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Die Zukunft der Natur, Teil 1

Das monistische Weltbild: Die Welt als Laune

Die Rassegefahr

Ohne hier noch auf die tieferen Gründe des Art- und Rasse­ge­fü­ges einzugehn,28 auf die Frage der Erblichkeit, ist es in die­sem Zusammenhang angebracht, die Gegenwerte von Rasse und Persönlichkeit abzuwägen.

Zweifellos erbt der Mensch von den Eltern den Leib mit den Anlagen, die sie selber erwarben oder ihrerseits erbten; der Leib verknüpft den Menschen dem Volksgefüge, ähnlich dem Einheitsgedanken der Volksgenossen: dazu kommt noch die allgemeine, gemeinsam ererbte, gemeinsam geschaffene Volksgesittung in Glauben, Bräuchen, Kräften und Nöten, die allen Einzelnen eine gemeinsame Richtung weist. Werkzeug und Arbeitsboden des Willens gibt dem Einzelnen seine Rasse; das Ziel des Willens aber ist damit noch nicht bestimmt.

Erstens widerspricht dem reinen Rasseglauben der oft so tiefe, nach Art und Zielen entgegengesetzte Zwiespalt der Leibesgeschwister, die doch die gleiche Erbschaft des Blutes empfingen und schärfer als in blosser Nebenformung28a wider einanderstehn –, und sind daran bloss die Befruch­tungs­um­stän­de schuld, je nach Alter, Kraft, Gesundheit und Lust der Eltern, nach Wetter und Jahreszeit –, so beweist sich eine starke Veränderbarkeit des Blutes, die geringe Rassefestigkeit des Menschen. Solche Abweichungen kennen die wohlgefügten Pflanzen- und Tier­ras­sen nicht oder kaum; das Menschenblut ist gegenüber dem Tierblut, nach Rassestandpunkt, varibaler, und innerhalb der Menschheit zeigen die sogenannten «hö­he­ren», werte­schaf­fen­den, vielpersönlichen Rassen wiederum ihre – blutmässige – Min­der­wertigkeit gegenüber den un­ge­sit­te­ten Völkern oder sol­chen, die eine bloss angenommene Ge­sit­tung bewahren und weit mehr Rasseeinheit, Blut­be­stimmt­heit besitzen.

Die Bildung von Lebenswerten steht mithin in gewissem Sinne im umgekehrten Verhältnis zur Festigkeit der Rasse, die den Menschen, das Über-Tier, naturhaft nicht weiter ent­wi­ckeln lässt.

Zweitens, und hiermit im Wesen verknüpft, bedeutet die Forderung, in der Rasse die höchste Lebensentscheidung zu sehn, die Ablehnung aller Lebenserhöhung.

Ist die Rasse eine, sozusagen ewige Lebensform, von in­ne­rer Vollendung, so kann der Einzelne freilich nichts Edleres tun, als nur die Art der Altvordern strengstens bewahren – ja, eigentlich könnte der Einzelne dann überhaupt nichts anders auch nur erstreben, als schon, in endlosen Zeiten, von früheren Rassevertretern erreicht ward. Dann muss der Rasse-Echte und Rasse-Fromme als blosse äussere Kraft an der Macht­er­wei­te­rung seiner Rasse wirken, sie äusserlich mehren, da sie in­ner­lich ja vollendet und ewig ist. So muss der Einzelne, unbeirrt durch eigne Gewissenserwägungen, Strebungen, Ziele, einfach im Gleichschritt mit seinen Genossen die Rasse als Massen­macht durchsetzen. Jede selbständige, eigengewissenhafte Än­derung, Besserung ist ein versuchter Rassefrevel, Rasse­be­lei­di­gung. Die ganze erworbne Gesittung der Rassengeschichte ist nach Rasseglauben eigentlich nur ein fortgesetzter Rasse­ver­rat; die wilde Ur­zeit ist, so recht im Sinne der «energetischen» Einheitslehre, der wahre Höhenmassstab, es sei denn, die Ur­zeit wäre nicht wild, sondern grade voller höchster Werte ge­we­sen, und alles Spätere wäre nichts, als ein stetiger Nie­der­gang zu minderen Formen. Aber dann müsste der Rasseverlauf ein blosser Rasseniedergang sein, trotz aller Blutüberlieferung.

