer unmöglich. Wenn du auch ganz anders denkst, fühlst und glaubst, und ganz anders deine Heimat gestalten willst, als der Andre – so hast du doch kein Recht, dem Andren sein Heimrecht zu wehren. Wo sein Heim nicht die Burg des Menschen bleibt, da entsteht Zersetzung im Staate. Bewahre dich und dein Heim mit aller Energie, aber greif nicht über.

Auf solcher möglicher Achtung der Eigenart und des Ei­gen­strebens beruht aller Friede der Familie, beruht die Er­zieh­ung zur Ehe und in der Ehe, und vor allem die Wahl des Ehe­gatten. Ohne sie ist keine Freundschaft möglich, ja durch­aus kein gesundes, erfolgreiches soziales Leben – keine ver­nünf­ti­ge Kindererziehung, keine klare Wahl des Lebensberufes, mit der sich die Eltern die Köpfe zerbrechen. Wie mancher ward in der Jugend zwangsweise auf falsche Bahn gestellt und verfehlte sein Leben in Beruf und Ehe, weil die Eltern nicht einsahen, dass jeden Menschen seine eigne Art zu seiner eignen Ent­fal­tung bestimmt, und dass er sein bestes Ziel auf ganz andrem Wege erreichen kann, als es Vater und Mutter wissen mochten. Die alten Zwang- und Rachegötter mit ihrer Zwangsdisziplin und Strafmoral bestimmten bisher den Staat, bestimmten die Erziehung und alles Gemeinleben. Lass nun den unbekannten Gott, den verborgnen Wecker der Harmonie, in dir und deinen Nächsten lebendig werden, damit die geistige Luft deines Lan­des klarer und gesunder werde und nicht zu viel verborgner Hass umherschleiche.

Züchte keine grollenden Sklavenseelen! – so spricht der unbekannte Gott zu dir – verarm das Leben nicht, betrachte nicht dich und deine Art als die einzige, denn so förderts du gerade den Streit im Erdenwirrwar und hemmst die Wei­ter­ent­wick­lung. Erzieh dich selbst in Ehegemeinschaft, in Freun­des­ge­mein­schaft, dulde dein Weib, deinen Mann, deine Kinder, deinen Freund im Zusammenleben. Dulde aber auch, das Andersdenkende und Andersfühlende sich in freier Ge­mein­schaft entfalten. Sonst bist du ein Mehrer des Unfriedens, eine verblendeter Feind des Vaterlandes, ja der Menschen über­haupt. Überwinde deinen engen Eigensinn, damit der eigne Sinn vielfältig wachse und das ganze Leben eigenwüchsig gesunde – überwinde die eifersüchtige Menschenfeindschaft in dir. Ruf nicht den Büttel zur Hülfe, wo du geringschätzen zu müssen glaubst. Es ist besser, zwei leben friedlich in ihrem Heime nach eignen Regeln, die nicht die deinen sind, als dass deine Regeln ihnen zum Zwange würden, und sich gewöhnten, alle Ordnung zu umgehen und zu verachten. Bekämpfe den Gewalttäter, der alle hemmt, aber rufe nich Gewalten gegen denjenigen an, der bloss eine andre Ordnung, als du, bei sich erstrebt.

Wirke Ordnungen durch Eigenordnungen. In einem ge­rech­ten und gesunden Staate muss jede wohlstrebende An­schau­ung im Volksrat zu Worte kommen, nicht bloss eine Mehrheit, die durch zufällige Wahl-Verteilung entsteht und alle andren unterdrückt. Und auch in der Familie müssen die Minderheiten bisweilen gehört werden. Alle Kultur strebt dahin, die rohe Übermacht in Rechte zu verwandeln, die auch den Schwachen stärken. «Suum cuique» – jedem das Seine. Wie der Müller von Sanssouci, weil er auf sein Recht vertraute, König Friedrich den Grossen zu widerstehen wagte – so muss es einem Jeden möglich sein, auf das Recht des Eigenrechtes zu bauen.

