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Technik und Kultur – Teil II – Die Quellen der Technik

Die Quellen der Technik

7. Das organisatorische Wesen der Persönlichkeit

Die Technik hat der Menschheit überaus viel Gutes getan.

Aber wer ist die Technik?

Doch nicht eine pseudoklassische Göttin, die aus per­sön­li­chem Wohlwollen, nach unverantwortlichem Belieben ihre Schätze austeilt, nein: sie ist der Mensch, die sehr mühsame und notgedrungene Arbeit der Menschengeschlechter. Was die Technik Gutes getan hat, hat der Mensch sich selbst getan, und die Technik ist so lange nicht gewertet, als ihre menschlichen Quellen nicht begriffen sind, das Warum und Wozu, das Wann und Wie dieses menschlichen Kampfes mit der chaotischen Natur. Denn ein Kampf ist sie.

Der friedliche Aufbau des Alls wird immer wieder unter­bro­chen, der Zusammenschluss der tätigen Urmächte zu Atomen, Kristallen, Zellen, Sonnengruppen und Lebewesen lockert sich immer wieder, der gestaltenden Anziehung wider­setzt sich immer wieder erfolgreich der Eigendrang der Ur­mäch­te, dem weltbildenden Werke der Liebe – des Eros Demi­ur­gos-Weltenordners1 – arbeitet nur allzu oft die Selbst­sucht entgegen. Diesen Zerfall der Welt aufhalten will der Kampf, doch er zerstört nur um so mehr. Gleichwohl ist sein letztes Ziel wieder nur die einheitliche Gestaltung der Welt. Der Kampf könnte nicht so trotz allem produktiv sein, wenn er nicht doch aus dem schöpferischen Drange stammte, der durch Um- und Irrwege das Chaos zum Kosmos bilden will. Wenn denn der Hunger, als Wurzel des Kampfes, den Menschen nach Nahrung greifen heisst, wo nicht anders mit Gewalt, so tut der Mensch es zunächst nur, um im Leben als er selbst zu behar­ren, er sträubt sich zunächst nur gegen den eigenen Zerfall und zerstört dabei seelenruhig die Umwelt, die schon selbst für sich zu sorgen hat, doppelt bedroht: nun so von aussen durch den Menschen und ohne dem von innen nach den Gesetzen des Stoffwechsels. So wird der Hunger durch Gewalt und Abwehr von Gewalt zum richtigen Kampf: Macht steht wider Macht und bremst sie – ein aussichtsloses Hin und Her des Zufalls, so­lan­ge es die Tierwelt betraf; erst in der Menschheit, der so über­aus grad- und damit geradezu grund-verschiedenen, wird der Widerstand des einen Lebewesens geradezu der Ansporn für das andere, sich zum Herrn emporzuschwingen, das ist: zum Aneigner, Lenker und Schöpfer. Immer nur als enges Be­wusst­sein des eigenen Hungers, der eigenen Todesfurcht wirkt das Selbstgefühl des Menschen doch weit über seine Person hinaus. Wie in höherer, kosmischer Sendung greift er in die Natur und macht sie sich dienstbar – zum eigenen Nutzen des eigenen Lebens, ja! Aber über das kurze, individuelle, augenblickliche Dasein hinaus bleibt, was dies individuelle Leben zum eigenen Schutze sich geschaffen, als Erbteil für die ganze Menschheit. Was je ein Mensch, in scheinbarem Egoismus, der Natur ab- und auf gezwungen hat, ist für die Ausgestaltung der ganzen Welt gewonnen; auch die Technik ist nur ein Weg zum Kosmos: ihn gehen kann aber eben darum nur das individuelle Leben, das selbst ja schon ein kosmischer Keim ist.

