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Die Zukunft der Natur, Teil 1

Das legalistische Weltbild: die Welt als Zwang

Der bürgerliche Glaube II

Die römische Nachwelt, das Mittelalter, endete, als das Wirr­warr der Völkerwanderung endlich verwunden war und der römische Geist eine neue Stätte gefunden hatte, eingefügt dem germanischen Geiste, der freilich diesen Einfluss noch nicht (und bis heute noch nicht!) fruchtbar im eignen Lebens­em­pfin­den verwerten konnte. Als an die Stelle der alten Welt endlich eine neue getreten: da waren die Lebensarbeit und ihre Be­din­gun­gen andre geworden, als tausend Jahre hindurch. Starke Gemeingebilde boten dem Einzelwillen genügenden Schutz und zugleich auch Spielraum und Lebensumriss.

Das geistige Schutzbedürfnis die Kirche trat in den Hin­ter­grund.

Ja, gegen ihre Lehre – die allen Eigenwillen und Ei­gen­sinn-Trieb unbedingt, unnachgiebig, als Anmassung, Em­pö­rung und sündig verdammte – musste das Denken der Neuzeit anstossen, das kräftige Lebensgefühl voll in Widerspruch zu allem geraten, was kirchenähnlich war. Der bare Gewinn, den die Glaubensherrschaft den Priestern brachte, ihr eignes, gar nicht höllenfürchtiges Leben, vermehrte begreiflicherweise die Schar der Gegner und Neider, und liess das neue Denken so weitesten Anklang finden, gab es meistens auch blosse Mit­läu­fer, die der neuen Bewegung wenig zum Segen gereichten.

Der Aufstand war allmählich vorbereitet; schon innerhalb der scholastischen Kirchenwissenschaft hatten sich gegen das aristotelische Denken die Nominalisten erhoben, die alle All­ge­mein­be­griffe nicht mehr denn als «Namen» und Worte gelten liessen und nur im Willen des Einzelnen wirkliches Leben er­kann­ten, das freilich dem biblischen Gotte blind unterworfen blieb. Es ist kein Zufall, dass beide bedeutendsten No­mi­na­lis­ten, Duns Scotus und Wilhelm von Ockham, aus England wa­ren, wo schon das weltliche Leben, zu starker Eigenform stre­bend, des Einzelnen Tüchtigkeit forderte, ohne ihn etwa des­halb zum Eigenherrn zu erklären; es war ein Gemeinleben, das sich der kirchlichen und feudalen Herrschaft langsam ent­wand, aber nur um als eigne Gemeinmacht Herr der Einzel­kräf­te zu bleiben. In eben dieser Linie liegt die spätere englische Philo­sophie.

Anders – als Anfang der späteren deutsch-romantischen Philosophie – und dennoch ebenfalls abseits der Kirche, ob­schon von Geistlichen (Heinrich Seuse, Johannes Tauler, Thomas von Kempen) wachgehalten, verläuft die Deutsche Mystik, die Frucht der deutschen Gemütsbeschaulichkeit. Stets widerstand sie dem Römischen Amtsgefüge. Sie wollte den unmittelbaren Zugang der Seele zu Gott – ohne knechtende Zwischenbehörden, und dennoch wirkte in ihr nicht die Sehn­sucht lebensgestaltender Willenskraft, son­dern das blosse Wün­schen und Sinnen schmelzender, spielender Willens­schwä­che. Obschon im Gegensatz zur Römischen Kirche, war ihr Lebenspunkt doch kein klarer, gestaltender Eigenwille, son­dern fügsamer Drang zum Allgemeinen, nicht scharf durch­dacht, son­dern dumpf und kraus gefühlt – eine Auflehnung zwar gegen Rom, doch keine befreiende wirkliche Neu­be­grün­dung des Lebens. Daher verlief auch die Lutherische Re­for­ma­tion, bei all ihrem unermesslichen weltgeschichtlichen Werte deut­scher Eigenbesinnung und mutiger Sprengung der starren Geistesfron, doch ungenügend: die Evangelische «Kirche» blieb im wesentlichen beim Weltbild der Römischen, beim Sinaiglauben christentümlicher Form, so dass man fragen könnte: gibt es «evangelische Protestanten?» … oder nur alt­tes­ta­mentarische Römlinge, die nichts von Selbst­ver­ant­wor­tung des Christenmenschen wissen, von froher Freiheit zu Gott.

«Reformation» ist noch zu leisten – die Lutherische war ein gewaltiger Vorfrühling der Geistesfreiheit: vorklaristisch, aber doch nur ein Anfang.

Darin teilte sie freilich das Schicksal der weltlichen Le­bens­bildungen, denn die Einzelgemeinden der freien Städte, in deren Aufblühen das Mittelalter zu Ende geht, verfielen der steigenden Staatsgewalt, dem Zuge zum Grossstaat. Das Rö­mi­sche Reich der Cäsaren endete zwar mit dem Ende der Kirchen­al­lein­macht, doch war es eigentlich nur ein Gerüst, das ver­schwand: dahinter erhob sich der Bau des modernen Staates; nicht bloss als Lebensgrundlage, auch als Lebensumriss erhielt sich somit das Allgemeingefüge, das Einzelwesen blieb hörig.

* * *

So ging auch aus all dem Streit zwischen Kirchenglaubenslehre und freier Geistes-Forschung unerschüttert, ja eher befestigt die Eingemeindung des Willens und Geistes hervor, war ihr Rechtsgrund auch nun nicht mehr der unsichtbare Alleingott, sondern die greif- und begreifbare All-Natur und ihr Vertreter, der Staat.