Bist du ein Mann, so bedenk, dass auch die Frau ein Ei­gen­wesen ist, dass sie heute oft härtestens um ihr Leben käm­pfen muss. Glaube nicht, dass du sie mit Phrasen abspeisen kannst: sie dürfe nicht aus den Grenzen ihrer Weib­lich­keit heraus, nicht aus gottgewollter, will heissen, chaotischer Ab­hän­gig­keit der Bibel heraus. Das Eigenwesen hat Ei­gen­gren­zen, deren Enge oder Weite dir nicht abzumessen zusteht, nicht durch Hohn und nicht durch Zwang. Wo die Frau ihr Brot für Leib und Seele, ihre Liebe und Heim findet, wird sie auch ihr Weibtum nicht verleugnen. Und so bedenke auch, dass nicht jeder so Mann ist, wie du bist.

Bist du ein Weib? So bedenke, dass auch der Mann bitter kämpft und oft keine Familie, keine Heimstätte gründen kann, weil zuviel törichte Anforderungen da sind, oft durch die Schuld des Weibes. Bedenke, wieviel Männer leiden, weil sie einsam leben müssen. Verurteile nicht das Mädchen, das aus Liebe gegen eure Regeln verstösst. Arbeite lieber an den so­zial­en Zuständen und prüf eure Sitten nach, ob sie denn alle so unfehlbar sind.

Es muss dahin kommen, dass es nicht Entrechtete und Sozialbevormundete im Lande gibt, die Grund hätten, Feinde der eigenen Landesordnung zu werden – weder Sozial­ent­rech­te­te, noch Moralentrechtete, noch Rassenentrechtete. Fördert durch die Freiheit der Eigenwege das gesunde Heimatgefühl, so fördert ihr die Heime, so fördert ihr Tüchtigkeit, Freudigkeit, Achtung und Gerechtigkeit – so fördert ihr das Wirken des unbekannten Gottes.

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Was soll die Arbeit?

Diese Erde ist kein bequemes Schlaraffenland, auch keine gütige fürsorgliche Mutter, wie man oft gedankenlos schwatzen hört. Mögen solche Leute noch so gelehrt und praktisch tun, gerade sie sind Romantiker. Und romantische Utopie, ein un­er­füll­bares Versprechen ist es, wenn es heisst: die sozialen Er­den­zu­stände würden sich vollkommen gestalten, wenn diese oder jene Parteianschauung siegt.

Was hat die Erde dir oder deinen Vorfahren geschenkt? In die Höhle verkroch sich der Urmensch, um sich vor peit­schen­dem Regen, dem eisigen Wind zu schützen, und vor wilden Tieren. Dazu baute er sich mühsam auf Pfählen im Wasser ge­sicherte Wohnungen. Er irrte als Jäger umher, um Tiere zu töten und seinen Hunger zu stillen. Mühsam erwarb er seinen Unterhalt. Er erstand Waffen und Werkszeuge. Er kämpfte mir anderen Hungrigen, bis aus den hungrigen Kämpfern hungrige Horden, hungrige Volksgemeinschaften, hungrige Staaten wurden. Er ging auf Entdeckungen unter Gefahr des Lebens aus. Die Technik war des Menschen mühsame Errungenschaft. Mühsam hatte sich der Mensch aus der Sklaverei seiner Mit­men­schen befreit, und noch nicht ganz, denn noch heute schmachtet er unter mancherlei abergläubischen und prak­ti­schen Resten jener Sklaverei.

Kampf ist das Leben, Mühe und Arbeit, und nicht ein be­hag­liches Leben «bei Muttern». Die Arbeit hebt den Men­schen über die übrige Natur, der auch du angehörst, hinauf. Du ar­bei­test um das tägliche Brot, und meist im Kampfe mit andern, die gleich dir hungern und dürsten. Doch nicht bloss nach Speise und Trank dürstet und hungert dich, auch nach Freude am Dasein, nach Freude an der Arbeit. Das ist der Augenblick, wo du über das Erdenchaos hinauswächst! Du willst deine Arbeit in Freude verwandeln.