Drittens zeigt sich, dass selbst wenn die äussre Gesittung der Technik als blosser Scheinwert beurteilt wird, und also kein Massstab sein kann, der innere Massstab mensch­li­cher Lauterkeit wahrlich der reinen Rassemacht widerspricht. Da­mit gilt, bei Bewahrung des inneren Rassestandes, die äus­sere Mehrung der Rassemacht allein dem Kampf um die Wirt­schafts­macht, um Brot, um Arbeitsauftrag, um Warenumsatz, Geld und Einfluss, dann dient trotz aller klingenden Reden, der Rasse am besten der rücksichtslose Geschäftsmann, der jeden inneren Wert beiseite setzt. Da stumpft das Eigengewissen vollständig ab, der Einzelne wird zum erwerbsgierigen Werk­zeug der Rassemasse, wird für seine Rasseverdienste durch eignen Reichtum, dem Vorteilsanteil am Rassewohlstand, der «Rassedividende» belohnt. Sie lohnt sich, die Rassefron!

Ist aber dies das Lebensergebnis des Rasseglaubens, so scheiden sich eben daran die Geister, und es scheiden sich von den Rasse- und Massenmenschen des goldenen Stillstands, die lebensvollen Persönlichkeiten.

Persönlichkeit ist einzig, wer eigenseelisch über der Rasse steht und die blutererbten Werte, die Ahnenleistungen nur als Werkzeug und Boden der höheren Lebensgestaltung kraft Ei­gen­we­sens verwertet. Adel verpflichtet!29

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Aber diese Einsicht des Eigenwesens ist darum der heutigen Mas­sen­gesittung und Rasseverranntheit so widerwärtig, ob­schon ein Blick in Natur und Geschichte zeigt, wie überall in den Lebewesen eine eigne Innenmacht die Umwelt umgestaltet, im Austausch mit ihr sich entfaltet, ihr Dasein erfüllt. Die ech­ten Gemeinschaften Gleichempfindender, auch die ehemals ech­ten kleinen Blutsippen und Stämme wirkten nicht anders, ver­wan­del­ten rund um sich die gegebne Natur nach menschlich eignen Zielen, gewannen mit ihr im Austausch selber an Le­bens­wal­tung – selber steigend überwanden sie die Natur, und diese meisternd wuchsen sie selber empor. Mannig­fal­tig­keit blühte auf.

Das kommt zu Ende, wenn Lebensnot, Ernährungsnot, der bare Kampf um Lebenserhaltung, den Lebensaufstieg opfert, wenn fremde Rassemassen einander zwingen wollen, und nun in der einzelnen Rasse das strenge Aufgebot Aller zur äusseren Lebenseinheit wider den Feind erfolgt. Da erscheint die reiche, freie Entfaltung in Einzelformen des Lebens, in Einzel- und Eigenbünden als Gefahr für die Rasse. So führt der Hunger, sobald die Volkszahl zur eigenwidrigen Masse anwächst, zur Fälschung der Lebensziele, zur seelen- und lebenslähmenden, doch als heiliger Glaube vermummten Rassefron. Und die sich wehrende Rasse wird der angreifenden gleich in mam­mo­nis­ti­scher Selbstsucht, gleich an seelischer Armut; und dies ist die wahre Rassegefahr – nicht für, sondern durch die Rasse, zu­schaden des Lebens.