Denn was bäumt sich so im Menschen gegen den Tod auf, wenn nicht eine individuelle Macht, die sich in ihres Wesens Verwirklichung bedroht fühlt?! Ganz für sich selbst will die Persönlichkeit, die individuelle dynamische Macht jedes indi­vi­duel­len Menschen, aus sich und um sich einen Kosmos – im Kleinen – erbauen, in jedem Augenblick, wo sie ein Chaos antrifft, ihrer tätigen Kraft gemäss. Einen solchen Augenblick stellt die Empfängnis dar, ein solches Chaos war die Zer­set­zung, von der väterlichen Samenzelle in der mütterlichen Ei­zel­le hervorgerufen – in das befruchtete Eichen greift die indi­vi­duel­le Macht der Persönlichkeit ein und begründet damit eine individuelle Person. Nicht «von selbst» summieren sich Vater und Mutter im Kinde, nein: erst die individuelle Macht der Persönlichkeit vereinigt als Dritte die Erbteile von Mutter und Vater, sie ist es, die als kosmischer Kern die Nahrungs­stof­fe des Mutterleibes heranzieht und die werdende Gestaltung des Embryo bis zur Geburt leitet. Nach der Geburt entfaltet sie den Leib bis zur Reife und sie führt wiederum im Menschen den Kampf gegen die Auflösung, gegen Hunger und Tod, um nicht ihr eigenes Reich zu verlieren, eben den Leib. Denn dieser ist das Werkzeug ihrer Sendung: immer weiter und weiter die kosmische Gestaltung zu tragen. Die Eigenschaften von Mutter und Vater, die die Persönlichkeit als rohen Stoff übernommen hatte und im Leibe zu individueller, ihrer Einheit gestaltet hat, sind ihr Mittel, um in die Wirklichkeit weiter gestaltend ein­zu­greifen. Aber diese seelischen und körperlichen Anlagen sind auch der Ballast, der sich an sie hängt und nur zu oft ihren Zielen entreisst, der sie, die bestimmende Herrin, an die Umwelt ver­sklavt. Das Leben ist nur dieser innere Kampf um Ober­herr­schaft zwischen der eigenen Persönlichkeit und dem elterlichen Erbe. Und wenn er ein Ende findet – im Tode, geht die Per­sön­lich­keit längest nicht unverändert aus dem Leben hervor. Tritt sie dann wieder in ein keimendes Dasein ein, so bringt sie weniger oder mehr Überlegenheit zu ihrer neuen Mensch­wer­dung mit, je nachdem, wie sie ihre letzte, das ver­flossne Leben zu gestalten gewusst: an jeden fremden Einfluss verloren und dann geschwächt oder aber selbst eigen, stetig und aufsteigend. Und so fort durch die lange Reihe ihrer Fleischwerdungen. Doch selbst durch die fremden In­di­vi­dua­li­tä­ten der Eltern in die Wirklichkeit gerufen, wirkt die Per­sön­lich­keit in gleicher Weise weiter; was sie aber den eignen Kindern bei der Zeugung übergibt, ist gerade das gereifte vor­el­terliche Bluterbe, nur verbessert oder verschlechtert, ein­heit­licher oder zerstückelter – auch ein Fazit der eignen Lebens­füh­rung. Wie unbegriffen ist noch diese ethische Tatsache, dass der Mensch es den Per­sön­lich­kei­ten seiner Kinder durch eigne Zerfahrenheit schwer oder durch eigne Selbstzucht leicht machen kann, kosmisch zu wirken. Das ist nicht spiritistische Metaphysik, sondern Physik – Wesen, Sinn und ethische Tragweite der Erblichkeit, die so gerne wider das Dasein der Persönlichkeit als selbstständige Macht angerufen wird. In Wahrheit: die Kette der Geschlechter ist nur der unendliche Kreis der Persönlichkeiten, denen, als wandernden Seelen, die Fortpflanzung Gelegenheit gibt, ei­nan­der mittelbar zu erziehen – einander zum Kosmos aus­zu­gleichen.

Gerade auch die genauere Geschichte der Technik beweist, dass in jedem Menschen seine Persönlichkeit eine orga­ni­sa­to­ri­sche Macht ist, die zunächst den Leib formt und dann durch dessen Anlagen die Umwelt; was an seiner Tätigkeit im en­ge­ren Sinn technisch heisst, wurzelt in seinem tiefsten Wesen. Wie die Arbeit, die technische, sich als einseitig gerichtete, er­nüchterte Stück-Tätigkeit zeigt, so ist auch die ganze Technik nur ein Teil des kosmischen Dranges, einseitig und dennoch nur aus ihm voll begreifbar. In ihren höchsten Formen, wie der Politik, der Wissenschaft, der künstlerischen Arbeit, fliesst sie geradezu mit dem Menschheitsziele zusammen; in dem prak­tisch wichtigsten, engeren und anscheinend einzigen Gebiete, der äusseren Lebensgestaltung – Verkehr und Gewerbe – ver­mag sie ebenfalls die rohen Naturkräfte grossartig zu organi­sie­ren; in ihrer schwächsten, aber weitesten Anwendung – der Naturmeisterung überhaupt, der zielbewussten Tätigkeit über­haupt – deckt sie sich eigentlich mit allem, was der Mensch tut und leistet: hier ist die Technik nah an ihrer Quelle, eben dem Gefühle des Menschen, das sich Bahn in die Aussen­welt bricht, sie umgestaltend. Und so ist es doch aus diesem persönlichen Selbstgefühl und Lebensdrang allein, dass sich das Wesen der Technik abmessen lässt.