Indes die Mystik und Kabbalistik37 sich nun in Giordano Bruno, Jakob Böhme und Baruch Spinoza ausspricht, das ein­sam-persönliche Allempfinden von abseits schweifenden Geis­tern – geht das breitere, schulgerechte, amtliche Denken, geht die Scholastik in doppelter Linie weiter, die sich zuletzt in Kant vereinigt, als ihrer denkbar grössten Zusammenfassung.

Die eine Linie geht von Descartes zu Malebranche, Leibniz und Christian Wolff, die andre über Bacon, Locke und Hume.

Welche Unsicherheit sich des Geistes bemächtigt hatte, als sich mit dem römischen Kirchenglauben die Fesseln lockerten, die den Eigenwillen gebändigt – wie arg zerrüttet und steuerlos all das Empfinden der «Geistigen» war, bezeugt der Umstand, dass solch eine Selbstverständlichkeit wie der berühmte Satz des Descartes «Cogito ergo sum – ich denke und also bin ich», eine rettende Tat erschien; als ob er ein Kind gewesen, das erst im Spiegel sein eignes Dasein entdeckt. Das Neue war einzig, dass er es wagte ohne die ausdrückliche Kirchengenehmigung – sine licentia superiorum – zu denken. Inhaltlich war es für­wahr nicht ketzerisch, dass das Körperdasein vom Geiste ab­hin­ge, wie er lehrte. Vom Eigenwillen war ja durchaus keine Rede, denn nur ein Arbeitsgewerk, eine lebensbegabte «Ma­schi­ne» war der Leib, den Begriffen und Behörden unter­ge­ord­net. Das eigne, strebende Dasein der vielgestaltigen Welt war derart entwertet, das dürre Gefüge der Denk-Erlasse in derart gleichem Wert wie die lenkende Staatsgewalt, dass die offne Aufsicht der Kirche für Manche überflüssig geworden, zumal ein Kirchenfürst, Richelieu, dem neuen Gemeingefüge des Staa­tes den Geist – aber welchen Geist! verlieh. In seinem Sinne wirkte Descartes.

Richelieus Absolutismus und Descartes Denken bedeuten den Sieg der Scholastik, wie auch den Sieg des «Probabilis­mus» der Jesuiten, die in ausgesprochenster Weise mit blos­sem Wortgerede und Denkkniffen die Macht über alle kirchen- und beichtstuhlhörigen Seelen an sich zu reissen wuss­ten, um alle Nebenströme katholischen Fühlens, die mehr oder minder unklar auf Augustinus und Paulus zurückgingen, diese Urkeime der Ketzerei und Reformation, von allem Einfluss auf die Kir­che ausschliessen. In ihrem Ka­da­ver­ge­hor­sam, den sie im Gros­sen der ganzen Kirche, wie im Kleinen den einzelnen Gläu­bigen auferlegen wollten, zeigt sich eben die­selbe Ma­schi­ni­sie­rung, wie sie Descartes bekannte, als schärf­sten Ausdruck des Sinaiglaubens. Das sinaitische Le­bens­em­pfin­den freilich fand zur gleichen Zeit einen noch ver­tief­ten Gegenausdruck im «Pantheismus» Spinozas.

Die «neue» Philosophie bewegt sich also wesentlich in den Bahnen des Mittelalters, einfach weil ihrem Wesenszuge nach die ganze Philosophie ein Schoss aus der Wurzel des Massen­tums ist, einerlei, ob attischen, jüdischen, römischen oder ger­ma­ni­schen Ursprungs – sie ist im Tiefsten der Un­per­sön­lich­keit hörig, begrifflich verbrämte Willensschwäche, mag sie sich im­merhin gegen geltende Regeln erheben.

So ist auch Descartes in Wahrheit nur ein Mönch ohne Kutte.

Und Kirchenvaterglauben wandelt auf seiner Bahn, wenn gleich nach ihm Malebranche den kurzen, scheinbaren Stolz des Geistes wieder offen in Demut und Ohnmacht verwandelt. Nicht der Geist bestimmt, laut ihm, den Körper, sondern Gott bewirkt, dass der Körper sich bei Gelegenheit geistiger Re­gun­gen mitregt; der Mensch wird doppelnichtig, ein bloss be­seel­ter Leichnam, ganz im Sinne der jesuitisch-despotischen Le­bens­er­fassung, gegen die Pascal vergeblich zu Felde zog: lebte sie doch sogar in ihm!

Und folgerecht begreift dann Leibniz die Gottes­al­lein­macht aufs allerumfassendste. Wie Aristoteles ehemals den Geist des Grosshellenismus denkerisch zeigt, grade so spiegelt Leibniz getreu das Zeitgefüge Ludwigs XIV. Gott, der Schöpfer der besten aller möglichen Welten, hat den Doppelverlauf des Geschehens, den leiblichen, räumlich-bewegten und den see­lisch-bewussten, so von Urzeiten her in Einklang vor­her­be­stimmt, «harmonisch prästabiliert», dass jeweils immer von selbst die beiden Geschehenshälften eintreten, so als wenn sie durch gegenseitigen Einfluss entständen; in Wahrheit erdulde die Seele bloss eine Spiegelung. Das ist genau der All­machts­wille des Herrschers, der fernher durch Vorschriften bis ins Klein­ste das Einzelleben lenkt und so bewirkt, dass des Einen Tätigkeit sich mit denen der Andern in Einklang abwickle, ganz wie abgestimmte Gewerksteile; dennoch trifft in dem besten aller möglichen Staaten den Herrscher, der alles leitet und leistet, in der besten der möglichen Welten den Schöpfer, der alles hervorrief, ja keine Schuld für Missergebnisse – jedes Übel leugnet der Höfling.