Da wirkt der unbekannte Gott in dir.

Der Acker wir nicht reichlicher Früchte tragen, wenn man ihn von Priestern weihen lässt und Bittgottesdienste abhält – Dünger gehört auf die Erde, und der Pflug muss sie umwühlen. Das muss der Bauer im Schweisse seines Angesichts tun. Und ebenso wird kein Gebet die Mühle drehen und die Fabriken arbeiten machen. Der Arbeiter muss den Ofen heizen, muss Kohle aus der Erde graben, muss Stück für Stück durch seiner Hände Arbeit leisten. Geht es nicht nach Wunsch, so stösst der Bauer einen Fluch gegen den allmächtigen alten Schöpfer aus, der ihn im Stiche liess. Und so der Arbeiter. Dann heisst es wohl: wo steckt die Sünde? So schwankt ihr hin und her zwi­schen Aberglauben und Fluchen.

Nein, der unbekannte Gott hat diese Erde der Mühen nicht geschaffen. Sein Wirken ist viel wunderbarer. Er wirkt die hö­he­re Welt. Verwandle wüstes Land in urbares, verwandle rohe Stoffe in hilfreiche oder schöne Form, und freue dich dessen: da wirkest du mit, da arbeitest du mit am grossen Werke des unbekannten Gottes, an der verklärten Welt. Schau in die Na­tur, und wo sie dein Herz mit Freude erfüllt, in schönen Au­gen­bli­cken, da merkest du die Spuren einer höheren Na­tur. Und merk auf deinen Nächsten: wo du herzliche, wohlwollende Freude in den Augen blitzen siehst, das sind die Spuren einer höheren Welt. Sieh, die Lerche müht sich auch um ihr Dasein, sie ernährt auch ihre Kinder und sucht ihre Wohnung; wenn sie aber jubelnd in die Lüfte steigt, da erfüllt etwas andres ihr kleines Wesen, als der Kampf um die Notdurft. Wo dein Herz sich in Sehnsucht erhebt, da waltet auch in dir ein höherer Wille, der Wille aufwärts! Arbeit tut not, Arbeit tut gut, sie be­freite, sie brachte Erleichterungen durch die Technik und zahllose Errungenschaften. Aber die Arbeit des Alltags und die Zivilisation knechtet auch. Unglücke in Fabriken, Erd­schach­ten, auf Eisenbahnen und Ozeandampfern, wirtschaftliche Vernichtungskämpfe sind in ihrem Gefolge. Der neue Fort­schritt bringt auch neue Gefahren, und die Luftschifffahrt bringt wieder neue. Die alte Erde lässt sich nicht in eine ver­klär­te Welt umzaubern. Immer neu gebären in ihr die chao­tisch-wirren Kräfte.

Doch arbeite ohne zu verzweifeln. Schon manches hat sich in Staat und Recht zugunsten der Schwächeren gewandelt. Aber immer wieder leidet hier, leidet da eine Menschengruppe durch ungerechte oder gar grausame Gesetze, die ihre Lebens­be­din­gungen, ihr soziales Lebensrecht, ihre Sonderart un­ter­drü­cken. Doch lass den Mut nicht sinken. Bei jedem Fortschritt arbeitest du mit an dem Reiche der Verklärung, bei jeder Tat, die den Menschen wieder aus den Fesseln einer Sklaverei zu lösen strebt – die seiner Wesensart eine freiere Bahn eröffnet, die ihm erlaubt ohne Vergewaltigung sich zu entfalten. Arbeite mit am wunderbaren Reiche des unbekannten Gottes, das sich in Stille mehrt, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Ob du Lehrer bist, der die Jugend erzieht und künftige Geschlechter beeinflusst, ob du ein Landmann bist, der Feld und Wald pflegt und er­zieht, ob du ein Gelehrter bist, der die Wahrheit ehrlich, ohne Vorurteil zu ergründen sucht, ob du ein Arbeiter bist, der des Lebens Notdurft Aller mit seiner Arbeit bekämpft, ob du ein Staatsmann bist, der die Zerstörung des sozialen Lebens durch kluge Führung zu vermeiden strebt und seinem Volke weitere Gebiete erspäht, ohne leichtsinnig in Gefahren zu stürzen, ob du ein Künstler bist, der mit seiner Fantasie Freude in die Herzen bringt und ihre Sehnsucht nährt, ob du eine Mutter bist, die ihren Kindern Kräfte für den Kampf des Lebens ein­flösst – alle arbeitet ihr mit am grossen Werke des unbe­kann­ten Gottes, der euch ein bekannter wird, wenn ihr die Augen öffnet und das Wirken der verklärten Welt erkennt. Das ist keine trügerische Romantik, kein sentimentales Märchen, keine fruchtlose Einbildung.