Der gegliederte Leib mit seinen Milliarden Zellen ist als solcher selbst der grösste Beweis und Ausdruck einer ihm innewohnenden, überlegenen individuellen Macht, von welcher der ganze ungeheure Schwarm kreisender Urmächte zu einem Gebilde von anscheinender Stetigkeit geformt wird: wohl immer noch einheitlicher als die Weltgruppen des Firmaments, deren Sterne auch auseinander fliehen und für uns doch als ewige Bilder stille stehen. Neben dem Zeugnis der Leibesform ist das Bewusstsein des Menschen nur eine schwache Urkunde, zu jeder Selbstwiderlegung gleich bereit. Das Bewusstsein, als solches, ist in der Tat nur ein Nebenstrom, ein Oberton des wirklichen Geschehens, dadurch aber doch der feinste Grad­messer der inneren Zustände und für das Individuum selbst der Inhalt seines Lebens: daher trotz allem wirklich ein erster Wegweiser und Mitbildner am Menschheitswerke. Das Be­wusst­sein, als Zartestes und Innerlichstes der menschlichen Organe, als Fühlfaden und Vorhut der Persönlichkeit, unter­rich­tet sie über die Zustände der Aussenwelt – an den Schwin­gun­gen der eignen Innenwelt gemessen, es tastet in jedem Augenblick die inneren und äusseren Verhältnisse ab, berichtet über die innere Flucht der rebellischen Urmächte – im Hunger – und den äusseren Ansturm der Natur. Oft getäuscht, richtet sich doch die Persönlichkeit nach diesem Kundschafter und beginnt ihren Kampf der Selbsterhaltung und Weltgestaltung nach seinen Ratschlägen – die Geschichte der menschlichen Leistungen, die ganze Entwicklung auch der Technik ist nur der Niederschlag dessen, was die Menschheit je und je gefühlt hat.

8. Animismus und Technik

Das Bewusstsein täuscht sich öftestens, jedoch gerade darin hat es sich nicht getäuscht, was ihm am meisten verdacht worden ist: dass es zu der Persönlichkeit seines Leibes von andern Persönlichkeiten sprach, die gleich ihr, neben ihr und oft wider sie die Welt gestalten wollten. Dass es die Welt ver­menschlicht belebte, dass es individuelle Mächte in jedem Gebilde der Wirklichkeit anerkannte, dass es Gottheiten be­haup­tete: das ist, so oft geschmäht, doch die Grosstat des Bewusstseins ge­we­sen und zugleich der wertvollste Dienst, den es der Lebensgestaltung geleistet hat, der inneren der Kultur, wie der äusseren der Technik – und wäre es ein Irrtum ge­we­sen! Das religiöse Gefühl, später oftmals die Fessel schwacher Per­sönlichkeiten, ist es am Uranfang gewesen, das den schöp­fe­ri­schen Persönlichkeiten die Schwingen verliehen hat.

Wäre nicht im Menschen der Glaube an Gottheiten rings um ihn in der Natur gewesen, an Seelen, in allen Natur­ge­bil­den, die Technik hätte sich nie geregt.

Sie musste sich aber regen, sie war die notwendigste Folge der ersten Geburt des Menschen: denn die organisatorisch-schöpferische Innenmacht seines Leibes ist so machtvoll, dass sie sich erstens und innerlich sofort in der Erfassung des kos­mischen Gedankens zeigte, in der Anerkenntnis von un­ver­gäng­li­chen Weltmittelpunkten, von Gottheiten, und sich zwei­tens nach aussen in der Verwirklichung ihrer selbst als Mit­tel­punktes offenbarte, in der gottähnlichen Meisterung der Natur, in ihrer Vergottmenschlichung. Sich selbst und allen andern Gottheiten zur Verehrung zwang der Mensch die Natur; Gottes­dienst sollte sein, was er tat, Gottesdienst war die erste Technik.

Was sich in Spuren selbst noch durch die naturfeindliche Religion des Geschichtschristentums hindurch bis in unsre Nützlichkeit erhalten hat, wieviel stärker muss es ehedem im Empfinden gewirkt haben, als das Leben noch an sich selbst glaubte und der Mensch das Ideal des Lebens war! Gar in Zuständen, wo der Mensch noch nicht von geschlechteraltem Kulturerbe gewappnet war und unmittelbarer mit der Natur stritt, litt, sich freute, da war jede Handlung, die nur nützlich schien, zugleich von dem frommen Gefühle durchwärmt: an einem Kreise lebendiger Mächte teilzuhaben. […]

Weil der Mensch in sich abgrundtiefes Leben wusste, glaubte er an ein gleiches in den Naturdingen, die eigener Kräf­te voll sich behaupteten, die mit ihm oder wider ihn wirkten. Und sein Glaube entsprach den Tatsachen: was dem Stein die Härte verleiht, was die flüchtigen Atome in ihm so übermächtig festigt, ist nicht eine blasse Kristallisations-«Kraft», sondern individuelle Erfüllung des Raumes, individuelle Gestaltung des Daseins; nicht «Kohäsion» – ein Wort!!, sondern unüber­wind­lich-in­ner­licher Zusammenschluss selbständiger Kris­tall­in­di­vi­duen – genau, wie im Menschen die Persönlichkeit und im Gemeinleben der Gemeinsinn wirken. Und was in dem Baume zu Stamm, Blüten und Früchten treibt, das ist wiederum nichts anderes als individuelle Macht, wie sie im Menschen seinen Leib formt, durch achtzig Lebensjahre trotz aller Veränderung persönlich, stetig und einheitlich. Nicht anthro­po­mor­phis­ti­scher, animistischer Irrtum, sondern echtes Erfassen der Natur enthüllte dem ursprünglichen Menschen überall seinesgleichen und wie mit seinesgleichen ging er um, mit geringeren oder höheren Brüdern, wenn er sie zur Mithilfe bat oder zwang, je nach seiner Kraft; irrtümlich war bloss der Glaube an die Will­kürlichkeit des Wollens und Tuns, des eignen wie fremden.