So wenig wie die «Entelechieen» des Aristoteles, die Leistungs­a­to­me, bedeuten die «Monaden» des Leibniz, die Denkatome, ein eigenwertiges Dasein: durch sie hindurch, von ihnen un­be­ein­flusst, läuft das allgemeine Geschehen.

Das war im Bannkreis der grossen französischen Staats­macht; die anders geartete Staatsentwicklung in England bewirkte die englische Philosophie.

Hier war seit Langem des Einzelnen werbender Wille Ge­mein­wert und griff ins staatliche Leben gesetzgebend ein; doch ward er eben dadurch der Mehrheit der Andern hörig. Es gab verbindende Allgemeinbedingungen aller Tätigkeiten, doch die einzelne konnte als solche nach eignem Ermessen betrieben werden. Kein Wunder, dass den englischen Geist vor allem die Frage bewegte: wie im Erkenntnisleben die Grenze von all­ge­meinen, verbindlichen, «objektiven» Bestimmungen und den persönlichen, freibeliebigen, «subjektiven» Em­pfin­dun­gen, zu finden sei.

Gegen die Hohheitsrechte des Königs hatte das Volk sich die Macht des freien Erwerbes erkämpft; so konnte der eng­li­sche Geist gleichfalls keine Bevormundung durch Begriffe ertragen. Im tüchtigen Tagesarbeitsleben floss die englische Kraft, auf wirklichen Nutzen gestellt, mit nüchternem Blicke die Tatsachen wertend, dem «matter of fact» ergeben; so zog aus dem Tagesgeschehen, der Arbeitsschulung allein, der äussern Erfahrung der englische Geist die wertenden Urteile. Diesen Sinnes begründet Bacon die neue Naturerforschung, den suchenden Überblick über die Kräfte und Stoffe des Ar­beits­gebietes im Inland und über See.

Erfahrung ist auch für Locke das Massgebende, doch sein besonderer Kampf richtet sich gegen die «angebornen» Be­grif­fe, gegen ein «erbliches Oberhaus der Gedanken»: nur alle Mass- und Vergleichswerte des Denkens lässt er als gültig be­ste­hen, die Sinnesempfindungen aber erklärt er für un­zu­stän­dig für das Persönliche. Zwischen den abgelehnten angebornen Urteilen und den abgelehnten Eigenempfindungen steht als allein rechtskräftig nur die zwar selbsterworbene, jedoch dem allgemeinen Austausch und Zwischenverkehr entsprechende Einsicht, die kluge Erfahrung des Einzelnen, dass – die Mehr­heit im Recht ist. Deutlich erkennt man in Locke’s Ge­dan­ken der Zustand des eingemeindeten Willens, dem ein tüch­ti­ger Wirtschaftserwerb als Gebiet des Wirkens zugewiesen wird.

Und keine Abkehr davon war Hume’s Bedenken, aus blos­ser Erfahrung Weltgesetze zu folgern. Er kämpfte gar nicht gegen den Wert der Erfahrung, sondern nur gegen ihre über­schwäng­li­che Ausdehnung; sie sollte bloss auf das tätige All­tags­streben beschränkt sein. In seinen Zweifeln stand er immer noch fest auf dem Willensboden der Erdenarbeit, die ihm ge­nüg­te, und ihrethalben wollte er nicht zugunsten allzu starrer Allgemeinheit, auf die ungehemmte Bewegung des Einzel­er­le­bens verzichten, so wenig wie es für ihn höhere Ziele über dem Erden­kreis­lauf gibt; in diesem Sinne hatte es der rein ge­dank­liche «utopistische Sozialismus» in England schwer gegen die prak­ti­sche Arbeitsmacht der «Trade Unions» (Ge­werk­schaf­ten), die dem Willen des englischen Arbeiters eben genügen.

Gegen solche Selbstbeschränkung wandte sich Kant.

In Kants Empfinden hatte sich das bereits vollzogen, wo­hin die Gemeinentwicklung heute erst steuert. Drohend nah ist sie bereits gekommen, die unbedingte, rastlose Ein­ge­mein­dung des Eigenwillens, zum höchsten Weltziel erhoben; im prak­tisch-staatlichen ist das der Sozialismus. Kant war die Sin­neswirklichkeit nur ein zuchtloses Wirrwarr von Schein­wer­ten, die allein durch dreifache Regelung wahrhaftes Dasein zu ech­tem Gemein­sein werden:

1. durch Raum und Zeit zu gegenseitiger Abhängigkeit («Succession») in gemeinsamer Abhängigkeit («Co­exis­tenz») ineinandergefügt;

2. vom Verstand in zwölferlei Art (mittels der «Ka­te­go­rieen») in Gesetzen geordnet und eingedämmt;

3.durch Vernunft zur widerspruchslosen («autonomen») Einschränkung des Einzelwillens auf solche Leistung verpflichtet, welche die allgemeine bedingungslose («ka­te­go­ri­sche») Gleichheit des Lebenstandes gewährleisten.