Darum stehn wir heute wie damals, als Jesus Christus die Heilandsbotschaft der Erdüberwindung gegen die hunger­fürch­ti­gen Rassesatzungen kündete, wieder in tiefster Seelennot. Aber darum erklang auch erneut in Elisarions Klarglauben des Eigenwesens die Frohe Botschaft. Fragen, die damals über­flüs­sig waren, und darum von Christus auch nicht beantwortet wurden, haben sich nun in zwei Jahrtausenden aufgetan, die Frage nach jenem tiefsten Urverhältnis von Gott und Men­schen, aus dem sich als Zukunftsziel einer jeden Seele die Got­tes­kind­schaft ergibt. Für Christus war Gott der liebende Vater und unerörtert blieb es, wie sich zu Gott zum Erdenwirrwarr der ringenden Menschenseelen dem Wesen nach verhielt; die da­mals leidenden Seelen hätten auf solche Erörterung gar nicht gelauscht.

Heute jedoch bedeutet die Klärung der Seele in dieser Fra­ge die Rettung des Lebens, die Wiedererweckung der Chris­tus­wir­kung. Und darum muss heute gegen die Rassefron die Bot­schaft des Eigenwesens ertönen. Christus ward Jude, weil da­mals in Judäa die Rassefron Seelen und Leben lähmte. Luther trat als Deutscher gegen die Römische Fron hervor. Elisarion musste in gleichem Sinne im Europa der Rassekrämpfe von heute erscheinen, um wieder die Heilandsworte Christi zum Menschenherzen zu rufen, ja eigentlich der ganzen Mensch­heit erst verständlich machen. Und darum hören ihn die heutige Massen, gleicher welcher Rasse, noch überhaupt nicht. Doch für jede Persönlichkeit ist seine Botschaft der Anfang, die Mor­gendämmerung der neuen Freiheit zu Gott.

Was in einem rassischen Lebensgefüge an echtem see­li­schem Reichtum liegt, das zeigt sich am Mute des Eigenwesens, aus eigner Tiefe das Leben neu zu gestalten und solches Recht an eigne Lebensgestaltung dem Massenwahne zum Trotz zu erkämpfen. Dies ist die Probe auf Höher- und Minderwert der einzelnen Rassen, die an Wert nicht gleich sind. Doch der Mass­stab des Rassewertes ist ein zweifacher: ist die Rasse, das Blutgefüge der Masse – der Selbstzweck, dann steht sie um so höher, je blutgefestigter, einförmiger sie ist; dann stehn hoch über allen arischen Rassen die Eskimos, die sich mög­lichst un­ver­än­dert in Tran und Eis «konservieren». Ist die Rasse jedoch mehr als bloss ein Rassestillstand, vielmehr der erreichte Le­bens­tand zur Entfaltung höherer Lebensformen: dann gibt das Blut dem Einzelnen keinen Freibrief auf arbeitsgeschäftigen Still­stand, sondern die Pflicht zum eignen heldischen Lebens­ver­such. Dann wird die blosse Rassemacht nur eine An­ge­le­gen­heit der Massenernährung, freilich vom Massenmenschen nach al­tem Hungerwahne zugleich als «Lebenshöhe» verehrt.

Der tiefste Sieg des Judentums äussert sich darin, dass sei­ne Lehre alle andern Lebensgruppen in diesen aus­sichts­lo­sen Irrkreis der Rassefron reisst, wirtschaftlich wohl be­greif­lich von hüben wie drüben, doch seelisch tief zu beklagen. Nicht «juden­feind­lich», nicht «antisemitisch» ist der Kla­ris­mus, denn durch ihn wird der Geist des Mammon und die Er­höh­ung der Masse überwunden; und darum bekämpft er auch den heutigen Rassegedanken, sobald dieser mehr als le­bens­ge­schicht­li­che Forschungseinsicht zu sein beansprucht, alle Eigenentwicklung im Zwange der altvorderischen Art zu er­sti­cken sucht, als Rassefron und gottwidrige Menschensatzung. Allen Persönlichkeiten, die sich in ihrem Rassekreis aus­sichts­los quälen, ist hier der Weg der Befreiung gewiesen.