Erst als der Mensch diesen lebendigen Zusammenhang mit der Natur einzubüssen begann, aber doch die Erinnerung an den uralten Gemütsverkehr nachwinkte –, als er, ein zu­frie­de­ner Erbe, schon eine gefügige Natur der kleineren Dinge um sich fand, aber doch den grossen Naturkräften noch machtlos ge­gen­über­stand –, als sein Lebenskreis eine feste Sicherheit bot, er aber, einzeln, ohne des Gemeinlebens Schutz und Gnade nichts bedeutete: da verzerrte sich der Umgang mit den Natur­mäch­ten. Die einfache Selbstverständlichkeit der Symbiose von Menschenkraft und Kraft der Naturdinge machte einer archais­ti­schen Etikette Platz und die blutsaugerischen Bräuche eines gelehrten Gottesdienstes wucherten auf.

Aber ursprünglich ist dem nicht so. Der Mensch, um nicht unterzugehen, die Persönlichkeit des Menschen, um sich als kosmischen Mittelpunkt zu erhalten und zu betätigen – eignen sich die Naturdinge an, gliedern sich die selbständigen Mächte der umgebenden Natur an, organisieren die streitenden oder müssigen Kräfte der Umwelt, verbinden sie technisch zu ihrem und der Welt Nutzen. Der Mensch fühlte nicht nur den Antrieb des Bedürfnisses, das Befriedigung heischte, sondern die Pflicht, seiner Macht gemäss schöpferisch-gestaltend zu sein, und daher soweit er konnte, das Recht die unabhängigen Mäch­te heranzuziehen, zu Dienstleistungen für sich selbst, in Wahr­heit zum Siege des kosmischen Gedankens. Die Technik, als Meisterung der Natur, ist in ihrem letzten Grunde, in ihres Werdens Anfang nur die erste Verwirklichung des tiefen Men­schen­gewissens: Schöpferkraft inmitten gestaltend-schöp­fe­ri­scher Mächte, Gott inmitten von Göttern zu sein, über alles hinweg aber der schönen Lebensgestaltung dienen zu müssen.

9. Die primitiv-religiöse Technik

Die ersten Versuche der Technik geschahen an den Waffen und sind daher gerade erst recht von religiösem Gefühl durch­weht. Ob im Dienste des Hungers, aufgestachelt-angreifend, ob in Verteidigung gegen Lebensgefahr und dann an sich eine er­höh­te Form des Hungers – der Kampf ist eine solche Ver­dich­tung der Lebenskräfte und eine solche Innbrunst des Le­bens­gefühles, dass auch die religiöse – die individuell-le­ben­dige – Naturanschauung unmittelbar durch ihn gewinnt. Der Kämpfer selbst wird zum Heros, die Gegner wachsen ins Riesenhafte, ob Menschen, Bestien oder Naturkräfte: alles belebt sich. Sage und Märchen, diese heiligen Bücher der Naturreligion, be­wah­ren unserer nüchternen Ururenkelzeit noch den Nachhall der ältesten Kämpfe auf, und nicht umsonst spielt die Waffe und Waffenbereitung eine so grosse Rolle in ihnen: Achilles Waf­fen, wie sie von Hephaistos geschmiedet werden, Siegfried, der sein Schwert selbst am Ambos schafft, oder die Schwertprobe am Tuchballen und der schwimmenden Flocke, endlich die Ver­nichtung der Waffe vom unterliegenden Helden, des Schwer­tes Durandart’s durch Roland bei Roncevalles – alles erzählt von der tiefen mystischen Verehrung der Waffe. Es muss eigen­tüm­lich in den Gefühlen der ersten Menschen ge­schau­ert haben, wenn sie Stein und Knüttel verbanden, wenn sie Steinschwerte schlif­fen oder das Erz schmiedeten; es muss ihnen gewesen sein, als würden durch ihr Tun schon die gefährlichen, mäch­tigen Dämonen besiegt. Uralte Lieder, beschwörende Sprüche begleiteten die Arbeit. Auch davon zeugt laut die Sage, wenn sie die Erze mit den Planeten-Gottheiten in Verbindung bringt: Merkur mit dem Quecksilber, Mars mit dem Eisen, Saturn mit dem Blei – die Alchemie hat noch die Namen in die moderne Medizin hin­über­ver­erbt –; wenn der Bergbau überhaupt den Däumlingen-Dak­ty­len (den Fingern!), der Herrschaft der Zwerge untersteht: König Laurins oder Schwarz-Alberichs –; wenn die schmie­den­de Lohe der Geist des Erdinneren zu sein schien, unter dessen Leitung die Kyklopen in den Vulkanen arbeiteten. Aus lebendigem Selbstgefühl gegen lebendige Individualitäten mit lebendigen Mächten im Bunde – so ward der Kampf, ward die Waffenkunst, ward die erste Technik. Das immergrüne Sa­gen­gerank naturreligiösen Lebens umschlingt die ältesten Werk­zeuge: daran kann auch die Nüchternheit einer modernen Waf­fen­fabrik nicht rütteln, erwacht doch noch beim Anblick jeder Schmiede, wo die Esse loht und die hellen Funken des Eisens sprühen, eine Kraft zwingender Träumerei. […]

