Die Zukunft der Natur, Teil 1
Das monistische Weltbild: Die Welt als Laune
Der Olympische Herrenglaube
Der erste Zustand der allgemeinen und einzelnen Hörigkeit namens der Nahrungsobmacht der Götter des Jahreskreislaufes kann durch endlose Zeiten dauern. Wenig ändert es wesentlich (wenn auch die Form des Betriebes wechseln muss), ob nun eine Höhle, ob weite Landesstrecken der Miteinanderlebenden Stätte ist, ob wenige oder zahllose Teilnehmer da sind, ob mehrere Horden in eine zusammenflossen oder Stammesteile sich ablösten.
Gewiss verliert der Einzelne immer mehr an barer Bedeutung, je mehr der Einzelnen da sind, je leichter für jeden Ausfall bereits Ersatz vorhanden ist, so wie nun der Lebensbetrieb in Arbeitsteilung geworden ist –, je nötiger zwar dem Einzelnen das vielgegliederte Schutzgefüge wurde, desto minderbedürftiger jedoch wurde seiner die ganze Gemeinde. Mit der Zahl der Glieder wächst die äussere, wirtschaftliche Bedeutung des Ganzen, die Macht des göttlichen Ordnungsbundes steigt, die Furcht vor himmlischer Ungunst und Rache vertieft sich (auch wenn es für kurze Fristen Nahrungsvorräte gibt, der Götterlaune zum Teil entzogen) – die strenge Aufsicht aller über den Einzelnen nimmt bedrohlich überhand, seine äussere Arbeits- und Nahrungshörigkeit, seine innere Unterwürfigkeit wird beständig grösser. Doch so lange im Ganzen die Nahrungspflege an Äckern und Herden genügt, um die Nahrung allen zu liefern, bleibt das Weltbild wesentlich unverändert: die Himmelsordnung des Erdenertrages. Gemeinsame unentbehrliche Hungertätigkeit stellt des Gemeinwesens Inhalt dar und bildet, in wenig schroffer Arbeitsverteilung der Allermeisten, den Lebenszweck; höchstens stehn als Sondergruppe dem Ganzen die Priester vor; zur Abwehr von Feinden reicht schon ein Landsturm hin.
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Wesentlich anders wird es jedoch, wenn die Grundlage solchen schutzgemeindlichen Lebens sich wandelt.
Wenn alles verfügbare Land nicht ausreicht, den Hunger zu stillen, dann muss entweder der ganze Stamm oder doch ein jüngerer Teil auf Eroberung ausgehen, sei es um freies Land zu besiedeln, wildes urbar zu machen, als Ackerbauern wie vordem – sei es um schon besiedeltes, fruchtbares Land einem schwächeren Volk zu entreissen, als Krieger. Im ersteren Falle verschiebt sich das Weltbild in blossen Einzelheiten, den neuen Boden- und Wetterbedingungen nach, um so mehr, je verschieden die alte und neue Heimat; doch bleibt es Bauernsinn, weil Bauernwille. Eroberersinn und Herrentum hingegen wandeln die Tiefe des Weltbildes. Die vorgefundenen Ansassen werden gezwungen, die reiche Ernte zu teilen, die mangelnde Ernte durch Arbeitsmehrung zu mehren. Das Urvolk muss zur Hörigkeit dauernd angehalten werden, und dies wird die Leistung der Herren. Dauernde Kriegsbesatzung, besatzungsmässige Teilung des Landes in Herrschaftskreise erfüllt und umgrenzt ihre Arbeit. Um sich trotz Minderzahl auf erobertem Boden inmitten rachebereiter Knechte zu halten, müssen die Einwanderer, eng in Gemeinherrschaft verbunden, dauernd waffenbereit bleiben, in Waffenübung die Mannestüchtigkeit wach erhalten. Da fehlen denn Zeit und Kraft zur Bodenbestellung. War es hungernötig gewesen, das Land zu erobern, so wird es ebenso hungernötig, die alten Bewohner und Brotbeschaffer zu schonen, wenn die völlige Ausrottung doch nicht möglich gewesen war; sogar der Schutz gegen neue Feinde wird jetzt zur Herrenpflicht und nur eine späte junkerhafte Entartung ist das «Bauernerlegen».9 Auf dauerndes Miteinanderleben der fremden Gemeinden heisst es, sich einrichten, feste Leistungsverträge heisst es zwischen den beiden Bewohnerhälften des Landes zu bewirken: so kommt es zum Recht.