In solcher Hörigkeit hatte Kant seinen Lebensgrund, und über­flüssig war ihm die weitere Welterfassung von Gott, Mensch und Natur; diesen Lebensgrund aber konnte er nimmer sich entsagen, zu dieser Einsicht «weckte» ihn, wie er gestand, was Hume wider die unbedingte Gesetzmässigkeit sagte. Sein un­be­dingtes Gemeingefühl wies ihm den Weg zur Rettung dieses Gesetzesstandes; er drehte den Spiess um, bestritt das ge­fähr­li­che Eigenrecht der Erfahrung im üblichen Sinne, nannte Er­fah­rung hinfort nur das, was der hörigkeitsüchtige Wille, Vernunft genannt, dem Verstande vorschrieb und im Aussenleben der tä­ti­gen Sinnendinge gelten liess. So ward die Sittenfron durch scheinbar zwingende Urformen des Geistes, in Wirklichkeit nur durch Empfindungsformeln persönlicher Un­per­sön­lich­keit, fes­ter als je begründet.38

In umfassender Weise bot Kant gerade das, worauf seine Zeit im Äusseren hinstrebte. Grade wie er von der Freiheit des Willens sprach und doch nur die Loslösung von jedem Eigen­ge­fühl meinte, die allgemeine Gesetzesbestimmung als Retterin anpreisend. – Genau so rief das französische Volk die Arbeits­wün­sche Europas als Freiheit aus, stürzte die (freilich miss­brauch­te) Eigengewalt der Fürsten, erstrebte als «Fortschritt» die Gleichheit der Eingemeindung. Das Ziel des Gemeingeistes hat Kant in unzweideutigster Weise abgesteckt; die «Denk­not­wen­dig­kei­ten» jedoch, auf die er aus seinem Empfinden das Allgemeingebäude der Willensenteignung stellte, werden erst dann zur all-gültigen Wahrheit werden, wenn das Leben in Grossgewerbe und Grossgewerke schlussendlich die Einzel­willen völlig verschmolzen hat, ineinander gefügt zur Gleich­leis­tung Aller als lauter Arbeitsbeamten.

* * *

Freilich: zunächst mehrte der Fall der alten Zustände den äus­seren Lebensgrad. Eroberungen, Erfindungen, Ent­deck­ungen steigerten mächtig alle Antriebe, Arbeit und Verkehr; und gegen einander gewandte Gruppen zerklüfteten tief das staat­lich-erwerbliche Leben. Und dennoch treiben wir un­auf­halt­sam hin zum allumfassenden Einheitsgefüge der baren Ar­beits­fron, hin zur all-irdischen Arbeitseinheit durch Arbeitsteilung und Wirtschaftswettbewerb.39

So folgte im Geistigen –, kaum dass Kant die alten Welt­er­fas­sungen alle beseitigte, nur die Hörigkeit als die Wahrheit genehmigend – nun erst recht ein Wirrwarr von Schauungen, eigenpersönlich von Denker zu Denker, die dennoch das eine Ziel der Eingemeindung vor Augen haben.

Zwar redet Fichte vom «Ich», doch meint er einzig ein All-Ich; die einzige Wirklichkeit ist die «sittliche» Weltordnung, die sinnlich wirkliche Welt in ihren bunten Gestaltungen ist nur ein Schein, eine blosse Gelegenheit, um in Einzelwesen den Einzelwillen erst recht zu wecken und dann, ihn erkennend, zu löschen. Es ist genau die Fortschrittsrede unsrer Gesittung, die zwar an den Arbeitswillen tüchtiger Menschen die höchsten Ansprüche stellt, doch von vorne herein die Eingemeindung zur Vorschrift macht, freilich auch ohne Vorschriften bloss durch die Macht der Massenwirtschaft, des Mas­sen­ar­beits­ge­fü­ges den Einzelnen einfach beugen würde. Die Auf­ruf­reden Fich­tes zur Schaffung der Deutschen Nation sind im Deutschen Han­dels- und Arbeitsreich auf dem besten Weg zur Zukunfts­ver­wirk­lich­ung und die Frucht der Befreiungskriege, die Fichte mit seinen Worten geistig so mächtig vorbereitete, wird der massengeistige Arbeiterstaat werden, wo Fichtes Wünsche in Erfüllung gehen können.

Das deutsche Volk, zertrümmert, sah sich vor neuer Da­seins­aufgabe – weg von alter Grundlage drängten es bittere Nöte. Was der deutsche Wille im staatlichen Leben bisher bejahte, musste er nun verneinen, um wieder er selbst und leistungsfähig zu werden. Einstens erleuchtete grade das Jam­mergeschick seines Vaterlandes den Geist des Jesaja, dem An­schein zum Trotz, seines untergegangenen Volkes Gott als Oberherren der Welt zu schauen; genau so weckte der Un­ter­gang Deutschlands als Gegenkraft in den Tagen von Jena den deutschen Entwicklungsgedanken. Hegels «Selbstbewegung des Geistes» lehrte, dass der Geist in dreifacher Stufe sich und die Zustände fortbilde, in Setzung des Ausgangzustandes (The­sis), die drauf zur Widersetzung der Gegenkräfte (Antithesis) führe und endlich im Ausgleich (Synthesis) den neuen Zustand gewinne: hier war dem Werdewillen des deut­schen Volkes das Weltbild, sein eignes Schicksalsbild gewiesen. Aus dieser Trieb­gleichheit erklärt sich der ungeheure Erfolg Hegels, des­sen Gedanken den beiden Geistesgründen des Deutschen in gleichem Masse entsprach: Peinlichkeit und Ge­dan­kenschwung – und den beiden Willensgründen des Deut­schen die all sein Gemeinleben durchsetzen, entgegenkam: es sind behördliche Starrheit und Einzelfreiheit. Es war das Bild der staatlichen Zustände: behördliche Hemmung gärender Freiheitswünsche – was Hegel geistig entwickelte. Scheinbar (und anfangs wirk­lich) leistete er damit dem Rückschritte Vor­schub, doch trieb seine Denkweise mehr noch zu schroffer, zer­setzender Leug­nung des Alten durch Junghegelianer wie Bauer und Strauss. Geistestrieb und Leistungsbetrieb vereinten sich schliesslich im wichtigsten Erben des hegelschen Geistes, in Karl Marx, und in seiner Stützung der Sozialdemokratie, der durch «Frei­heit» des Einzelnen zu schaffenden Allfron.

