Zukunft der Natur, Teil IV
Volk und Persönlichkeit
Im Namen und Geist von Elisarion,
dessen Klare Kunde, wie nie zuvor,
die wahre Würde Gottes und der Seelen bekannte,
widme ich dieses Buch
den zukünftigen Führern einer,
in wahrer Gerechtigkeit und wahrer Menschlichkeit
zur Freiheit reifenden,
vielfältig geeinten Menschheit.
Vorwort
Vor nahezu 30 Jahren, kurz vor dem ersten Weltkriege – oder der ersten Hälfte des Weltkrieges – schloss ich meine dreiteilige «Zukunft der Natur» (Die Irrgänge des Geistes – Die Verjüngung des Lebens – Die befreite Menschheit) mit einer Idealverfassung für die menschliche Gesellschaft: so, dachte ich mir aus persönlicher Lebenserfahrung, könnte es Freiheit, Ordnung und also Frieden geben, wenn die Menschen erst so weit in der Einsicht sein würden.
Dann brach der Krieg an; und all das, was bis 1918 und danach geschah, rief mich aus dem Utopia idealer guter Einsicht zurück in die brutale Wirrwelt bösen und blinden Willens – die mir ja allzu-bekannt war. Nun «steckte ich meine Pflöcke zurück», meine Einsicht härtete und schärfte sich durch vertieftes Rat-holen beim Klarismus Elisarions, dessen Weite der Geltung ich nun erst recht erfassen lernte, obschon ja schon mein ganzes Buch-Werk gerade aus dieser Erkenntnis und Blickrichtung geboren war. Und Elisarion beriet mich, in persönlichen Aussprachen, zu immer grösserer Klarheit: gegenüber den Wirklichkeiten der Wirrwelt, wie der Klarwelt.
So fühlte ich meine Pflicht: dem sozial-psychologischen Abschluss meines Werkes einen «Nachtrag» folgen zu lassen – nicht als Widerruf, sondern als «Gebrauchsanwendung» bei den gegebenen Unzulänglichkeiten des «Menschen», auch als Besinnung auf die biologischen Gegebenheiten, die in dem begonnenen Völkerringen so unzweideutig und unerbittlich zutage traten.
Und noch will ich eine notwendige Berichtigung nicht versäumen.
Ich habe einst Kant in schroffer Weise abgelehnt («Kant und die Gefesselte Wissenschaft», 1909): in seinem logischen System absoluter Unterordnung, die «a priori» jeden Impuls der Persönlichkeit, jedes Wagnis neu-werdender Ordnung lahmlegen müsste –
ich habe aber eingesehen: für ihn selbst und für andre willenhaft Inaktive oder wiederum für anarchische Naturen hat er Recht – mag er haben, sobald man von den «all-gültigen» Abstraktionen der Logik (der seinen, wie – in umgekehrter Blickrichtung – der meinen) in das Sozialpsychologische übertritt, an den Menschen inmitten der Menschen. Als Mitmensch, ich bekenne es, hat der Mensch unbedingt die Ordnungsverpflichtung.
Nur und doch: aus der Grundstruktur des Kantischen Denkens, ja aus dem Element ewiger Wahrheit in ihm, lässt sich, statt einer (zu Mechanisierung führenden) Allregelung, auch ein Universum mannigfaltiger persönlicher Ordnungen gewinnen: an der Mannigfaltigkeit der vielzähligen «Dinge an sich», die man – Kants Worte missachtend, sie ins Gegenteil umbiegend – zu «dem» einen Ding an sich verabsolutierte, das, ein absolutes Soll, eine absolute Unterordnung als Willensbekenntnis statt aller Erkenntnis fordere. Es gebt aber um Einordnung, die ebenfalls, doch nicht nur kollektive Folgsamkeit will, sondern auch einsamen Wagemut des Einsatzes fordern kann und immer Verantwortung fordert, im Vorangehen wie im Stillehalten. Auch Kant, ist einmal die monistische Mechanistik überwundenen, wird noch grosse Bedeutung für die zu lebenden Verfassungen der Menschheit gewinnen.
* * *
Mein soziologisches Idealprinzip war gedanklich und ethisch schon recht:
schöpferische «Eigenstaaten» aus freiwilligen Mitgliedern unter der ordnungsschützenden Obhut des «Oberstaates».
Nur: – eine Verwirklichung dieses Prinzips einer «Freundschafts»-Verfassung setzt ideal-gesinnte und charakterstarke Menschen voraus: voll Selbstverantwortung und Gerechtigkeit (für die Andern). Doch für Solche bedarf es keiner publizierten Verfassung.
Die Andern aber würden sich, in selbstsüchtiger Unbilligkeit, an diese Verfassung so wenig halten … wie an die früheren allerleier Art.
Und noch:
die lebenden Menschen, auch die reifsten, sind nicht freie Seelenpersönlichkeiten «an sich», verkörpert in «neutraler» Materie aus den paar chemischen Urstoffen – sondern sie treten ins Leben als Erben ihrer Ahnen und verwirklichen sich in einer eigen geprägten, von ungezählten Geschlechterfolgen vorerlebten Stofflichkeit. Der «Mensch an sich» ist nur mit dem «Koeffizienten» seiner Vorgeschichte wirklich; und ist dann ein Mensch seines Geblütes. An blossem Kohlen-Wasser-Sauer-Stickstoff, und einigen andern Elementen, ginge es bloss für einen Homunkulus an, sich zu verkörpern. Das übersah der philosophische liberale Idealismus.