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Rechte sind gegenseitig abgegrenzte Machtbefugnisse, Willensscheidungen – unnütz wo Willens- und Vorteilseinheit besteht und die einzelne Kraft ihr volles Genüge im freiwilligen Austausch findet, wie bei jedem echten Gemeingefüge. Doch unentbehrlich sind sie, sobald sich Gegensätze des Lebensempfindens und gar der Daseinsansprüche zeigen, sei es durch plötzliches Zueinandergeraten in Einwanderung, sei es durch stetige Auseinanderlockerung während des Lebensverlaufs der Gemeingeschichte, durch Rassenmischung und Rassensonderung. Rechte sind Anerkenntnis der Lebensmannigfaltigkeit, wie sie im Erdenwirrwarr sich auswirkt – äusserlich zwar und doch infolge innerer Kräfte, die noch den freien Einklang nicht fanden. Rechte sind: Abschlagszahlung auf Freiheit.
Schon zwischen Priesterschaft und dem übrigen Volke der Ackergemeinde bestanden Rechtsverhältnisse. Doch sie waren derart Abglanz des überirdischen Machtverhältnisses zwischen Himmelsgewalten und Menschen, dass eigentlich alle wirkliche Leistungsbeziehung im Dunste der Hungerfurcht schwankend schwebte. Aus dieser Verwirrung wesensverschiedner, unvergleichlicher «inkommensurabler» Gewalten zog die Priesterschaft allen Nutzen, in Ägypten, Indien, wie auch in Rom. Da gibt es kein festes, ehrliches Recht, nur ein scheinbares, täuschendes; dieses Scheinrecht mit allem schleichenden Unheil ist jedoch eine Frucht des Hungerwahnes und daher für alle Hungergläubige, Götzenfürchtige wirkliches Recht, ja höchstes Recht, für immer der Nachprüfung enthoben. Immerhin ist dieses Priesterrecht dennoch ein Vorbild des neuen Geisteszustandes, des Herrentumes, auf Vorrechten fussend. Das Vorrecht ist so alt, wie das Recht, denn es ist, mit dem Rechte zugleich entstanden, als Rest vergangener Alleinmacht, die Nebengewalten anerkennen musste. Ein «gleiches Recht für Alle» bedeutet Beseitigung aller Rechte, aller Einzelgebiete, in friedlich oder gewaltsam erreichter Einheit der Volksgemeinde; und dahin strebt die altvorderisch-abergläubische «atavistische» Massenpartei der Sozialisten aller – auch konservativer – Färbungen. Lebensvoll wär einzig der Ruf nach gleichem Vorrecht für Jeden, nach Eigenrechten, die Jedem als Hochburg des Wirkens das eigne Lebensgebiet gewährten, innerhalb dessen jeder Andere unzuständig – nur soweit einspruchsberechtigt ist, als er persönlich in Mitleidenschaft tritt.10 Das ist der tiefste Sinn des Spruches Suum Cuique!11 «Jedem das Seine!» Bestände er doch zu Recht! Bis zu solchem Rechtsgeist ist es noch weit; aber unverkennbar liegt im Gedanken des Rechtes, der Achtung des fremden Lebensgebietes, ein höchster Menschenwert. Stammt auch das Recht aus der Macht und ist auch die Macht noch immer im wirklichen Leben der beste Fürsprecher des Rechtes, so glüht im tiefsten Grunde dennoch die Edelempfindung: dass ohne Rücksicht auf äussere Stärke und äussere Schwäche das Recht etwas innerlich Heiliges ist, unter göttlichem Schutze steht, ja dass eine Ordnung – die wahrhaft göttliche – da ist, die nicht auf Gewalt beruht. Diesen Gedanken enthält, obschon zunächst in eigensüchtigem Gruppenempfinden, das neue Weltbild der neuen Willenszustände, wie sie die Herren im Beutelande erlebten.
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In trotziger Not in die Welt gezogen, verlor das Eroberervolk durchaus nicht zugleich mit der Heimat den Heimatglauben an nahrungslenkende Erd- und Himmelsmächte. Doch nahm er andere Züge an, weil nicht der Pflug, vielmehr das Schwert die Nahrung erwarb.
