Inspiration und zeitlicher Kontext
In seiner Autobiographie schrieb Elisàr von Kupffer, dass er bereits mit sechs Jahren die Inspiration zum Rundbild gehabt habe. Schon damals sah er im Traum eine Figur auf einer Riesennymphea, was eine klare Andeutung auf Buddhas Geburt beziehungsweise auf die spätere Geburt seiner eigenen Religion ist.
Das Werk von Elisàr von Kupffer ist unter zwei Aspekten zu würdigen. Einerseits ist da die philosophisch, neureligiöse Botschaft, andererseits der homoerotische Blickwinkel, welche näher zu betrachten sind.
Die Malerei von Elisàr von Kupffer (1872–1942) hat starke Bezüge zum zeitgenössischen Symbolismus, insbesondere zu Maurice Denis (1870–1943). Elisàr sah seine Werke in der Tradition von Boticelli und Gozzoli. Die Qualität der Malerei dieser grossen Vorbilder erreicht das Werk von Elisàr bei weitem nicht. Viele Werke sind «schluderig ausgeführt», sind mehr Skizze als fertiges Gemälde. Es entsteht der Eindruck von «Zweitklassigkeit», wenn man die religiösen, philosophischen und homoerotischen Aspekte in ihrer Einzigartigkeit nicht erkennt oder nicht sehen will.
Die Biografie der beiden Männer hinter dem Werk und die historischen Zeitumstände zeigen die Suche einer elitären Gesellschaftsschicht nach einer neuen gesellschaftlichen Ordnung und einem neuen Lebensstil. Diese Suche gleicht in vielem derjenigen der ersten Mitglieder der «vegetabilen Cooperative» auf dem Monte Verità.
Das Rundbild hat nun seinen musealen Standort im Museumskomplex Monte Verità gefunden. Es ist eine Ergänzung zu den baulichen und visuellen Hinterlassenschaften der schillernden Kommune auf dem Hausberg von Ascona und ein einzigartiges Zeugnis der Entstehung und Entwicklung der Moderne.
Entstehung und Präsentation
Um 1920 finden sich in der Literatur erste Hinweise auf die Realisierung der Klarwelt der Seligen, des «Parthenonfrieses des Erosglaubens».
1923 wurden skizzierte Figuren in einem Rasterverfahren auf die grosse Leinwand übertragen. Erste Teile der farbigen Ausführung müssen 1924 vollendet gewesen sein. Damals wurden sie in der Galerie der befreundeten Malerin und Galeristin Clara Wagner-Grosch dem Publikum gezeigt. 1927 wurden Teile des Rundbildes provisorisch im noch nicht vollendeten Sanctuarium ausgestellt. Erst 1939 wurde es im eigens errichteten Rundbau fest installiert.
Das Rundbild «Die Klarwelt der Seligen» stellt in einem Zyklus wechselnder Jahreszeiten und Landschaften 84 vollkommen unbekleidete, oftmals mit Blumen oder Wadenbändern geschmückte Gestalten mit angedeuteten Aureolen in 33 Motivgruppen dar, die dem Bildraum seine rhythmische Struktur verleihen. Mittel- und Hintergrund sind deutlich voneinander getrennt. Die lineare Komposition ist klar aufgebaut: Während im Hintergrund durch die Horizontlinie und im Vordergrund durch die liegenden Gestalten eine Waagerechte, sich im Mittelgrund hingegen durch die Bäume verschiedene Vertikalen offenbaren, bilden die Figurengruppen zahlreiche pyramidenförmige Linienanordnungen, die teilweise ineinander verschoben sind und welche die statischen Gesamtkonstruktion auflösen. Scharen an Faltern repetieren den Duktus der Figurengruppen und verleihen dem Rundbild eine rhythmotropistisch motivierte lineare Komposition, die den Betrachter der 360° Darstellung energetisch in die Paradiesvorstellung einbinden sollte.
Die im Hintergrund gezeigte Gebirgslandschaft durchzieht die Jahreszeiten des Winters und des Frühlings. Anschliessend ist eine ebene, mediterrane und sommerliche Landschaft vor dem Hintergrund eines Gewässers und eines verschneiten Gebirgszuges dargestellt. In der Darstellung des Herbstes steigt die Landschaft wieder zu einem Gebirge an. Im Mittelgrund zeigen sich neben bewaldeten oder auch verschneiten Hügeln verschiedene Bäume aus unterschiedlichen Klimazonen und in unterschiedlichen Wachstumsphasen. Es werden verschiedene Landschaften und Vegetationsarten, Farben und Phänotypen aufgereiht, um die Natur in der Komplexität ihrer tropistischen Wirkung darzustellen.
Die 33 Szenen des Rundbildes sind mit einem Gedicht erklärt.
Zur Vertiefung in das Sanctuarium Artis Elisarion – Einführung von Eduard von Mayer
Diese Kurzgeschichte zeigt auf eine humorvolle Weise die Gedankenwelt des Autors. Im Paradies sind alle von natürlicher, anmutiger Schönheit und brauchen keine Kleider. Auch die Liebe ist frei – «Geweihte Liebe nicht? Was war das? Weihte die Liebe nicht?».
Ein neuer Flug und eine heilige Burg
Das Credo des Klarismus. Elisàr von Kupffer sieht sich als Stifter einer neuen Religiösität.
Dramatische Szenen aus der russisch-baltischen Revolution in drei Aufzügen. Wohl für Elisàr von Kuppfer die diesseitige Wirrwelt.
Harald Seemann erläutert das Rundbild
Dokumentation einer Führung aus dem Jahre 1998.