Den Feuergott, der vom Himmel zuckend niedergestiegen war, zu nähren, trug der Mensch Holz heran; ihn gegen Regen zu schützen, musste er ihm ein Dach bauen, und als er ihm den ältesten Tempel errichtet, das schlichte Baumzelt, da liess er sich als Tempelhüter am Herde nieder, verliess die Nester im Baumgeäst und – das Haus war entstanden, dessen Seele der Feuerherd ist. Das Feuer wärmte und erfreute die Menschen, das Feuer glühte die Erze und brannte die Tongeschirre, das Feuer bereitete die Speisen zum täglichen Gottesdienste des Lebens zu und Heiltränke für die Stunden der Gefahr. Und welch wunderbarer Bund mit der Gottheit, als der Mensch gar gelernt hatte, Holz an Holz gerieben in Brand zu setzen, den Gott zu rufen, zu bannen, zu beschwören! Die Kochkunst, die Chemie, der Triumph unserer gesamten Naturwissenschaft wurden gezeugt, als der Mensch die geheimen Mächte der Pflanzen und der Erde zu zwingen suchte, als er mit der Hilfe der nachtschrecklichen Gottheiten – Feuer und Mond – furcht­bare Zaubergifte schaffen lernte. Nur allzuweit reichen die einzelnen Fäden des Sagengewebes zurück –, die Wald- und Haggöttin, die Hägsche-Hexe erscheint so als kräutersuchende Giftmischerin, als Zauberin, die sich in Uhu und Werwolf verwandelt, in nächtliche Raubtiere mit glühenden Augen; sie muss im Feuerrauch erscheinen und am Feuer vorübergehend ihre Hexerei offenbaren. Was heute in Verkümmerung, nach Erklügelung, durch Erstarrung verzerrt, falsch und schädlich ist, war ganz ursprünglich doch segensreich und wahr, aber da eben auch eine volle, warme, unmittelbare Kraft des Le­bens­ge­fühls. Umgeben von Mächten, die ihm schaden wie nützen konnten, hat der Mensch sie, im Glauben an sich und sie, ge­zwun­gen, einander und ihm die Hand zu reichen. Die Gott­hei­ten, von seinem Willen überredet, schlossen einen Kreis um den Menschen, einen zauberhaften Lebenskreis, der ihn vor dem Ansturm der Zerstörung schützte, der ihm zunächst zwar nur das Dasein von Tag zu Tag fristete, aber dann doch der feste Punkt wurde, von dem aus er die Welt aus ihren Angeln hob – mehr: sie in ihre Angeln setzte. Nochmals: die Technik, der äussere Weg zur Lebensgestaltung, wurzelt in der inneren Ahnung des kosmischen Zieles, in der ursprünglichen Natur­religion.

10. Der Zufall und die Technik

Die Grundlage und Urstufe der Technik ist also nur pri­mi­ti­ver Gottesdienst; das individuell lebendige Naturgefühl und oft nur ein fetischistischer Aberglaube ist ihre erste Quelle.

Aber wer schlug diese Quelle aus dem Felsen, wenn nicht der Mensch! wenn nicht die Persönlichkeit!

Es lässt sich gut sagen: die Technik hat sich entwickelt, der Zufall hat mitgeholfen. Aber wie hätte der Zufall der Tech­nik helfen können, wenn nicht ein individuelles Gehirn im Augenblicke des Zufalls erkennen würde, wie er technisch zu verwerten ist, wie und wo die Kräfte, die der Zufall zu­sam­men­ge­führt, nun bewusst einzufügen sind. Auch die allergeringste und zum Schluss fast belanglos erscheinende technische Ver­bes­se­rung ist nicht «von selbst» eingetreten, sondern von einem hellen Geist geschaffen worden. Mögen auch an meh­re­ren Orten mehrere helle Köpfe auf den gleichen Fortschritt verfallen, jeder einzelne tut es doch nur durch einen schöp­fe­ri­schen Akt, durch ein organisatorisches Ergreifen der Wirk­lich­keit: die Technik entwickelt sich nur durch eine Reihe schöp­fe­ri­scher Taten. […]