Wohl mochten die Landesgötter der neuen Heimat denen der alten ziemlich entsprechen, mochte das unterworfene Urvolk wesentlich glauben, was auch die Eroberer daheim – als sie Bauern waren – vom Wesen und Walten der übermenschlichen Mächte glaubten. Dennoch mussten gerade treu dem götzengläubigen Grundempfinden des hungernden Menschen, die Sieger-Eroberer fühlen und glauben, dass ihre Götter, die sie geleitet und ihnen zu neuer Nahrung verholfen, mächtiger waren, als die der Besiegten; der «grosse» Konstantin, da er im Falle des Sieges sich dem Christentum zuwenden wollte, urteilte grade so dem Erfolge! nach, als echter Römer, dem der Gott eines kleines Volkes, auch nur als minderer Gott erschien, Dii minorum gentium! Nun mochten die Sieger bereit sein, auch diesen Landesgöttern, den Hütern der Landeswohlfahrt, des Ackerertrages – der nun auch ihnen zur Lebensquelle geworden alle gebührende Ehrung zu bieten, in Opfer und Brauch an den Landesaltären. Dennoch mussten als höheren Götterkreis sie die eignen, altheimischen achten, die freilich als neue Gewalten in neuer Art sich bezeugten. Über die Mächte des Ackerlebens, des Erd- und Himmelskreislaufs, der noch das Acker-Urvolk völlig beherrschte – über die eigne frühere Geltung daheim auf den fernegerückten Ahnenäckern: mussten als überlegen die Göttergewalten des Krieges, der Herrschaft, des Rechtes, des Blutes sich stellen. So wurden fürs Herrenempfinden die alten Götter zu neuen. Mochten die Urbewohner einzig beim Glauben der alten Götter beharren und einzig diese verehren und fürchten – die Herren verehrten und fürchteten neben, ja vor den Naturgöttern eben die Rechtsgötter ihres Herrentums, auf deren Walten ja ihre Herrschaft, ihr eignes Wohlergehen beruhte, in Waffenwerk, Ehre, Rassezucht, aber auch in Anerkenntnis der Lebensgeltung der Unterworfenen. Denn ohne Knechte gibt es gar keinen Herrenstand, und jede Form von Lebensbehagen, von Musse und freiem Genuss, wie flüchtig sie wären, setzt eine Knechtung voraus: der Arbeiter kann als eigner Herr seinen Feiertagsausflug hinaus aus der Grossstadt nur deshalb machen, weil andre Arbeiter eben keinen Feiertag haben, vielmehr die Eisenbahnzüge befördern, in Kneipen bedienen, die Strassenbeleuchtung versorgen. Wird das (auf Erden) wesentlich niemals anders werden können, wie sehr! musste es erst beim unbedingten Herrentum derber Eroberer gelten; und sie begriffen das kluger Weise. Ja, sie sahen im Schutze, im Rechte, das sie den Knechten gewährten, ebensolch eine göttliche Ordnung, wie in der Stellung, die sie besassen.12 Willens die Unterworfenen in ihrem Recht zu belassen, forderten sie von ihnen die gleiche Einsicht der gottgewollten Standesgliederung, Anerkenntnis des Herrentums «von Gottes Gnaden», Achtung und Furcht vor den Herrengöttern, selbst wenn sie anfangs gerne den Dienst dieser Oberen Götter sich als Vorrecht des Blutes und Standes behielten, ja den Urbewohnern gar verboten, der Höheren Götter Gunst zu erschleichen, den Herren diese Gunst zu entwenden. Es waren Götter des Rechtes, obschon in erster Linie des Vorrechts, lebenswirklicher Macht in aller Fülle des Daseins. Ein Glaubenszwang war noch ein Unding; er wird nicht eher möglich, als bis die Herrengottheit die unbedingte Alleinmacht beansprucht, jede Nebengottheit und jeden Nebendienst untersagt, bestraft. Dann rotten die Machthaber freilich die früheren oder neuen Glaubensformen aus, um nicht selber zu leiden. Die Christenverfolgungen seitens des Römischen Staates bezeugen so das Sterben des alten duldsamen Vielgötterglaubens, das Werden der staatlichen Glaubenseinheit, der «Religion» des «Staates», den nicht zu verehren gottlos, gemeingefährlich erschien. Auf solchem Boden konnte darauf das Alleingottestum amtlich zur Herrschaft gelangen. Es war aber Götterdämmerung vorher nötig. Eh es jedoch bis dahin kommt – durch die Umgestaltung aller Lebensbedingungen, Lebenswertungen, Einsichten – gilt, wo immer Herrenmacht waltet, die Vielstufigkeit heiliger Götterdienste als Grundlage des ganzen gemeinsamen Lebens von Herren und Knechten. Es ist der Leistung-, Macht- und Rangunterschied, aus dem der Mensch vom Hungerdasein heraus in das Weltgetriebe hineinsieht.
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Die geschichtlichen Einzelverläufe weisen naturgemäss äusserst mannigfaltige Einschläge, Misch- und Übergangsformen auf; wichtig ist es daher, die Wesensstufen klar zu erfassen.