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Doch grade mit dieser Erkenntnis des Eigenwesens ersteht auch die neue, tiefere Rassenlehre klaristischen Geistes, die Lehre der Rasseverjüngung, als Teil- und Vorlauferscheinung der Lebensverjüngung, aus der die Zukunftsordnung der Natur beruht.

Was sich heute «Eugenik» – Wohlzucht benennt, ist wirk­lich nur in klaristischem Sinne durchzuführen, und andrerseits fordert gerade der Klarglaube klügliche Regelung der Men­schen­er­zeu­gung, damit dem Eigenwesen ein edlerer Boden sei­ner Entfaltung bereitet wird.

Heute werden die Menschen nur allzuoft, halb in blinder Brunst und halb aus «ehelicher Pflicht» ins Leben gerufen. Es fehlt der leibliche, wie der seelische Einklang der Eltern, es fehlt die leiblich-seelische Vollkraft beider Einzelnen der Er­zeu­ger; von Unlust und Gier, von Unrast und Müdigkeit, Wil­lens­schwä­che und Willenspeitschung, Stumpfheit und giftigen Reizen hin und her zerrissen, wagt es der Mensch, dem neuen Leben ein Erbteil lebenswidrigster Spaltung mitzugeben, ver­dammt es von der Erzeugung an zur Alterung, innerer We­sens­zer­klüf­tung. Da muss sich das Eigenwesen, wiedergeboren, mit innerem Reibungswiderstand seelisch und leiblich plagen und bringt seine Daseinsspanne in fruchtlosen Zerrungen hin, freud­los und so erst recht in alle Gifte des Lebensersatzes hin­ein­ge­jagt;29a und schlecht erzeugt vererbt er wieder gealtertes, kraftloses Leben.

So kommt es zu Menschen, die haltlos dem Massengeiste verfallen, in einzigem Hungersinne sich ganz zur Betriebskraft von Massenerwerb und Massenarbeit hergeben, wahre «Pro­le­ta­rier der Seele», die dann auch die «proletarische» Mas­sen­ver­meh­rung des Volkes leisten. Je mehr die Zahl eines Volkes zunimmt, über ein ganz bescheidnes Mass hinaus, um so mehr ist die Minderung seines Lebensgrades bezeugt. Die staatlich-wirtschaftliche Aussenmacht wird nur auf Kosten des ras­si­schen Innenstandes erworben.

Wäre es wirklich möglich, «eugenisch» vorzugehen und also alle Lebensgeschwächten — von Nerven-, Lungen-, Herz-, Geschlechtsleiden heimgesuchten, von Alkohol, Tabak und der­gleichen Giften gewohnheitsmässig verseuchten – vom Rechte auf Zeugung auszuschliessen, so müsste zunächst durch etwa zwei Geschlechter hindurch ein ganz unsagbarer Absturz der Neugeburten eintreten, die Volkszahl sich wesentlich mindern, um später freilich wieder massvoll zu steigen. Und selbst
wenn man bloss als schlimmste Verseuchung Alkohol und Ge­schlechts­lei­den aufs Korn nähme, so würde ein ganz gewaltiger Ausfall eintreten. Aber ohne diesen ist auf gründliche Wohl­zucht und Rasseverbessrung gar nicht zu hoffen.

Und selbst, wenn ohne grosses amtliches Vorgehen, bloss durch Besinnung der Einzelnen dieser Gedanke erwachte: dem neuen Leben ein vollkräftiges Erbteil zu geben, weil ein le­bens­schlech­tes Erbteil zum Rasseverderben führt – selbst dann ergäbe es sich mehr und mehr, dass Ehen nur nach wirklicher Lebenserwägung und nicht aus Berechnung, Versorgung, Not­durft geschlossen würden: von Menschen, die einander an Leib und Geist ergänzen, einander in Doppelbeschwingung heben. Und solche Ehepaare würden freilich gerne einige tüchtige Sprösslinge um sich sehn, doch wenig auf häufige Schlecht­er­zeu­gung geraten. Das neue Geschlecht bekäme höheren Le­bens­grad, doch minderen Zahlenbestand.

