Die Freundschaft
Freund! genügsam ist der Wesenlenker –
Schämen sich kleinmeisterische Denker,
Die so ängstlich nach Gesetzen spähn –
Geisterreich und Körperweltgewühle
Wälzet eines Rades Schwung zum Ziele,
Hier sah es mein Newton gehn.
Sphären lehrt es, Sklaven eines Zaumes,
Um das Herz des grossen Weltenraumes
Labyrinthenbahnen ziehn –
Geister in umarmenden Systemen
Nach der grossen Geistersonne strömen,
Wie zum Meere Bäche fliehn.
Wars nicht dies allmächtige Getriebe,
Das zum ewgen Jubelbund der Liebe
Unsre Herzen aneinander zwang?
Raphael, an deinem Arm – o Wonne!
Wag auch ich zur grossen Geistersonne
Freudigmutig den Vollendungsgang.
Glücklich! glücklich! Dich hab ich gefunden,
Hab aus Millionen dich umwunden,
Und aus Millionen mein bist du –
Lass das Chaos diese Welt umrütteln,
Durcheinander die Atomen schütteln:
Ewig fliehn sich unsre Herzen zu.
Muss ich nicht aus deinen Flammenaugen
Meiner Wollust Widerstrahlen saugen?
Nur in dir bestaun ich mich –
Schöner malt sich mir die schöne Erde,
Heller spiegelt in des Freunds Gebärde,
Reizender der Himmel sich.
Schwermut wirft die bange Tränenlasten,
Süsser von des Leidens Sturm zu rasten,
In der Liebe Busen ab; –
Sucht nicht selbst das folternde Entzücken
In des Freunds beredten Strahlenblicken
Ungeduldig ein wollüstges Grab? –
Stünd im All der Schöpfung ich alleine,
Seelen träumt‘ ich in die Felsensteine
Und umarmend küsst‘ ich sie –
Meine Klagen stöhnt‘ ich in die Lüfte,
Freute mich, antworteten die Klüfte,
Tor genug! der süssen Sympathie.
Tote Gruppen sind wir – wenn wir hassen,
Götter – wenn wir liebend uns umfassen!
Lechzen nach dem süssen Fesselzwang –
Aufwärts durch die tausendfache Stufen
Zahlenloser Geister, die nicht schufen,
Waltet göttlich dieser Drang.
Arm in Arme, höher stets und höher,
Vom Mongolen bis zum griechschen Seher,
Der sich an den letzten Seraph reiht,
Wallen wir, einmütgen Ringeltanzes,
Bis sich dort im Meer des ewgen Glanzes
Sterbend untertauchen Mass und Zeit. –
Freundlos war der grosse Weltenmeister,
Fühlte Mangel – darum schuf er Geister,
Selge Spiegel seiner Seligkeit! –
Fand das höchste Wesen schon kein gleiches,
Aus dem Kelch des ganzen Seelenreiches
Schäumt ihm – die Unendlichkeit.
Friedrich von Schiller, aus dem Briefen Julius’ an Raphael, einem Romanfragment