Das grösste Beispiel solcher herrenrechtlichen Glaubensentwicklung und Glaubensdoppelung ist das olympische Weltbild. Es unterscheidet deutlich zwischen dem älteren und dem jüngeren Göttergeschlecht, dem blossen Naturwalten der älteren Mächte: Himmel und Erde, Sonne und Mond, Meer und Winde, daneben Quellen und Bäume – und der jüngeren Rechtsgesittung.13 Die älteren Götter in ihrer düstern und bunten Naturvielheit blieben im Hintergrunde des eigentlichen olympischen Glaubens, an alten Weihestätten vom Bauernvolke weiter verehrt und bedienstet, Jahrhunderte später wieder zum öffentlichen Leben erwachend, in all den «Mysterien»-Geheimnissen. Sie waren und blieben Erbteil des uransässigen Lebens in Hellas, indessen die jüngeren Götter, die Schar der Olympier, die Stammesgeister der eingewanderten Mannen waren, deren Züge im «dorischen» Wesen weiterklingen. Pelasgisch-mykenisch-vorhellenisch waren die alten, dorisch-hellenisch die jüngeren. Unentscheidbar wird es wohl immer bleiben, ob diese Wandlung älterer, blosser Naturgötter in die jüngere, herrengeistige Form sich erst bei Eroberung griechischen Landes vollzog – oder ob diese Wandlung schon längstens früher geschehen, bei früherer Wandereroberung. Innere Wesenszüge und ahnungsschwere Berichte machen glauben, die Dorer hätten die Herrengötter des Rechtes aus ferner nordischer Heimat bereits mitgebracht, so dass der Aufenthalt am Olymp und in Doris nur eine Zwischenpause ihrer Züge gewesen sind. Gar zu seelenverwandt den germanischen Göttern sind die olympischen, zu beiden, ja einzig beiden gehört die Gottheit, hier Apollon und dort Balder genannt, der «jenseits des Nordens» in lichten Gefilden waltet – im «hyperboreischen» Lande, hiess es, wären Apollons liebste Bekenner. Da spricht der tiefe Klang der Erinnerung an die fernen nordischen weissen Nächte des Sommers! als ob die Dorer ein fahrender Zug von Germanen gewesen wären! – ein Heiliger Frühling.13a Doch wenn sie diese olympischen Götter von Norden brachten, so müssen die Ursitze doch wohl nicht im skandinavischen Lande der Mitternachtssonne gewesen sein: das geistige Wesen sowohl der walhallischen, wie der olympischen Götter beweist, dass ihre Bekenner als Herren walteten, also anderswoher erobernd gekommen sind.14 Wie dem auch sei: ein bezeichnender tiefer Geistesunterschied trennt von den alten die jüngeren Götter. Nicht Uranos, der Himmel, noch Kronos, der Sternenlauf, ist oberste Lebensgewalt, sondern Zeus, der Vater, Herr und Staatsgedanke; anstelle der Gaia und Rhea, Erde und Daseinsstrom, hat Hera, die Ehegöttin, den Rang der Obersten; nicht Helios, sondern Apollon durchleuchtet mit Licht und seelischer Klarheit die Welt, der olympischste aller Götter, dem Balder (oder Phol) so wesensverwandt. Begreiflicherweise mischt sich jedoch im Flusse des doppelten Wirtschaftslebens das Walten der beiden Göttergemeinden, und oftmals mögen die Ackerbauern schliesslich mit neuem Namen die alten Götter bezeichnet haben, indes in den Glauben der Herren alte Sagen drangen, die neuen Göttergestalten umkleidend. Hermes, der einstige Weide- und spätere Eigentumsgott, dem aller Verkehr, Handel und Wandel unterstand; Poseidon, nicht mehr der Meeres-, sondern Schifffahrtsgott; Dionysos, der Regen-, dann Wein- und endlich Freudengott zeigen deutlich die Umwandlung des Glaubensgrundes, seine Vertiefung. Andre Göttergestalten sind unverändert geblieben und einfach dem neuen Kreise einverleibt, entsprechend dem Walten, so Demeter, Ackergöttin und Mutter-Erde, und neben ihr örtliche Gottheiten; Afrodite, Herrin der Liebeslust. Neue sind aufgetaucht: der Kampfgott Ares, und Pallas Athene, die kluge Arbeitsgöttin, erfinderisch in allen Gewerben; die Herdgöttin Hestia des Eigenheimes, der neuen Einzelsiedlung entspringend. Noch andre stehen in wirren Doppelberichten da: Eros, der jüngste und der älteste aller Götter. Vor allem aber Artemis, Göttin der Jungfräulichkeit, des Hortes der Rassezucht: sie tritt zugleich als vielbrüstige, vielerzeugende aus, und hat auch der Mondgöttin Selene (oder Hekate) finsteres Zagen mitübernommen, so wie ihr lichter Bruder Apollon die Herrschaft der von fern treffenden, stechenden Strahlen der Sonne. Der gleiche Namen- und Wesenswirrwarr ersteht von neuem, als mit dem Christentum neue Gottpersonen und Heilige an die Stelle der alten rücken: in Ephesos ward der schwarzen Artemis so die Gottesmutter Maria unterschoben, und klüglich wählten die Gegner des Nestorius, der die Bezeichnung Gottesmutter verwarf, als Ort ihres «ökumenischen» Räuberkonzils gerade Ephesos, dessen Pöbel das Dogma entscheiden half. Bis heute! heisst in Zypern die heilige Jungfrau: Afroditissa!15
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Nur mühsam versucht der olympische Kreis die Zwölfzahl des früheren Sonnendienstes zu wahren. Und gar die Mythen der älteren Zeit, angemessen dem Walten der älteren Ackermächte des mutterrechtlichen Zustandes, klangen schlecht zu dem neuen Grundton des Willens. Das ungebundene Wirken und Zeugen, die überquellende Fruchtbarkeit, Acker- und Kindersegen, in jeder Form dem Gemeinleben dienlich, solange es ungespalten – sie stimmen je länger, je weniger überein mit dem Wesen der Rechts- und Sittengötter des neuen olympischen Herrenglaubens.