Und freilich würden solche Wohlerzeugte, in denen dem Eigenwesen ein günstiger Boden bereitet worden, wenig dem Massengeiste in all seinen Formen hold sein. Die Innenkraft würde auf Innenwerte froher Einklangsgestaltung wirken und wenig dem Zahlenwahn der Bevölkerungsdichte, Ausfuhrhöhe, Umsatz-Statistik huldigen. Was der rassische Lebensgrad gewänne, würde der massenpolitische Wahn verlieren, zum Jammer aller «Hurrah-Patrioten» und heutigen Ras­se­ver­götzer.

Ihnen – die in der äusseren Rassemacht beste Hunger­reg­lung nach Erbgeschmack erblicken – ist das Eigenwesen ver­hasst, weil es in seiner Eigenwesenheit grade die Lebens­man­nig­fal­tig­keit darstellt, die ihnen nach Hungerrücksicht be­denk­lich scheint; sie sehen das Rasseziel in völliger Gleich­för­mig­keit, blossem geschäftigen Lebensstillstand und müssen das Eigenwesen daher bekämpfen. Da gibt es kein besseres Mittel als proletarisch-massengeistige Rasseverschlimmerung – diese verhindert am allersichersten jede gesunde Eigenentfaltung.

Rasseverbesserung aber – in Menschen an Leib und Seele frank und froh entwickelt – fördert die Reifung des Ei­gen­we­sens und jedes tüchtige Eigenwesen fördert den Rasseaufstieg, den inneren! Jedes wohlerzeugte, in Liebe gesunder Eltern em­pfan­gene Eigenwesen stellt in sich einen eignen Lebensein­klang dar, ein eignes Lebensgefüge, eine Eigenrasse; darf er dieses Lebensgefüge in frohen Taten weiter durchbilden und festigen – ja! dann bringt sein Same verbesserte Le­bens­span­nung in Umlauf und weckt in Erzeugung höheren Lebensgrad, indem es seine Eigenrasse mit anderem Rassekeime vereinigt und dadurch wieder ein neues, tätiges Eigengefüge weckt. Das Eigenwesen, die seelisch-junge, leiblich gesunde Persönlichkeit steigert den Lebensgrund des nächsten Geschlechtes, indem es neuen Persönlichkeiten ermöglicht, wohl erzeugt und eigen, ins Leben zu treten; freilich gewinnt die Massenzahl nichts dabei, die dumpfe Einförmigkeit ebenfalls nichts und der gleiche hohe Rassegrad wird in verschiednen Persönlichkeiten sich grade in gegenseitiger froher Duldung der vielen Lebensspielarten zeigen.

Die sinkende Rasse – des fruchtbaren Einschlags reifer Eigenwesen beraubt — zeigt sich in dumpf-verworrner Ein­för­mig­keit, reich an blossen Verzerrungen; die steigende Rasse entfaltet sich frei in Mannigfaltigkeit, gleich im eigenfreien Einklang. Die sinkende Rasse kann in «Karikatur» zu phy­sio­gno­mischer Vielheit gelangen, ist scheinbar unterschiedlicher, doch der dumpfe Lebenswille, die Seelenverarmung zwingt die Einzelnen ineinander; die steigende Rasse bietet eher ein Gleich­mass in Antlitz und Form, aber seelische Ei­gen­be­weg­lich­keit stellt Jeden frei im Willen an die Seite der Andern. Das in­ner­ste Wesen der Welt, die Eigensonderung, führt bei mas­sen­geis­ti­ger Rasseentartung zu äusserer Gegensätzlichkeit, innere Zwangsgemeinsamkeit: nur bei der Rasseläuterung zeigt sich – äusserlich ähnlichen Einklangs – gleich verschönt der innere Eigenreichtum.