Das ist der Glaube an die Tat, als an die befreiende Macht aus allem dumpfen Aberglauben und knechtenden Wahn. Der unbekannte Gott ist es, der dich befreit. Erkenne ihn und hei­li­ge dich durch ihn. Schau, glaube, erkenne und arbeite, und freu dich deiner seelischen Freiheit. Was du – jeder Einzelne –, so bescheiden auch dein Wirken sein mag, in deinem Berufe zur Überwindung des Chaos, zur Klärung, Erhöhung und Er­lö­sung tust, ehrlich tust – das wird Früchte tragen, das macht dich zum Mitarbeiter des nicht mehr unbekannten Gottes – das macht dich zum Klaristen.

Elisarion

* * *

 

Das Glaubensbekenntnis der Klaristen und die grundlegende und eingehende Darstellung dieser neuen Erkenntnis stehen in der Schrift Ein neuer Flug und eine Heilige Burg, die ich vor einem Jahr veröffentlichte.

1)Wer hier Gott lästert, ist die Darstellung der Kirche, nicht ich, der ich die höchste und tiefste Verehrung Gottes und Christus’ fühle und bekenne. retour

2)Vergleiche die Gotteslästerungen der Bibel und der Antike. retour

3)Vergleiche die eingehende Widerlegung des Monismus in der Schrift Die Goethelüge. retour

4)Diese Verdeutschung und Verdeutlichung für «Individuum» habe ich eingeführt. retour

5)Vergleiche Die gefesselte Afrodite, Verlag Akropolis, 1911. retour

Der unbekannte Gott – Ein Wort an Dich und Dein Volk, 1912

Philosphische, weltanschauliche und religiöse Fragen um 1910, erklärt und beantwortet von Elisàr von Kupffer in Sinne von klar schauen – klar denken – klar handeln – dem Grundsatz des klaris­ti­schen Glaubens und der klaris­ti­schen Wissenschaft. PDF

Vaterunser des Klarismus

Vater unser,

Ewiger Sieges-Sender,

Mit-Vollender,

Erster Spender

Der Ganden:

Führ uns auf Pfaden

Unsrer Seele!

Stähle

Die Kräfte zu ringen:

Mit eigner Fehle,

Mit Freundesschwächen

Mit Feindespfeilen,

Mit Luft, zu rächen

Um Hasse der Toren,

Was wir an Freuden des Eden

Durch sie verloren

In blutigen Fehden!

 

All-Ewiger walte,

Stärk und erhalte

Auch uns

Auf unseren Bahnen.

 

Vater unser

Ewig Junger.

Liebesvollender!

Wie du dich nennest,

Höchster Spender

Auf allen Erden –

Du kennest

Die irdischen Nöte

und alles Werden.

Die Morgenröte

Der Herrlichkeiten

Kommender Zeiten

Und Ewigkeiten,

O lass sie uns schauen,

Uns erbauen

An der Vollendung

Herrlichen Bildern:

Dass uns die Wendung

Der Dinge

Nicht mag verwildern!

So dringe

Zu dir der Ruf hienieden

Harrender Geister

In Kampf und Frieden:

Erster der Meister

Höchster Meister

Von Zeit zu Zeiten

In Ewigkeiten.