Diese Mythen werden schliesslich das Gift, durch das der neue Glaube, sobald seine starke Sonderkraft ebbte, auch siecht und abstirbt. Die herrenwerte Ehe, Eigentum, Treue. Kraft bestanden zu Recht, ja wurden nach und nach auch der Unterworfenen entscheidender Massstab: unbegreiflich mussten da endlich die Mythentaten der Götter erscheinen. Die einst verständliche Zeugungsfülle bedeutete nun Verführung und Ehebruch, weise Schlauheit von ehemals musste nun als verächtlicher Lug und Trug sich geben. So konnten, infolge der unverstandenen Mythenspuren früherer Sittenzeiten anderen Wirtschaftslebens, die neuen Götter auch nicht auf die Dauer als Wahrer und Vorbilder edleren Lebens gelten. Sie mussten stetig an innerem Werte sinken. Und dennoch fügte sich dieser Widerspruch wesenhaft und wahngetreu in das Weltbild, indem die Götter nur launische Himmelsdämonen, wankelmütige, opfergierige, eitle Tyrannen waren: die Herren dachten durchaus nicht anders, als ihre Knechte, und massen die Gotteshuld am Erfolge, befürchteten Misserfolge als göttliche Rachestrafen und beugten sich opfernd den Willensgeboten ihrer Oberherren. Die strengen Gebote galten jedoch allein den Menschen, indes die himmlischen Götter selbstverständlich taten und liessen, was sie wollten. Unverkennbar ist auch der Einfluss des Gegensatzes von Kriegeradel und Bauernvolk, der Hellas durchzog. Freilich minderte sich mit der Zeit der sachliche Gegensatz: wie später im Mittelalter in Italien die germanischen Herren, wurden damals in Hellas die Krieger zu Land- oder Stadtjunkern, die Bauern zu Handwerkern und Städtern; doch blieb die rechtliche Kluft. Die Kämpfe nun, die alle Gemeinden von Hellas durchzuckten, trugen den Missklang von wilder Willkür und strenger Satzung ununterbrochen hinauf in die Himmelshöhen. Bezeugten die Herren dem städtisch-gewerblich emporstrebenden Volke Spott und Verachtung, indem sie den alten Feuer- und neuen Handwerksgott, den Hephaistos, als schmutzigen Krüppel, als Diener und Lustigmacher der göttlichen Tafelrunde schilderten – nun, so rächte das Volk sich und gab ihm zur Gattin die Aphrodite: der Liebeslust spottend, welche adlige Herren gerne bei den Töchtern des Volkes genossen und wohl auch adlige Frauen den niederen Knechten gewährten. Bezeichnend ist dieser stille Kampf zwischen Herrenrasse und Volk, wo die Einen die Werte zu läutern, die Andern sie abzuschaffen bestrebt sind: der Dichter des Adels, Pindar, bemüht sich die unverständlich sinnlosen Schauermythen durch lichtere Dichtung auszulöschen und setzte anstelle des Menschenfrasses der Demeter, die vom Fleische des Pelops in Gier und Blindheit gegessen hatte, nun in tief bezeichnender Wertung die Liebesentführung des Tantalus-Sohnes durch Poseidon.16 Der nachdenklich nüchterne Sohn des Volkes, Sokrates, aber versucht, der Mythen halber, die Götter des Eigenwillens