Der Dreischritt des hegelschen Denkvorganges waltete wirklich im Wirtschaftlich-Staatlichen: Zwang des Alten, Befreiungsstreben des Neuen und Jungen, erneute Alterung mittels zwingender Eingemeindung – Behörde, Einzelwille, Gemeinstaat – Zunftstarrheit, Gewerbefreiheit, Arbeitsfron – Fürstenmacht, Einzelvermögen, Gemeinbesitz. So treiben die Kettenschlüsse der hegelschen Geistesbegriffe, die Arbeits­for­men der Hungerfron, hin zur künftigen Einheit des deut­schen Volkes im Kaiserreich.

In Frankreich zeigt sich in Comte’s Positivismus, in Eng­land in Spencer die gleiche, nur volksgeschichtlich ab­ge­wan­delte Welterfassung auf Grund der alles­um­schlin­gen­den Arbeitsentwicklung, die von Grund aus den Willen bestimmt und so die geistigen Werte prägt.

* * *

Die wesentlich gleiche Entwicklungsrichtung waltet im grossen Denkstrom, der neben dem mehr verstandesmässig be­grün­de­ten, zustimmend-zufriednen Weltbild scholastischer Linie ein­her­geht, und eher ein leidend-gefühlhaft getragnes Ein­heits­be­stre­ben ausspricht. Doch grade dadurch gelangte er zu tieferem Einfluss im Sinnen und Werten derer, die statt der kirchlich und staatlich eforderten Willensbeugung lieber die un­mit­tel­bar-naturhafte Wesensenteignung vorziehen, ohne zu sehn, dass sie grade das begehren, was die verhasste amtliche Kirche fordert.

So kommt es, dass grade, nachdem von Kant die Welt­er­fas­sung, ausser in ganz bewusstem und dennoch blindem Gehorsam, für ganz unmöglich erklärt worden war, die ro­man­ti­sche Strömung der Stürmer und Dränger (Jacobi, Schelling, Schleiermacher) drei frühere Geister zur Wirkung brachte: Spinoza, Böhme und Giordano Bruno. Die innere Wesenheit und Willenseinstellung dieser drei ist un­ver­kenn­bar tiefstens verwandt, redet Bruno, der deutsche Lands­knechtssohn,40 auch mehr germanisch-dichterisch von der allesdurchwebenden Gott-Natur, Böhme dagegen sprunghaft-ungeklärt von der all­zerspaltenden, schaffend-zerstörenden Doppeleinheit des selbst­verneinenden Gottes, Spinoza endlich jüdisch-so­phis­tisch von allumfassender, räumlich geistiger Doppeleigenschaft des Unendlichkeitsgottes.

Ihnen allen drei ist die unaufhaltbare Einheitsquelle alles Geschehens das Allgemein-Unendliche, dessen vorübergehende Scheinbetätigung bloss als Einzelwesen erscheint. In Bruno ist es die Auflehnung des nordisch-deutschen Natursinns gegen den römisch-biblischen Urkundenzwang, sowie gegen die helle Formenbestimmtheit des Südens – es ist durch Formenmangel vertiefter Enteignungswille gegenüber dem blossen Formel­ge­hor­sam. Spinoza zog nur die bare Folge aus seinem ras­sis­ti­schen Lebensempfinden, das jedes Einzelstreben von vorne he­rein in die werbende Stammesmacht einfügt; so setzte er seine eigne, gefühlte Willenshörigkeit in Wesensalleinheit des Schöpfergottes um, der fortab nicht mehr Schöpfer des Seins, sondern ewiger All-Inhalt des Daseins ist; dieser Glaube geht über Jesaja weg und zieht durch Übererhöhung des Wesens Gottes diesen wieder und stärker als je in den Erdenwirrwarr hinab. So gab er den Wesensabriss seiner Rasse auf und fand den persönlichen Mut, gegen die geltende, ihm noch allzu­per­sonenhafte Gottesverehrung aufzutreten. Und Böhme, viel­leicht vom Gegensatz seines freien Geistes und hörigen Leibes bewegt, sah die Gegensatzfülle des Daseins als ein­heits­glei­che Doppeleigenschaft Gottes, auf diese Weise den Eigen­wi­der­streit beseitigend und alles in Gott enteignend.

Und diese drei gewinnen im deutschen Einheitsjahrhun­dert die Macht des Gefühls, erwecken im jungen Goethe, der sich noch selber fremd,40a in Schelling und Schopenhauer, Fechner und Hartmann das gleiche starke Empfinden der Da­seins­einheit in all der Da­seins­zerspaltung – wesensverwandt dem Einheitsdrange der gleichhungernden Arbeitsmenschen, die blind hinaus aus zwingenden Hungerkämpfen zum all­ver­pfle­gen­den Massengefüge streben. Es ist der hungerleitende Wille, der nur in Arbeitsgemeinschaft sich des Brotes ver­si­chert hält, also zur (volkshaft bedingten, aber als «unbedingt» empfundenen) Allgemeinheit gerichtet ist, bereit zur Ent­eig­nung. Aus dieser Wurzel stammen die philosophischen Denk­be­wegungen, seit der Zeit, da das Bürgerleben die Führung gewann. Von Zeno dem Eleaten und Platon, bis Bruno, Spi­no­za und Schelling, und – fern im Osten – Laotse, predigt der Allgottglaube die Wesensnichtigkeit alles Einzelnen; – von Aristoteles bis zu Kant, Fichte und Hegel fordert die Kir­chen­staats­lehre die Willensnichtigkeit des Einzelnen – fordern pre­di­gend Buddha, Schopenhauer und die ganze vor­kla­ris­tische Theo­so­phie die Wesensaufhebung durch Wil­lens­aufhebung.