Aus «Hymnen der Heiligen Burg», Hymne I

Karfreitag der Seele

Heiland, unsre Herzen bluten,

Wie sterbendes Laub,

Sengenden Gluten,

Stürmen zum Raub,

Unsres Frühlings holde Saaten,

Soviel Keime des Guten

Die Feinde zertraten,

Und ach! der Blüten duftige Pracht

In lauschiger Krone,

Des Lebensbaumes –

Zerstob über Nacht

Mit Freuden des Traumes.

Dem Hohne

Der Klugen sind wir preisgegeben!

Auf dieses karge Leben

Fallen des Todes Schatten.

Der Herzen überkühnes Streben

Will schier ermatten!

Und ferne läuten dumpfe Glocken

Das Ende aller Dinge …

O letzter Tag von Golgatha!

Komm hehrer Geist, bezwinge

Die Zweifel allhie! allda!

 

Herzen, wachet auf und ringet!

Glaubet und schwinget

Über die Schlünde

Zu Neuem Leben!

Des Todes Gründe

Lasset dahinter! ohne Beben

 

Chaosgeboren, wiedergeboren,

Wie unser Eigenwesen verloren!

Liebeserkoren

Werde die Erde von uns beschworen!

 

Heiland, unsre Herzen bluten,

Zertretne Trauben!

Wein, den guten,

Wirke im Glauben!

Wiedergekehrten Ur-Überwinder

Sammle des Chaos Kinder

Zu Kindern des Lichtes,

Uns die nicht harren des Rachegerichtes.

Mach uns der Erde ledig!

In der Stunde von Golgatha

Herr, frei uns gnädig

Sei uns nah!

Aus «Hymnen der Heiligen Burg», Hymne VIII

Ostern der Seele

Frühling der Seele willkommen!

Du, der die Schrecken genommen

Grausiger Todesstarre!

Wer auch, Erdengeboren,

Düsteren Loses harre –

Juble der Kunde: Beschworen!

Wurde das Grauen der letzten Stunde.

 

Weise wurden zu Toren,

Toren werden zu Weisen,

Verklärte preisen

Den seligen Tag.

Selig, der glauben mag!

Holdester Tag! erstanden

Aus Leiden und Banden –

Himmlischer Bote

Bist Heiland Du!

Deinem Morgenrote

Jubeln wir zu!

Liebe, hold und erhaben!

Die dich verachten,

Zu töten trachten,

Begraben –

Stehen geblendet und zittern;

In Lenzesgewittern

Öffnen sich wieder des Grabes Pforten

Allerorten.

 

Frühling der Seele, willkommen!

Selig, wer dich vernommen,

Spürte des Hauches Wehen.

Die schönen Spuren

Erschauernd gesehen,

Die kommenden Fluren auferstehen!

 

Wir glühen – ein blühendes Eiland

Im blauen, duftigen Meer,

Jugendschön, o Heiland

Wandelst du daher!

Aus «Hymnen der Heiligen Burg», Hymne IX

Elisàr von Kupffer, «Der Kampf mit dem Drachen der Finsternis», 1929
Elilsàr von Kupffer, «Der befreite Lebensbaum», 1916

Öffentliche Stimmen zum Klarismus des «Neuen Fluges»

Was das 19. Jahrhundert in rastloser Forschung gesucht hat, den starken liberalen Glauben, der alles Frucht­bare im Menschen befreit, alles Schäd­liche aber zähmt – den gibt uns dieses einzigartige tiefe und licht­volle Werk: ‹Ein Neuer Flug› von Elisarion, ein Werk edelster Freiheit, ein Werk der Linderung alles sozialen Elends, vom seherischen Schöpfer wie eigens miterlebt . . . ein Euch, das jedem bestimmt ist.

Morgenzeitung, Oldenburg, 13. Dez. 1911

Nein, der Fortschritt liegt nur beim Klarismus, wie ihn Elisarions ‹Neuer Flug› verkündete … er bekennt die Notwendigkeit der irdischen Gegen­sätze und die Wesens­wirk­lichkeit des strebenden Emporsteigens.