gänzlich zu merzen. Nicht die Vielzahl der Götter ist irgendwie schuld am Verfall des olympischen Glaubens. Die Schuld daran trägt in erster Linie der Urwahn des Hungerglaubens, der die Götter im Mass ihrer Nahrungsspendung wertete. Er entwöhnte folglich ihrer den Menschen stetig, entfremdete ihn den Göttern, als ihr Einfluss weniger notwendig schien – in dem Umfang als die staatliche Lebenssicherung zunahm und also der Götter waltendes Eingreifen weniger wichtig wurde. Und demnächst erlag der olympische Glaube dem Mythengemisch, das die jüngeren Götter mit Taten des älteren Göttergeschlechts belastete, die zu ihrer (mutterrechtlichen) Geltungszeit hungernützlich und also sittengemäss gewesen, nun aber nahrungsschädlich und also sittenwidrig erschienen und auch die Götter als sittenwidrig zeigte, nicht bloss als dämonisch, tyrannisch: sie fielen als Opfer der geistigen Rassezerklüftung bei wirtschaftlichem Rasseausleich. Nicht die Göttervielheit erlag, nur der Herrenglaube der Herrengötter schwand, und den Tod des olympischen Glaubens bezeichnet grade, dass alle alten, vergessenen Dienste wiedererblühten: Geheimdienste erstanden an mancherlei Orten, Eleusis, Samothraki, Livadia: und Delphi, der Mittelpunkt des olympischen Glaubens, die Weihestätte Apollons, erhielt sich einzig durch kleinliches Nutzgewerbe der Wahrsagerei. Das war die hungermässige Nutzverzerrung des Lichtgedankens, der in der Ahnung Apollons, des hehren Überwinders der drachenwilden, dumpfen Naturgewalt lebt, die allerdings auch in der pythischen Zukunftsschau eigentlich überwunden erschien, wie ihre gigantische Wildnis durch Delphis schimmerndes Menschenwerk. In diesem Gedanken der Überwindung des Chaos durch göttliche Macht, in der Einsicht: Schönheit und Freude deuten die Überwindung des Chaos an, in der Wertung der Liebe, wo Schönheit und Freude hell ineinander klingen – hierin liegt der ewige Wert des olympischen Glaubens, aller Mängel ungeachtet, die Hungerwahn, Herrschsucht und Neid, aus der Seele seiner Bekenner ihm beigab. Die entscheidende Einsicht der Überweltlichkeit aller Gottesmacht fehlte noch, die Götter waren noch selber dem Chaos entstammte Über-Erdengeschöpfe, und darum blieb das wahrhaft erlösende Wort noch aus. Aber eine volle Hälfte der Weltenwahrheit ward den tiefsten Sehern von Hellas.16a
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Der Erbe des sinkenden Hellas, der römische Weltstaat, der unbeirrte Schutzniesser nüchternen Erdensinnes und Hungerwahnes, führte die Glaubensentartung weiter. Der alte Ahnen- und Heldendienst fand eine neue Form in der Gottesehrung des römischen Imperators, und diese war wirklich die echte Folge des hungerberatnen Erfolgswahns: war doch der Imperator die höchste Macht- und Gnadenspitze der Hunger-, Gewalt- und Reichtumsordnung, die aller Einzelnen Leben in Arbeit und Nahrung bestimmte.