Dass gerade diese Willensaufhebung solchen Umfang ge­winnt, in indischem, orientalischem, ariogermanischem Ok­kul­tis­mus, beweist, wie ermüdet und geistig verworren durch Hun­ger­fron die Menschheit geworden ist, wie zweck- und sinn­los, blosser schmerzhafter Schein, ihr Dasein ist. Aus herri­schem Götterwirrwarr strebte der Glaube hinaus und geriet durch Willensenteignung zur Glaubenswirrnis, die heute Euro­pa umnachtet. Inder, Jude, Germane erleben im Fron­ver­laufe der Hungerarbeitsgemeinschaft denselben Zustand –, den Selbstverzicht auf den unverwendbaren, hem­mungs­ge­quäl­ten Eigenwillen. Und diese Willenserschöpfung bedingt die Zwangs­formen des heutigen Geistes, die Grundlinien der heutigen Welterfassung, die trotz der angestrebten «Hu­ma­ni­tät» noch nicht die Wesenspunkte des Menschenwillens be­grif­fen hat, von denen zu zeugen nun der Klarismus gekommen ist.

Dieser innern Belastung durch Massendruck, diesem in­ne­ren Selbstverzicht ist auch die Schuld zu geben, dass die Frei­mau­rerei, in der so viele der edelsten Strebungen tätig zu­sam­men­flos­sen,41 dennoch nicht die geistige Klärung derart ge­för­dert hat, wie es gewiss im Wunsche und der Sinnesart so vieler tüchtigster Männer liegen musste, die wohl geeignet gewesen wären, ein geistiges Oberhaus der Menschheit zu bilden. Si­cher­lich ist von ihnen im Stillen viel geistiger Segen ins öffent­liche Leben geflossen; aber als Ganzes hat die Freimaurerei die schlimmsten Geistesschranken des Hungerwahnes weder ge­setz­lich noch sittlich beseitigen können. So wundervoll der Gedanke des stillen Zusammenschlusses reifer Willen war, die über Wortgezänke hinweg, in Duldung aller ehrlichen Mei­nun­gen doch gemeinsam wirken sollten – so war er doch ver­früht, ehe nicht tiefe Klarheit erreicht war. Die zugestandene Gleich­berechtigung jeder Ansicht musste ein kräftiges Wirken ver­hin­dern, sobald es um Wesensfragen der Lebensgestaltung ging; manchem der Freimaurer müsste die eine Antwort und Lösung so heilig sein, wie andern seiner Genossen gefährlich und wid­rig erscheinen. Duldung der Gegenansicht ist freilich im viel­zer­klüf­te­ten Leben am Platz, jedoch eine Wirkgenossenschaft muss eine Willensgenossenschaft sein, in Wesenspunkt eniger Mei­nung; sonst wird die Duldung zur Schwäche und hilft den rohen Mächten ihre Gewaltordnung aufrechterhalten. Daher muss­te die Freimaurerei zu blossem «Humanitäts»-Gerede entarten und für die Meisten bloss zur weitgespannten Ge­schäfts­verbindung werden. Aus einem gedachten Geistesadel wur­de ein hungerpflichtiger Stellenvermittlungsbund.

Der bürgerliche Glaube III

Die Irrgänge des Geistes

Thomas von Kempen

Im 14. Jahrhundert gab es im süddeutschen Raum eine Reihe von Reformatoren in der katholischen Kirche, welche sich für mehr Spritualität einsetzen, aber auch für weniger Macht der Kirchenfürsten.

Johannes Tauler betont den Unterschied zwischen «Les(e)meistern», gelehrten Theologen, die viel wissen, aber es kaum praktisch umsetzen, und «Leb(e)meistern», die selbst beispielhaft leben. Sein Urteil über die Lese­meister fällt sehr ungünstig aus.

Andere Reformatoren sind Thomas von Kempen, Heinrich Seuse und Meister Eckhart. Übersicht über die Reformbewegungen in der Kirche vor Martin Luther.

René Descartes,
Gemälde von Frans Hals, 1648, Musée du Louvre, Paris
Baruch de Spinoza,
Gemälde von Franz Wulfhagen, 1664

Descartes gilt als der Begründer des modernen frühneuzeitlichen Rationalismus, den Baruch de Spinoza, Nicolas Malebranche, Christian Wolff und Gottfried Wilhelm Leibniz kritisch-konstruktiv weitergeführt haben. Von ihm stammt das berühmte Dictum «cogito ergo sum», welches die Grundlage seiner Metaphysik bildet, aber auch das Selbstbewusstsein als genuin philosophisches Thema eingeführt hat. Seine Auffassung bezüglich der Existenz zweier miteinander wechselwirkender, voneinander verschiedener «Sub­stan­zen» – Geist und Materie.

Baruch de Spinoza war ein niederländischer Philo­soph und Sohn portugiesischer Immigranten sephar­di­scher Herkunft. Er gilt als einer der Begründer der modernen Bibel- und Religionskritik.

Kardinal Richelieu, war von 1624 bis zu seinem Tod unter König Ludwig XIII. als Erster Minister die bestimmende politische Figur in der französischen Politik. Sein wesentliches innenpolitische Ziel war die Stärkung der königlichen Zentralmacht, der Absolutismus. Dazu bekämpfte er die Sonderrechte der französischen Protestanten Hugenotten. Er beliess ihnen 1629 im Gnadenedikt von Alès zwar ihre Religionsfreiheit, nahm ihnen jedoch ihre militärischen Sicherheitsplätze, wodurch die Hugenotten als politischer Machtfaktor ausgeschaltet wurden. Im Dreissigjährigen Krieg ging Richelieu ein Bündnis mit dem protestantischen Schweden ein, um die (katholische) habsburgische Vormachtstellung in Europa zu brechen.