Was aus germanischer Vorzeit berichtet wird, die Wei­he­erzeu­gung von Edelmenschen durch Recken und Priester­jung­frau­en,30 – der immerhin merkliche Anteil, den die «Kinder der Liebe» (nicht mit den zufälligen Bastarden blosser al­ko­ho­li­scher Dämmerzeugung gleichzusetzen) am Schaffen der Mensch­heit hatten: diese Tatsachen zeigen, dass nicht die Ver­mehr­ungspflicht, durch bares In-die-Welt-setzen haltloser Menschen die Rasse veredelt, sondern bloss die eigenfreudige Liebesbeschwingung durch Vorbereitung der künftigen Ei­gen­ent­faltung von Eigenwesen es wahrhaft tut, die Rasse­leis­tun­gen steigert, das Lebensgefüge über den schweren Massenstand der Vergangenheit hebt. Die heutigen Rassesatzungen, stam­mes­bor­nier­ter Hungerwahn, lähmen Eigenwesen und Mensch­heit, entgeisten, entwerten das Dasein mit gottwidrigem Göt­zen­geklingel der Masse.

Der Tag wird kommen, da die Menschheit genug davon hat!

Der bürgerliche Glaube I

Die Irrgänge des Geistes

Blut, Genetik und Rasse

Für heutige Menschen ist diese Betrachtung über Rasse, Menschenrassen, Rasseverbesserung, Ras­sen­auf­stieg, Rassenuntergang, höheren und niederen Rassen und Eugenik ziehmlich seltsam. Doch aus dem Text wird deutlich ersichtlich, dass Eduard von Mayer all diese populären und folgenschweren Theorien seiner Zeit als untauglich ansieht. Für ihn ist jedes Individuum, jeder Mensch – ein Einzelwesen – das die Chance hat, sich mit dem Klarismus auf eine höhere geistige Stufe zu heben.

Wie weit Eduard von Mayer etwas wusste von den unter­schiedlichen Blutgruppen, ist nicht ersichtlich. Wahr­scheinlich war ihm dies noch nicht bekannt, er erwähnt diesen wichtigsten Unterschied zwischen den Menschen nicht. Auch wusste er sicher nichts über die weltweite Verteilung der menschlichen Blutgruppen, die überall vorkommen, wenn auch in unterschiedlichen Anteilen. Und ganz sicher konnte er noch nichts wissen vom Rhesusfaktor, dem aus genetischer Sicht grössten Unterschied des Menschen, der quer durch Familien geht! Auch über Gene, DNA und die Doppelhelix wusste er wahrscheinlich noch nichts.

Aus heutiger Sicht erschreckend ist die erwähnte grosse Durchseuchung der Bevölkerung mit Geschlechtskrank­hei­ten, vor allem Syphilis und Hepatitis C, welche durch viele Mütter an ihre Kinder weitergeben wurden.

Für Eduard von Mayer ist Rasse ein Merkmal – neben der unterschiedlichen Physiognomie und Hautfarbe – einer sozialen Schicht. Und da scheint auch das Standesdünkel seiner adligen Herkunft durch. Einer Schicht, die in seiner Denkweise, sich von Generation zu Generation, auf eine höhere geistige Stufe erhebt!