Von diesem staatlichen Amtsgefüge des Hungers, das wirklich als Ausdruck des Ratschlusses der Götter die Hoheitsverehrung der Menschen genoss, hat die Kirche darauf den seelisch-tiefsten und machtklügsten Gebrauch zu machen gewusst. Es ist durchaus kein Widerspruch, vielmehr die echteste Folge der frommen Verehrung des Staates als hungerstillende Lebensgewalt, dass sie die strengste Priesterverwaltung des bürgerlich-staatlichen Arbeitslebens ermöglicht, ja eigentlich vorbereitet hat – das erste heidnische Rom, das zweite päpstliche. Auch als «Christen» sind die Italiker von sinnenheiterer Unbefangenheit geblieben, und dieser ungeachtet sind sie wiederum immer dem Staate wie einer Gottheit hörig gewesen, sei er republikanischer oder monarchischer, kirchlicher oder soldatischer Art; sie nehmen das Leben derb, wie es ist, und lassen gerne andern die Fürsorge und Verantwortung. Ist der Staat, wie die Staatssüchtigen sagen, der Lebenssicherung halber von übermenschlicher Hoheit, göttlich geweiht, so haben trotz allen «liberalen» Geredes die wirklichen Gottesbeamten erst recht die entscheidende Stimme in allen Angelegenheiten des Daseins, wie die Kirche es folgerichtig behauptet. Ist die Gottheit der Spender des Brotes, dann haben die Priester recht, den Broterwerb in aller Verzweigung zu überwachen. Der ungebeugte Herrschaftsanspruch der Kirche, der «Ultra-Montanismus» beruft sich zwar der Lehre nach stets auf die ihr übergebene unfehlbare Offenbarung – er wurzelt aber weit tiefer, echter und «logischer» grade im Hungerwahne der Menschheit, der Himmel und Erde mit plumper Schein-Hoheit verzerrt. Ihm entstammt die vorgespiegelte Offenbarung, wie die Staatsvergötzung – sie sind ebenbürtig trotz all der staatsfrommen Priesterfeinde. Der unbedingte Staat und die unbedingte Kirche sind wesenseins und nur aus Brotneid verfeindet; es ist sachlich-sittlich dasselbe, ob die Beamten nun in «Talar» oder «Uniform» oder demnächst in «Bluse» die Einzelnen unterwürfig halten. Und diesen Einzelnen wird, ob im Priester-, Krieger-, Beamten- oder auch Arbeiterstaat, gerade was ihnen gebührt, wenn die Hungerstillung das Höchste ist: Brot. Es wird ihnen durch geregelte Nutzung der Arbeitskräfte, bei Nichtbeachtung aller dem Nahrungsgefüge nicht nachweisbar nützlichen Strebungen; jene Lebensmächte jedoch, die innere Unabhängigkeit, seelische Freiheit vom Mehrheitsgefüge bedeuten, werden dem Brote zuliebe ausgemerzt. Doch der Mensch lebt nicht vom Brote allein …
Die Irrgänge des Geistes
Das monistische Weltbild:
Die Welt als Laune
Warum wurde Christus zu Jesus?
Das legalistische Weltbild:
Die Welt als Zwang
VIIIDer bürgerliche Glaube III
Das individualistische Weltbild:
Die Welt als Trotz
XIDas Widergeschick des Lebens
XIIPaulus
Die Irrgänge des Geistes PDF
Allegorisches Gemälde, dessen Ikonographie nicht überliefert ist. Wahrscheinlich zeigt das Bild eine Vermengung von griechischen, römischen und christlichen Rechtsauffassungen. Vor der auf einem Thron sitzenden Justitia kniet Herkules (griechisch Herakles) mit seiner Keule. Ihn beschützend verweist Minerva (mit der Schlange) auf auf seine reichen Taten, welche aus dem Füllhorn des Lebens fallen. Hinter ihr Felicitas, die Glückseligkeit und Arete, die Tugendhaftigkeit. Links die Verurteilten und vom Recht abgefallenen.
Herakles machte die Königstochter Deïaneira zu seiner zweiten Frau. Eines Tages mussten beide einen Fluss überqueren, der Hochwasser führte. Der Kentaur Nessos erbot sich, die junge Frau trockenen Fusses auf seinem Rücken hinüberzutragen, galoppierte aber dann mit ihr davon. Herakles schoss ihm einen seiner tödlichen Pfeile nach. Als der getroffene Nessos im Sterben lag, gab er der Frau einen tückischen Rat: «Fange ein wenig von meinem Blut auf und bewahre es. Wenn du fürchtest, die Liebe des Herakles zu verlieren, tränke damit sein Gewand, und er wird nie wieder eine andere Frau als dich ansehen.» Sein Blut aber war durch den Todespfeil vergiftet.
Jahre später wandte sich Herakles der erbeuteten schönen Iole zu. Da liess ihm die eifersüchtige Deïaneira das von ihr blutgetränkte Untergewand, das Nessoshemd, durch einen Diener überbringen, der nicht ahnte, dass er seinem Herrn durch diesen Dienst schaden würde. Nachdem Herakles es übergeworfen hatte, befielen den Helden entsetzliche Schmerzen. Er versuchte, das Hemd abzulegen, doch es hatte sich fest mit seiner Haut verbunden, sodass er zugleich sein Fleisch mit abriss. Deïaneira tötete sich aus Verzweiflung. Um seinen unerträglichen Qualen ein Ende zu bereiten, schichtete Herakles auf dem Berg Oite einen Scheiterhaufen und lies sich darauf lebend verbrennen. Der Berg Oite war durch das Orakel von Delphi einst für das Ende des Herakles verkündet worden. Zudem traf die Prophezeiung ein, dass er durch jemanden sterben sollte, der selbst nicht mehr am Leben war. Doch wurde er aus den Flammen zum Olymp entrückt, dort erlangte er die Unsterblichkeit. Seine Qualen endlich begütigte Hera, und Herakles wurde mit ihrer Tochter Hebe, der Göttin der Jugend, vermählt.