Doch auch die Persönlichkeit schüttelt ihre Gaben nicht aus dem Ärmel; was sie gibt, pflückt sie nicht von den Brom­beer­he­cken der Landstrasse «Zufall» – sie erwirbt es mit dem Aufgebote ihres ganzen Wesens, mit ihrem Blute. Gewiss: es ist ihr natürlich zu schaffen, zu ordnen, zu organisieren – aber wie sehr leidet sie eben darum durch das Chaos, die Unordnung, die Zerstörung! Gewiss: sie kann nicht anders als bauen, ge­stal­ten, lenken, aber um so schmerzhafter ist ihr der grelle Ge­gen­satz zwischen der lichten Weltordnung, die sie mit ihrem Herzen erschaut, und der trüben Wirklichkeit, die sie an ihrem Leibe fühlt. Die allgemeinen Bedürfnisse, vorab der grund­le­gen­de Stoff- und Kraftwechsel des Körpers, dieser immer­wäh­ren­de Aufstand im eigenen Wesen, der alles Lebende be­un­ru­higt und bewegt – sie werden von der überlegenen Per­sön­lich­keit erst recht gefürchtet, gemerkt, erlitten: die drängende schöpferische Kraft des hellen Selbstgefühles bangt doppelt um ihr Werkzeug, den Leib; die eigensinnige Flucht jeder ihrer untergebenen leiblichen Mächte macht eine doppelt grosse Kraft unbeschäftigt, doppelt misst sich an der vergrösserten Tatbereitschaft die Unzulänglichkeit der Umgebung. Die Mus­kel der bevorzugten Organisation sind geschwellt, die Anlagen zum Äussersten bereit, im Gehirn kreisen und kreisen, ver­knüp­fen und verbinden sich die Empfindungen, die Sinne sind vom leiblichen und geistigen, vom organisatorischen Hunger für den geringsten Reiz geschärft – da kommt der Zufall. Er deutet vielleicht bloss eine Möglichkeit an, er knüpft locker eine erste Masche von Verbindungen: sofort melden es die Sinne dem Bewusstsein, alle Erinnerungen stürzen zur Stelle, eine kurze Musterung – und in die Lücke ihrer Reihen springt die neue Tatsache; der Wille, der solange stocken gemusst, stürmt über die neue Brücke unbehindert in denjenigen Teil des Leibes, wo alles für sein Wirken fertig, die Anlagen be­tä­ti­gen sich, greifen in die Natur hinaus, tragen zusammen, fügen zusammen, was ihnen geheissen, wie ihnen gewohnt, die Per­sönlichkeit gestaltet die Welt, die in ihr nach Offenbarung, durch sie zur Verwirklichung drängte – die geniale, erfin­de­ri­sche Tat ist vollbracht, sie ist aber erlebt, erlitten, erstritten worden.

«Im Blute liegt die Seele.» Nur durch die unbeschränkte Einsetzung und Opferbereitschaft ihrer selbst kann die Per­sönl­ich­keit ihre kosmische Aufgabe erfüllen; nur wenn das ers­te ihre Werkzeuge, mit denen sie die Natur organisieren will, ihr Leib ist, kann sie die Natur mit lebendiger Leiblichkeit erfüllen; nur wenn die tausend Arme und Augen der Technik von der inneren Seh- und Spannkraft des persönlichen Lebens gelenkt werden, langt die Persönlichkeit nah und näher an den Kosmos heran.

11. Die technischen Urerfinder

Im grossen Lotto des Naturwirrwarrs finden sich, wie von selbst, alle erdenkbaren Kombinationen; doch das Glück nützt nur dem, der es seinem Leben organisch einzuordnen versteht, der Zufall wird nur von dem erfasst und festgehalten, der nach ihm, wie einem Erlöser, ausgeschaut hat und den Gnaden­brin­ger auch im schlechten Gewände der Alltäglichkeit zu erkennen weiss. Mit Schmerzen ist jeder Fortschritt geboren worden, geboren hat ihn aber nur die grosse Persönlichkeit, nicht Hans Jedermann.

Widerspricht dem aber nicht die Tatsache, dass die Erfin­der der ältesten Zeiten verschollen sind? Sollte die Dank­barkeit der Zeitgenossen nicht die Namen solcher Genies aufbewahrt haben? Die Namenlosigkeit der ältesten Technik, spricht sie nicht von ihrer Unpersönlichkeit?

Es könnte so scheinen. […]

Nicht Undankbarkeit des Gemeinlebens liess also die Ur­er­finder vergessen werden. Ihre Namen, in den Urzeiten wohl meistens fetischistische Tier-Eigennamen, gingen nicht unter, sondern im Pantheon auf; ihre persönlichen Taten, schöp­fe­risch-göttlich und gottesdienstlich zugleich, wurden den Göttern gutgeschrieben. Persönliche Taten sind es aber doch gewesen.