Doch Eduard von Mayer, wie wohl auch Elisarion, hatten an genetischen Defekten – oder anders gesagt – an Geburtsfehlern – ihr Leben lang zu leiden. Eduard von Mayer hatte einen Klumpfuss (der zweithäufigste orthopädische Geburtsfehler). Obwohl sein Vater hoch­ver­ehr­ter Gründer und Direktor eines Spitals war, wusste man damals noch nicht, wie man diese Missbildung kor­ri­gieren kann. Elisarion, wie er in seiner Biografie schreibt, litt an einem nervösen Herzfehler. Für ihn war der Grund die Morphiumsucht seines Vater, ebenfalls Arzt. Doch es ist durchaus denkbar, dass Elisarion an einer genetischen Abnormalität litt, die damals noch unbekannt war. Eine partielle Trisomie oder das Klinefelter-Syndrom könnten heutige Diagnosen sein, sind aber ohne die Krankenakten zu kennen (sofern es überhaupt aussage­kräftige gibt), hypothetisch.

Jedenfalls ist mit aller Deutlichkeit zu sagen, die Ge­dan­ken­gän­ge über Rasse von Eduard von Mayer und Elisarion sind allgemeiner Ausdruck der Vorstellungen der Zeit über das Wesen und die Unterschiedlichkeit der Menschheit um 1900. In keiner Weise kann daraus geschlossen werden, die beiden hätten rassistisches Gedankengut vertreten.

Das Gegenteil ist der Fall – für sie ist jeder Mensch ein neuer «Rassekeim», eigenständig, – nicht von Herkunft, Abstammung oder vom «Blute» bestimmt –, sondern ein Eigenwesen.

Sigmund Freud, fotografiert von seinem Schwiegersohn Max Halberstadt, um 1921

Es scheint, Eduard von Mayer, kannte beim Verfassen des nebenstehenden Textes die psychoanalytischen Theorien von Sigmund Freud noch nicht. Doch Mayers Analyse von Rassewahn und Gottesfurcht sind in vielem ähnlich, dem was Freud in seinen Schriften sagt.

1900 erschien Freuds frühes Hauptwerk, Die Traum­deutung. Es folgten in kurzen Abständen die Schriften Zur Psychopathologie des Alltagslebens, 1904, Der Witz und seine Beziehung zum Unbe­wuss­ten, 1905 und Drei Abhandlungen zur Sexual­theo­rie, ebenfalls 1905.

Freud stand als Atheist und Religionskritiker in einem zwiespältigen Verhältnis zum Judentum. Erst durch den gegen Ende des 19. Jahrhunderts verstärkt auflodernden Antisemitismus fand seine Rückbesinnung auf die jüdische Tradition statt. Am 18. Februar 1926 schrieb Freud an Enrico Morselli: «Obwohl der Religion meiner Voreltern längst entfremdet, habe ich das Gefühl für die Zu­sam­men­ge­hö­rig­keit mit meinem Volk nie aufgegeben».

Freud bezeichnet sich selbst als einen Feind der Religion «in jeder Form und Verdünnung» und steht somit in der Tradition Ludwig Feuerbachs, dessen Thesen er als seine philosophische Grundlage ansieht und Friedrich Nietzsches, dem er zugesteht, etliche Einsichten der Psycho­ana­lyse intuitiv vorweggenommen zu haben. Auch Arthur Schopenhauers Schriften hatten grossen Einfluss auf den jungen Freud.

Freud bekräftigt die Religionskritik der Philosophen durch Einsichten, die er als naturwissenschaftlich geprägter Mediziner bei der Entwicklung der klinischen Psycho­ana­lyse gewonnen hat. Dabei drängte sich ihm die Auffassung auf, dass die Religion einer Kindheitsneurose vergleichbar sei.

Hierbei argumentiert er anthropologisch (men­schen­kund­lich), onto­ge­ne­tisch (die Entwicklung des Ein­zel­we­sens) und phylogenetisch (die Entwicklung des Stam­mes, der Rasse):

Das anthropologische Argument definiert die Religion als infantiles, kindliches Abwehrverhalten gegen die mensch­liche Unterlegenheit: Der Mensch habe die Naturkräfte personalisiert und zu schützenden Mächten erhoben. Somit helfen sie ihm in seiner Hilflosigkeit. Das zugrunde liegende Verhaltensmuster knüpfe an die frühkindliche Erfahrung mit den schützenden Eltern, besonders mit dem Vater, an.