Das Gemälde stellt wahrscheinlich das Gericht vor der Aufnahme in den Olymp dar. Justitia entscheidet zwischen dem im christlichen Denken schändlichen Selbstmord (oder den Frauengeschichten) und den Heldentaten des Herkules. Dabei verbiegen sich die Säulen der Rechts!
Apollon ist in der griechischen und römischen Mythologie der Gott des Lichtes, des Frühlings, der sittlichen Reinheit und Mässigung sowie der Weissagung und der Künste, insbesondere der Musik, der Dichtkunst und des Gesangs; ausserdem war er Gott der Heilkunst und Gott der Bogenschützen.
Er gehörte wie seine erstgeborene Zwillingsschwester Artemis (lateinisch Diana) zu den Olympischen Göttern, den zwölf Hauptgöttern des griechischen Pantheons. Das Heiligtum in Delphi, die bedeutendste Orakelstätte der Antike, war ihm geweiht.
Apollon war für die deutschn Altertumsforscher und viele deutsche Literaten zur Zeit der deutschen Romantik die ideale Verkörperung des männlichen Menschenbildes. Er wird oft mit einem Diskus in der Hand dargestellt.
Balder ist ein Gott in der germanischen Mythologie. Eine konkrete Funktion bei der rituellen Kultpraxis in den germanischen Religionen ist ungewiss und wird in der fachwissenschaftlichen Forschung kontrovers diskutiert. Doch er ist, wie Apollon, der Gott des Lichtes.
Weitere «moderne» Götter des griechischen Pantehons waren Hermes, Poseidon und Dionysos.
Die zwölf Götter des Olymp
Zeus, Gottvater und Herrscher über Blitz und Donner.
Hera, seine Gemahlin. Gebieterin über den Himmel und Schutzherrin der Ehe und der Frauen.
Pallas Athene, Kopfgeburt des Zeus, Göttin der Weisheit, der Künste und der gerechten Kriege.
Apollon, Gott des Lichtes und der Musik.
Artemis, Göttin der mondhellen Nächte, der Wälder und der Jagd.
Poseidon, Gott des Meeres.
Aphrodite, Göttin der Schönheit und der Liebe, geboren aus dem Schaum des Meeres (Ejakulat des Göttervaters).
Hephaistos, Gott des Feuers und der Schmiedekunst.
Demeter, Göttin des Ackerbaus.
Hermes, Gott des Handels und Bote des Zeus.
Ares, der Kriegsgott.
Hestia, die Göttin des Hauses und des nie verlöschenden Herdes.
Weitere wichtige Götter der griechischen Mythologie
Eros, der Gott der Liebe.
Selene, die Göttin des Mondes.
Gemälde von François Boucher, 1754
Hephaistos soll bei einem Streit von Zeus und Hera die Mutter unterstützt haben, worauf ihn der Vater am Fuss packte und vom Olymp herabwarf. Zur Versöhnung beschloss Zeus, ihm Aphrodite zur Frau zu geben. Doch Aphrodite betrog ihn unter anderem mit Ares. Hephaistos erfuhr davon und fertigte ein kunstvolles, unzerstörbares Netz, das er am ehelichen Bette befestigte. Als sich – so berichtet es Homer – Aphrodite und Ares in dem Bett vergnügten, wurden sie in diesem Netz gefangen, und Hephaistos rief die anderen Götter herbei, die bei dem Anblick in ein schallendes Gelächter ausbrachen, das sprichwörtliche «Homerische Gelächter». Daraufhin trennten sich Hephaistos und Aphrodite.
Pythia war die Bezeichnung für die amtierende weissagende Priesterin im Orakel von Delphi, die in veränderten Bewusstseinszuständen ihre Prophezeiungen verkündete. Sie sass im Adyton des Apollontempels auf einem Dreifuss über einem Erdspalt. Ein aus diesem Spalt austretendes Gas versetzte die Pythia in eine Art Trance. Die prophetische Gabe wurde ihr nach damaliger Vorstellung durch die Besessenheit von Gott Apollon verliehen.
Die Pythischen Spiele oder Pythien waren Wettkämpfe, die im antiken Delphi und der nahen Ebene von Krissa zu Ehren des Apollon gefeiert wurden. Sie gehörten zu den Panhellenischen Spielen. Dem Mythos zufolge, soll Apollon sie selbst nach Erlegung des Drachen Python eingesetzt haben. Kleinere Pythien wurden in vielen anderen Städten Kleinasiens und Griechenlands gefeiert.