Nicolas de Malebranche

Nicolas de Malebranche vertrat den Standpunkt, es gebe zwischen Leib und Seele ebenso wenig eine kausale Wechselwirkung wie zwischen bloss leiblichen oder bloss seelischen Phänomenen. Er versuchte so, den Dualismus von Leib und Seele als ein von Gott geleitetes Neben­ei­nan­der zu erklären, das keine kausale Verbindung auf­weist. Sämtliche Wechselwirkungen würden vielmehr durch die übernatürliche Beihilfe Gottes hervorgerufen.

Platon und Augustinus folgend erklärte Male­bran­che die Erkenntnis der Wahrheit, Wahrnehmungen und Vorstellungen durch die Teilhabe des menschlichen Geistes an den göttlichen Ideen, nach denen Gott alles geschaffen habe. Nur über diese Ideen sind demnach Erkenntnis, Sinneswahrnehmung und Denken möglich.

Blaise Pascal war ein französischer Mathematiker, Physiker, Literat und christlicher Philosoph. Während der Epoche, die bereits klar auf der Trennung von Glauben und Wissen bestand, vertrat Pascal in seinem Leben und Werk das Prinzip der Einheit allen Seins. Für ihn bedeutete die Beschäftigung sowohl mit naturwissenschaftlichen Problemen, als auch mit philosophischen und theo­lo­gi­schen Fragen, keinerlei Widerspruch, das Zusammenspiel von Verstand und Herz war für ihn die Grundlage mensch­lichen Erkennens.

Bis heute gilt Pascal als wortgewaltiger Verteidiger des Christentums und Verfechter einer tiefen christlichen Ethik. Kritiker des Christentums wie Voltaire haben ihn daher früh als hochrangigen Gegner attackiert.

Francis Bacon, Lord Keeper and afterwards Lord Cancellor of England, Gemälde von Paul van Somer I, 1617, Łazienki Palace, Warschau

Francis Bacon war ein englischer Philosoph, Jurist, Staatsmann und gilt als Wegbereiter des Empirismus. Als Parlamentarier und Staatsmann hatte er sich immer wieder schriftlich an den Hof gewandt. 1597 erannte ihn Königin Elisabeth I. zum Kronanwalt (Queen’s Counsel). Ihr Nachfolger König James I. erannte ihn 1613 zum Generalstaatsanwalt (Lord Cancellor). Bacons öffentliche Karriere endete 1621 in Schande. Politische Gegener beschuldigten ihn der Korruption. Er wurde angeklagt, verurteilt und in den Tower ge­bracht. Der König begnadete ihn umgehend und Bacon zog sich auf seinen Familiensitz zurück, wo er sich philo­so­phisch-schriftstellerisch betätigte.

Als überzeugter Gegner spitzfindiger Diskussionen, die keine neuen Erkenntnisse bringen, setzt er auf ein­ge­hen­de Naturbeobachtung und das Experiment – Empirie also. Nicht mysteriöse gestaltende Wesen dürfen nach seiner Auffassung als Erklärungsgrund physikalischer Vorgänge angenommen werden, sondern nur Naturgesetze, die wiederum durch Beobachtung und induktive Schluss­fol­ge­run­gen gefunden werden können. Dabei dürfen nie Endursachen als Erklärungsgründe mit untergeschoben werden. Wissenschaftlich brauchbare Beobachtungen müssen für ihn wiederholbar sein.

Die englisch-schottischen Vordenker der Aufklärung John Locke und David Hume.

Immanuel Kant, 1791, Gemälde von Gottlieb Döbler, Ostpreussisches Landesmuseum, Lüneburg

Immanuel Kant, 1724–1804, war ein deutscher Philo­soph der Aufklärung. Kant zählt zu den be­deu­tends­ten Vertretern der abendländischen Philosophie. Sein Werk Kritik der reinen Vernunft kennzeichnet einen Wendepunkt in der Philosophiegeschichte und den Beginn der modernen Philosophie.

Kant schuf eine neue, umfassende Perspektive in der Philosophie, welche die Diskussion bis ins 21. Jahrhundert massgeblich beeinflusst. Dazu gehört nicht nur sein Einfluss auf die Erkenntnistheorie mit der Kritik der reinen Vernunft, sondern auch auf die Ethik mit der Kritik der praktischen Vernunft und die Ästhetik mit der Kritik der Urteilskraft. Zudem verfasste Kant bedeutende Schriften zur Religions-, Rechts- und Geschichtsphilosophie sowie Beiträge zur Astronomie und den Geowissenschaften.

Johann Gottlieb Fichte

Johann Gottlieb Fichte war ein deutscher Erzieher und Philosoph. Kant inspirierte ihn zu seiner am Begriff des Ich ausgerichteten Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre. Fichte sah eine rigorose und systematische Einteilung zwischen den «Dingen, wie sie sind» und «wie die Dinge erscheinen» als eine Einladung zum Skeptizismus, den er verwarf. Seine Schrift «Versuch einer Critik aller Offenbarung» wurde anonym ver­öf­fent­licht. Das Buch galt zunächst als ein lange erwartetes religionsphilosophisches Werk von Kant. Als dieser den Irrtum klarstellte, war Fichte berühmt und erhielt einen Lehrstuhl für Philosophie an der Universität Jena. Wäh­rend seiner Jenaer Professur wurde er zur Zielscheibe im so genannten Atheismusstreit.

Hatte sich Fichte zuvor als Anhänger der Französischen Revolution bezeichnet, so profilierte er sich nun ins­be­son­dere durch die flammend patriotischen Reden an die deutsche Nation als Gegner Napoleons. Ein utopisches Gesellschaftsmodell – eine Art sozialistische Gesellschaft auf nationalstaatlicher Grundlage findet sich in dem Werk «Der geschlossene Handelsstaat». Die Bücher Fichtes werden heute wieder neu aufgelegt.