12. Die künstlerische Technik

In religiösem Licht, gedämpft – geblendet, stehen die An­fänge der Technik, die Anfänger und Bahnbrecher der men­schlichen Naturbeherrschung. Die Geschichte setzt aber das Urgefühl des Volkes in das Leben der einzelnen um; die schlummernde Keimzelle beginnt sich zu differenzieren, das Gebilde sondert sich und wächst, Gegensätze tauchen auf, selbständige Mächte stehen chaotisch widereinander. Die Per­sönlichkeiten verlieren den Zusammenhang mit der Ge­samt­heit, mit den grossen Namen wird ihnen die Einsamkeit, die traurige Pflicht, sich wie im Kampfe der Selbsterhaltung gegen die minderpersönlichen Durchschnittsmenschen zu stemmen; ein grosser Teil ihrer Kräfte, die zu aller Besten schaffen könn­ten, müssen nun verzettelt werden, um überhaupt ein Min­dest­mass eigener Lust zu erringen. Die Geschichte ist die Tragödie der grossen Persönlichkeiten, die Arena, in der sie als Märtyrer ihrer göttlichen Sendung verbluten. Das gilt gerade auch von den Erfindern, den grossen und positiven Förderern der äus­se­ren Kultur. […]

Nochmals: Schaffen heisst nicht, aus Nichts etwas machen, sondern aus dem Rohen, Form- und Haltlosen stetige Gebilde fügen, aus dem Plumpen, Schweren und Regungslosen leichte, freie Feinheit bilden, aus dem Harten, Finstern, Starren buntes anmutiges Leben wecken. Schöpferischer-finderisch, archi­tek­to­nisch-technisch war jede Änderung in den Baugliedern der Tempel, denn sie wirkte auf das ganze Gebäude nach: so wenn Hermogenes den Pseudodipteros schuf, der scheinbar einen doppelten Säulenumgang hatte, in Wahrheit aber nur einen, da die innere Säulenreihe Halbsäulen in der Tempelmauer dar­stell­ten – mit geringeren Mitteln erzielte er eine gleich grosse ästhetische Wirkung; er war es auch, der am Dionysostempel von Teos das schönste Mass des Säulenabstandes gefunden hat, den «schönsäuligen» Eustylos von zwei Säulendurchmessern. Kallimachos aus Korinth soll an einem umrankten Topf das korinthische Kapitäl entdeckt haben, jedenfalls war seine äl­tes­te Anwendung, die durch Skopas am Athenatempel von Tegea, abermals eine organisierende Tat, ein Fortschritt der Bau­technik.

Unmöglich nachzuprüfen, ob im einzelnen der Name des wirklichen Erfinders überliefert ist oder ihn ein glücklicher Nachahmer verdrängt hat: so soll ein Ekphantor die An­wen­dung der Farben, zuerst die des gebrannten Ziegels, erfunden haben, Apollodor den Gebrauch des Pinsels statt des Stiftes; was von den älteren Malern berichtet wird, von den Mono­chro­men und Schattenrissen des Saurias, des Kraton von Sikyon und anderer lässt nicht entscheiden, ob sie wirklich mehr waren als tüchtige Nutzniesser schon bestehender Technik. Dagegen wird von dem Athener Eumaros (vor 500) aus­drück­lich berichtet, er habe zwischen Männern und Frauen unter­schie­den, also die rein äusserliche Kennzeichnung der Frau durch weissen Auftrag nun durch genauere Charakteristik der Gestalt zu verdrängen begonnen. Dann hat Kimon die Gewand­ma­le­rei verbessert, hat Profilbilder gemalt und die Bedeutung des Blickes als künstlerischen Ausdrucksmittels begriffen. Polygnot gewann es seinem Pinsel ab, durch die Gewänder den Leib durchschimmern zu lassen – als Erbe aller, nicht mehr Erfinder im einzelnen, wohl aber Vollender der malerischen Technik, ist dann Apelles erschienen, genau wie Raphael oder Tizian, die nicht in Erfindung neuer Wege, aber in ihrer Ver­ei­ni­gung und Vertiefung den Höhepunkt der Malerei bedeuten.

Da hatte es Giotto zuerst zuwege gebracht, die steifen Hei­li­gen­regimenter zu dramatisch lebendigen Gruppen zu ver­knüpfen, Masaccio brachte persönliches Empfinden, Cha­rak­te­ris­tik in Züge, Gestaltung und Gewandung, Jan van Eyck hatte das Öl, das bis dahin nur zum Wändestreichen gut genug schien, in den Dienst der Kunst gezogen und das weiche Leben der Wirklichkeit darzustellen ermöglicht, Leonardo da Vinci und Giorgione hatten in Licht- und Schattenspiel die Beseelung der Haut erschaut und der Seele neue Offenbarungen gestattet, Signorelli und Michelangelo verkündeten die Kraft des Muskel­spiels: sie hatten jeder erlebt, was sie zuerst zu schildern er­laub­ten. Wie ein solcher künstlerischer Erfinder sein ganzes Herz daran setzt, berichtet die Anekdote von Palissy, der das Geheimnis des Emails entdeckt zu haben glaubte und dabei war, es zu probieren; als das Feuer, das er angefacht, am Ver­löschen war, hatte er noch kein Ergebnis gewonnen und in Ermangelung anderen Holzes opferte er, trotz der Unsicherheit des Erfolges, sein ganzes Mobiliar, zerhackte Tische, Stühle, Bett, warf sie ins Feuer und – siegte.