Wenn von Elisarions uner­schöpf­ba­rem Werke aus der Klarismus in die Menschheit gedrungen sein wird, dann wird die Bahn des Fortschrittes wahrhaft betreten sein; wer Fort­schritt will, der vertiefe sich in den «Neuen Flug».

Dr. Eduard von Mayer in Lebensreform 1912,
Nr. 1, Berlin

Eine Frühlingsbotschaft ist, was Elisa­rion redet, und die Samenkörner, die sein Werk auszustreuen bestimmt ist, bereiten einen Flor von Le­bens­ein­sich­ten, Lebenshoffnungen, Le­bens­wir­kun­gen vor … Soviel Sinn und Wert, als das Eigenwesen dem Leben zu verleihen fähig ist, hat es: welche männlich kraftvolle zu­kunft­stol­ze Parole! Nun eröffnen sich Natur­zu­kunf­ten, Zukunftnaturen, an deren Möglichkeiten wir allererst die lau­fen­de Wirklichkeit begreifen lernen werden.

Breslauer Zeitung, 25. Mai 1911

Hier ist ein Wunder von befreiender Kraft – in ein Buch gebannt.

Buchhändler Ferdinand Fischer, Direktor der Buch- und Kunsthandlung Brogi, Florenz

Uns ist Elisarion auch dadurch besonders sympathisch, dass er die tiefe Bedeutung der in allem Tasten, Suchen, Straucheln und Irren sich schliesslich doch klärenden Erotik der ehrlichen Menschen, des wich­tig­sten Lebensprinzipes auch der Ethik erkennt. Aller Pharisäismus ist ihm ein Greuel.

Willy Schifiter, Chef-Redakteur des Deutschen Lebens

… Der Klarismus ist eine An­ge­le­gen­heit für Alle, die sich zum geistigen Adel zählen dürfen oder wollen, ein Sauerteig, der die ganze Kultur durchsäuern und verwandeln wird, bis sie auf eine neue geistige Grund­lage gestellt, von neuer Frage aus­ge­hend zu neuen Antworten, Zielen und Ergebnissen gelangt.

Deutsches Literaturblatt,
Herausgeber Dr. M. G. Conrad, Januar 1912

Der Staat kann nur an Kulturkraft gewinnen, wenn dieser wunderbare Verklärung- und Entwicklungsglaube des ‹Neuen Fluges› in allen Men­schen die Gesundheit der Be­geis­te­rung, die Kraft der Per­sön­lich­keit, den Reichtum massvoller Freiheit, die Liebe zu fordernder Gemein­schaft einimpft.

Es wird weniger Totenstoff in den Menschen die Kultur aufhalten, wenn Elisarion’s Lichtglaube wie ein Edelfeuer aus der Höhe alle Ver­we­sungs­keime des Chaos in den Seelen verzehrt. Dieses Werk ist die Feuer­bestattung des Todeswahns.

Phönix in Wien, Nr. 9, XXIV. Jahrgang

… edle mitfortreissende Stimmung hält vom Anfang, in dem sich der Autor gegen den «seelischen Byzan­ti­nis­mus» unserer Welt wendet, bis zum Ausklang, der den Glauben an die persönliche Entwicklung, an die «wachsende Innenmacht» verlangt.

Alexander Freiherr von Gleichen-Russwurm, in der Zeit, Wien, Okt. 1911

Das chaotisch-entwicklungs­feind­liche der All-eins-Natur und das barbarisch-heidnische des Rache­wahns in ihrer inneren Identität als Lebensverarmung grundsätzlich erkannt zu haben, ist die erste Leistung des Klarismus. Vorwärts und Aufwärts! lautet der klaristische Glaubensruf.

St. Petersburger Zeitung, Nov. 1911

Hier bereitet sich die grosse Refor­ma­tion vor und der «Luther der Erotik» ist der Verfasser des «Neuen Fluges» … und die ganze Zielfrage der Menschheit, der die Religionen entsprossen sind, findet hier ihre Lösung. Und eine Arbeit für ein nächstes Jahrhundert sehe auch ich voraus, ehe der ‹Neue Flug› wirklich und wahrhaft fruchtbar werden kann: über drei Generationen nach Elisarion.