Georg Friedrich Wilhelm Hegel, Gemälde von Jakob Schlesinger, 1831, Alte Nationalgalerie, Berlin

Georg Wilhelm Friedrich Hegel war ein deutscher Philosoph, der als wichtigster Vertreter des deut­schen Idealismus gilt. Hegels Philosophie erhebt den Anspruch, die gesamte Wirklichkeit in der Vielfalt ihrer Erscheinungsformen einschliesslich ihrer geschichtlichen Entwicklung zusammenhängend, systematisch und definitiv zu deuten. Sein philosophisches Werk zählt zu den wirkmächtigsten Werken der neueren Philo­so­phie­ge­schich­te. Es gliedert sich in «Logik», «Naturphilosophie» und «Philosophie des Geistes». Sein Denken wurde aus­ser­dem zum Ausgangspunkt zahlreicher anderer Strö­mun­gen in Wissenschaftstheorie, Soziologie, Historie, Theo­lo­gie, Politik, Jurisprudenz und Kunsttheorie und prägte weitere Bereiche des Kultur- und des Geistes­lebens.

Nach Hegels Tod kam es zu einer Aufspaltung seiner An­hän­ger in eine «rechte» und eine «linke» Gruppierung. Die Rechts- oder Althegelianer verfolgten einen kon­ser­va­ti­ven Interpretationsansatz im Sinne eines «preus­si­schen Staatsphilosophen», während die Links- oder Junghegelianer wie Bruno Bauer oder David Friedrich Strauss einen progressiven gesell­schafts­kri­ti­schen Ansatz aus der Philosophie Hegels ableiteten und weiterentwickelten. Insbesondere Karl Marx wurde durch Hegels Philosophie geprägt.

Friedrich Willhelm Schelling,
Gemälde von Joseph Karl Stieler, 1835,
Neue Pinakothek, München

Friedrich Wilhelm Schelling war ein deutscher Philosoph, Anthropologe, Theoretiker der sogenannten Romantischen Medizin und einer der Haupt­ver­tre­ter des Deutschen Idealismus. Schelling war der Hauptbegründer der spekulativen Natur­philo­so­phie, die von etwa 1800 bis 1830 in Deutschland fast alle Gebiete der damaligen Naturwissenschaften prägte. Seine Philo­sophie des Unbewussten hatte Einfluss auf die Aus­bildung der Psychoanalyse.

Im Alter von 23 Jahren reiste Schelling zum Studium der dortigen Kunstsammlung nach Dresden. Hier kam es zum ersten Kontakt mit dem Kreis der Frühromantiker, unter anderen mit Friedrich Schleiermacher.

 

Als Jacobi die Werke Spinozas eingehend studierte, fühlte er sich von dessen streng rationalistischem Ansatz abgestossen. Er kam zum Ergebnis, dass die Philosophie, wenn sie mit endlichem Verstand Unendliches erfassen wolle, das Göttliche zu einem Endlichen herabsetzen müsse; in diesen Fehler verfalle alle Philosophie, sobald sie versuche, das Unendliche zu begreifen oder gar zu beweisen. Daher sei Philosophie nicht im Stande, das Dasein Gottes zu beweisen und müsse unvermeidlich zu Mechanismus, Fatalismus und Atheismus führen wie bei Spinoza. Dies führte er im Einzelnen aus in einem ausgedehnten Briefwechsel mit Moses Mendels­sohn. Über diese Korrespondenz berichtete Jacobi in einer anonymen Veröffentlichung unter dem Titel «Über die Lehre des Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn». Die Schrift führte zum sogenannten Spinoza- oder Pantheismusstreit, an dem sich alle bedeutenden Geister der Zeit beteiligten: Goethe, Herder, Kant, Lessing, Schelling, Schleiermacher; sie wurde damit der Anstoss für die «Spinoza-Renaissance». Mit dieser Rückbesinnung auf eine ältere atheistische Denkrichtung wurden auch die Schriften von Jakob Böhme und Giordano Bruno wieder aktuell.

Sturm und Drang bezeichnet eine Strömung der deutschen Literatur in der Epoche der Aufklärung, die etwa von 1765 bis 1785 hauptsächlich von jungen, etwa 20- bis 30-jährigen Autoren getragen wurde, darunter Goethe und Schiller.

 

Gustav Theodor Fechner sieht man als Begründer der Psychophysik. Er vertrat in späten Jahren eine Theorie von der Allbeseelung des Universums und ist somit einer der wichtigsten Vertreter einer pan­psychis­tischen Weltanschauung.

Eduard von Hartmann versuchte in seinem Werk «Philosophie des Unbewussten» zwei verschiedene Denkweisen (Rationalismus und Irrationalismus) zusammenzuführen, indem er die zentrale Rolle des Unbewussten betonte.

Arthur Schopenhauer entwarf eine Lehre, die gleichermassen Erkenntnistheorie, Metaphysik, Ästhetik und Ethik umfasst. Er sah sich selbst als Schüler und Vollender Immanuel Kants, dessen Philosophie er als Vorbereitung seiner eigenen Lehre auffasste. Weitere Anregungen bezog er aus der Ideenlehre Platons und aus Vorstellungen östlicher Philosophien. Innerhalb der Philosophie des 19. Jahrhunderts entwickelte er eine eigene Position des Subjektiven Idealismus und vertrat als einer der ersten Philosophen im deutschsprachigen Raum die Überzeugung, dass der Welt ein irrationales Prinzip zugrunde liege.