13. Die technische Weltepoche

Heldentum ist jedem Bahnbrecher vonnöten. Sucht er rein technische Verbesserungen, so setzt er seine wirt­schaft­li­che Existenz daran – wie viele Vermögen hat nicht der Traum des lenkbaren Luftschiffes schon gekostet. Für den wissen­schaft­li­chen Entdecker ist der Tod durch die Arbeit noch ein mildes Los, aber es könnte ebensogut dank den Gegnern das Irrenhaus sein; der künstlerische Neuerer? – er ist ein Narr, der keinen Gönner findet; geht die Persönlichkeit ethisch-religiös voran, so harrt in irgendeiner Form ein Golgatha ihrer. Gerade in den Zeiten, wo nur persönliche Taten den Em­pfin­dun­gen Erlösung bringen können, wo auch die Persön­lich­kei­ten auftreten und Wegweiser werden – da ist die Menge von einer Feindseligkeit gegen den einzelnen erfasst, und von tatkräftiger Unterstütz­ung gar nicht zu reden, lässt sie den Bahnbrecher seinen Dor­nen­weg kaum auch nur gehen, sondern sucht sich geradezu an ihm dafür zu rächen, dass er nicht in stumpfer Ratlosigkeit vor der Not stehen bleibt, sondern über­le­gen eine Bahn zu brechen hofft. Etwas wie die betäubende Empörung der Scham geistert da auf, dass es dem einen ge­lin­gen kann mit scheinbarer Leich­tigkeit das lastende Chaos zu verwandeln, wo sie, die meisten, durchaus ratlos und ohn­mäch­tig dastanden; – dass der eine es wagt zu träumen und zu ahnen, wo ihre, der meisten, plumpe Kurzsichtigkeit nichts sieht. Es ist ein unangenehmer Weckruf ihrer ganz geheimen und unterdrückten Angst, dass es doch noch anderes gäbe, als was sie die beste aller möglichen Welten nennen.

Aber wirklich, oft haben sie keine Schuld und wissen nicht, was sie tun, denn allen leisen Andeutungen von Leid, ja dem sehr lauten Anpochen der Not setzen sie das wohlbehäbige Gefühl der kompakten Massenexistenz entgegen – die Per­sön­lich­kei­ten aber, ihnen an innerer Zeit voraus, leiden schon wirklich, und keine Gevatterschaft könnte sie trösten, sondern das tut einzig die Ahnung einer grösseren Welt. Gibt es ein ergreifenderes Schauspiel als Columbus, der an dem Buge seines Schiffes steht und zehn Wochen lang Abend für Abend die Sonne im Endlosen untergehen sieht?! Hinter ihm murren und meutern die Matrosen, seine Werkzeuge, er aber sieht im Geiste unerschüttert das Land jenseits der Wasser. Wenn das nicht Heldentum ist, so hat es nie welches gegeben.

Und das ist’s ja: im Heldentum, in diesem abgrundtiefen Glauben an sich selbst, in dieser Bereitschaft Leben und Glück dranzugeben, um nur dem grossen Ziele näher zu kommen, das dem Empfinden so visionär offenbar, in dieser höchsten In­ner­lich­keit der Persönlichkeit lebt das, was überhaupt dem Men­schen je die Ahnung eingegeben hat, dass es Mächte gibt, die über das Chaos der Wirklichkeit erhaben sind –, das religiöse Urgefühl. Während es in den meisten erstarrt, widersinnig und giftig geworden ist, ein sinnlos seelenwucherischer Buch­sta­ben­dienst, erwacht es immer neu in den grossen Persön­lich­kei­ten, und nur aus diesem Urgefühl quillt, als äussere Offen­ba­rung und Verwirklichung, die schöpferisch-organisatorische, erfinderisch-gestaltende Kraft und Tätigkeit. Sie ist wieder, sie allein und gerade sie ist lautere Gottesverehrung, kein Lip­pen­ge­bet, wohl aber der werktätige Ruf: «Dein – des höchsten, schöns­ten, freudigsten, persönlichsten Lebens – Reich kom­me!» Was die namenlosen Erfinder und Schöpfer der Vorzeit an Technik geleistet haben, als die berufenen leuchtenden Spitzen lebendig naturreligiösen Gemeinsinnes, das ist jetzt als Sendung an die Märtyrer des Namens übergegangen. Doch gerade, je grösser die Aufgabe geworden ist, je mehr nach allem Geschehenen das Chaos herrscht, um so ferner, fremder, ärmer und kälter bleibt das Gefühl der Masse hinter den über­legenen Persönlichkeiten zurück. […]

 

weiter

Nicht aus meinem Nektar hast du dir Gottheit getrunken;
Deine Götterkraft war’s, die dir den Nektar errang.

Schiller

1) Vergleiche Lukianos, Amores