Auf die frühkindlichen Erfahrungen geht auch Freuds ontogenetischer Ansatz ein: Das ambivalente Verhältnis des Kindes gegenüber dem Vater setzt sich im Glauben des Erwachsenen fort. Er erkennt, dass er auch als solcher sich nicht völlig gegen fremde Übermächte wehren kann, weswegen er seinen Schutz im Gottesglauben sucht. Die Götter fürchtet er, trotzdem überträgt er ihnen seinen Schutz.

Das Motiv der Vatersehnsucht setzt sich bei der stam­mes­ge­schicht­lichen (phylogenetischen) Erklärung fort. Freud greift in Totem und Tabu, 1913, das von Charles Darwin eingeführte Modell einer Urhorde auf, deren Stammesvater als absoluter Despot von den Söhnen so­wohl verehrt als auch gehasst wurde, ins­be­son­de­re auf­grund seines Anspruches, alle Frauen der Horde zu be­sit­zen. Aus Eifersucht hätten sie ihr Oberhaupt ge­mein­sam umgebracht. Eine Nachfolge sei aufgrund der wech­sel­sei­tigen Blockade der Söhne und der nachträglichen Idea­li­sie­rung des ermordeten Urvaters nicht möglich gewesen. Als Gemeinschaft sollen sich die Söhne der Urhorde darauf verständigt haben, sich die Endogamie, den Besitz der Frauen der eigenen Gruppe zu versagen, so dass lediglich Frauen fremder Stämme und Sippen ge­hei­ra­tet werden durften Exogamie. Anschliessende rituelle Opfermahlzeiten sollen an den vorangegangenen Mord bzw. die darauf folgende Etablierung elementarer Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens erinnern. Das menschliche Schuldbewusstsein sei somit der Anfang sozialer Organisation, von Moral, Religion, sittlicher Be­schrän­kung und damit der Kultur überhaupt.

 

Doppelporträt der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm,
Gemälde von Elisabeth Jerichau-Baumann, 1855, Staatliche Museen, Berlin

Die deutsche Romantik prägte ab etwa 1800 die Literatur, später auch die Malerei und die Musikästhetik. Die Grundthemen sind Gefühl, Leidenschaft, Individualität und individuelles Erleben sowie die Seele, vor allem die gequälte Seele. Treibende Kraft ist eine ins Unendliche gerichtete Sehnsucht nach Heilung der Welt, nach der Zusammenführung von Gegensätzen zu einem har­mo­ni­schen Ganzen.

Die Brüder Grimm sammelten die Sagen und Mär­chen der mündlichen Volksüberlieferung. Daraus ent­standen Grimms Märchen und die Deutsche Mythologie. Diese germanische Mythologie wurde von vielen Autoren weiterentwickelt bis hin zum pseudoreligösen «Woutanismus» der Teutonen eines Giuido von List. In seinem Buch die «Armanenschaft der Ario-Germanen» schreibt er:

«Der hohe Sinn dieses Brauchtums lag aber in der Absicht einer planmässig vorbereiteten Zucht einer Edelrasse, welche dann durch strenge Sexualgesetze auch rassenrein erhalten wurde. Aus diesen Göttersöhnen erwuchs der hohe Adel, der später allein für die Königswürde befähigt galt, und deren Nachkommen bis heute sämtliche Throne Europas (mit Ausnahme von Serbien, Schweden, Türkei und Montenegro) innehaben. Unsere sogenannten Me­sal­lian­ce-Gesetze von heute, welche auf jenem Sexualgesetze fussen, sind aber völlig wertlos geworden, weil sie die Hauptsache, die Rassenreinheit, aus dem Auge verloren haben.»