Die Aktion in Berlin, Mai 1911

… da ist Drews nicht mehr Monist, sondern auf dem Wege zu jenem Bekenntnisziel, das nach jahr­tau­send­alten Versuchen und Ahnungen nun so einfach, klar und umfassend von Elisarion im Klarismus (im «Neuen Flug») niedergelegt wurde … Die Liebe ist das grosse Einigende und Bauende … Nicht Einheit behaupten, sondern Einigung lehren: das ist die universelle Mission des Klarismus — höchste läuternde Geistesfreiheit.

Allgemeiner Beobachter, Hamburg, April 1912

Eine Predigt voll tiefer und schöner Gedanken, eine Predigt der Liebe, wie sie aus der Heiligen Schrift in voller Reinheit selbst strahlen sollte, eine Fülle seltsamer und doch tref­fender Beweise, eine unun­ter­bro­chene Kette tiefer Gedanken und heiligster Anschauungen. Sehr schön sind die hier und da eingestreuten Dichtungen und besonders die Sprache.

Wissenschaftlich-Pädagogische Rundschau
(das deutsche Lehrerblatt), Berlin, Juni 1911

Das ist die Tat Elisarions, mit der ein Lehrer und Denker, ein Dichter und Maler, ein Erbauer des Lebens und lebenschirmender Andachtsstätte, sein eigenes Streben bezeugte, sei­nen eignen «Neuen Flug».

Berlin, in demselben Blatt, Sept. 1911

Wir werden von den lichtvollen Ge­dan­ken Ihrer Lehre für unsere soziale und volkserzieherische Arbeit gros­sen Nutzen ziehen.

Oberin Zeller des Zellerhauses und Rettungshelmes für gefährdete Trinkerkinder. Jan. 1912. Berlin

Ein Werk voll freudigster Lebens­be­ja­hung … die nichts gemein hat mit sogenanntem Epikuräismus. Was der über eine selten reiche Lebens­er­fah­rung verfügende Verfasser lehrt, ist … Verklärung des Innenlebens, höchs­te Entwicklung der Per­sön­lich­keit: «die Zukunft der Seele». Sterne voll magischen Glanzes leuch­ten uns in beseligender Ver­heis­sung aus Elisarions Offen­barungen entgegen.

Der Salon, Wien, September 1911

Dieses Buch eines neuen Glaubens, ein Buch der Kraft, des Lebens, der Schönheit und der Freiheit.

Fränkischer Kurier, Nürnberg

… eine Befreiung der Persönlichkeit durch einen neuen Christus. Das Buch ist voll ernster und tiefer sitt­licher Gedanken.

Kieler Neueste Nachrichten, Juni 1911

Kraftquellendes Werk, in so hin­reis­sen­den Worten, in so stim­mungs­vol­ler Form dargebracht ... so voll Ein­sichten und Ausblicken … dass erst wiederholte eigene Vertiefung in das Werk all die Kraftschätze hervorholt.

Das Echo, Berlin, 1911

I think you are working out a valu­able idea. The founding of a great human religion on love and the rea­li­sition within us of a tran­scen­dent life is very much wanted.

Edward Carpenter, der bekannte engl. Soziologe

C’ est l’ oeuvre d’ une âme vigoureuse — une âme qui s’ élève à des nobles hauteurs, laissant au dessous d’ elle tous les caquetages, les sophismes, l’ irraisonnementet les mesquineries des differente groupe de penseurs.

Einer der ersten New-York Architekten, R. L. Daus

Le loro idee m’ispirano vivissima simpatia.

Arturo Graf, ital. Dichter und Professor
der Universität Turin

Bei der glaubensverflachenden Modernität unsrer Zeit ist ein solche Schrift eine Erquickung. Aus dem fernen, als asiatisch wild ver­schrie­nen Kaukasus diese Stimme zu hören, wird Ihnen wohl auffallend erscheinen.

A. J. S.-Georgiewsk