Die Gewalt des Biologischen, des Geblütes, ob rein oder gemischt, habe ich nie verkannt, ja entscheidend betont – bereits 1904 in den «Lebensgesetzen der Kultur». Ich habe die «internationale» Bedrohung aller Kultur durch das Charakterlose und Substanzlose aufgedeckt – habe als schärfster Warner die äusserste Gefahr der unorganischen Sozialmechanistik dargestellt, 1905 in «Technik und Kultur» – zur Verstaatlichung des Menschen. (Dieses Buch wurde von Gegeninteressenten vernichtet.)
Jedoch ich wünschte (und hoffte): sich verringern zu sehen die biologische «Verwurzelung» des persönlich Seelischen und des sozial Seelischen in der Materie, in der Wirrwelt, wo die Mechanisierung bequemer Gewohnheiten, ja geistiger Strömungen immerzu droht. Ich wünschte es, damit das Blutmässige nicht – über sein wertvoll Bewahrendes hinaus – den schöpferischen Weg für die Seelen und Persönlichkeiten verwachse, nicht den Weg durch das Leben hindurch zur Erfüllung in der Klarwelt Gottes sperre. Die mechanistische Leugnung des Geblütes hätte ja die lebendigen Kräfte gezwungen, sich die Geltung zu erzwingen. Daher die Überbetonung, die das Leben selbst später auf ein richtiges Mass dämpfen wird.
Ich wünsche es, und auf diesen Wunsch lief meine «Zukunft der Natur» hinaus.
Nun aber, meine Lebensarbeit abschliessend, muss ich den weltgeschichtlichen und persönlichen Erfahrungen der Jahre seit 1914 recht geben, um Missleitungen vorzubeugen. Das war mir seit 20 Jahren klar. Und so entstand, im wesentlichen schon vor über 10 Jahren, dieser
«Der Zukunft der Natur vierter Teil»
Volk und Persönlichkeit
als Grundzüge einer biologischen Sozialpolitik und politisch-sozialen Biologie. Es ist die lebendige «mittlere Proportionale» zwischen der mechanistisch-monistischen Sozial-«Physik», die ich als tödlich ablehne, und meiner ideell-idealen Sozial-«Psychik»: so ergab sich die Sozialbiologie.
* * *
Sie ist, ich weiss es, eine Ideologie, jedoch eine realistische, gewonnen aus Tatsachen der geschichtlichen Substanz und Wesenheit.
Gewiss: die Geschichte ist nicht aus Ideen geworden – aber auch nicht ohne Ideen, nicht ohne dass zu einer gegebenen Zeit, oder mehrmals, eine bewusste Wahl der sozialen und nationalen Richtlinien getroffen wäre.
Ideen sind Bewusstheiten vorhandener Wirklichkeiten des Lebens.
Nun gibt es Ideen und Ideologien: jene gelten für natürlich, diese für künstlich. Der Unterschied ist aber ein andrer: Ideen sind im Leben gegenwärtig gültig – noch; Ideologien sind nicht mehr oder … noch nicht lebensgültig, sind vergangen oder zukünftige Wirklichkeiten, Mumien oder – Embryonen.
Eine national-lebendige Idee ist, gewiss, eine ursprüngliche, gewachsene Ordnung, die aber – irgendwie bedroht – um der Erhaltung willen zum Prinzip erhoben wurde und betont wird: «so – wollen wir’s».
Eine nationale Ideologie aber ist Vergangenheit oder Zukunft: die vergangenheitsgetreue hält sich an Vor-Vergangenes, dessen Lebenswurzel bereits am Ausgehen ist, aber einmal doch nationale Wirklichkeit war – nur ist sie aufs Altenteil gedrängt worden. Der Feudalismus und – in Europa – vielleicht auch die Monarchie gehören hierzu.
Die zukunftswillige aber – evolutionär oder revolutionär – erfolgt unter dem Ansporn bisher schlummernder Wesensteile der Nation –, die unter Notstand zur Lebensbewusstheit erwachten oder von auswärts geweckt wurden. Ein sozial-nationales Ordnungsbild, das eine gewachsene Idee bei dem einen Volk ist, wird – ex- und importiert – zur Ideologie. Aber eine Ideologie konnte oder kann nur da – früher oder später – Wirklichkeit werden, wo vorhandene Lebensquellen aus wechselnder Vor-Vergangenheit ihr entsprechen. Freilich kann auch eine erdichtete Vorgeschichte – Geschichte ergeben, wenn die Geschichtsdichtung –, Sage und «Mythen» dennoch einer inneren Willenswirklichkeit im Lebensuntergrund eines Volkes zum Ausdruck dient. Urkunden der Chronik besagen noch nicht alles, nur das Tagesoberflächliche von Anno dazumal.
Es gibt keinen «besten Staat» – das sah ich sehr früh ein – sondern nur einen «mindest–ungerechten» je nach Volk, Zeit und Geographie. Das Werden von Nationen und Staaten ist sehr, sehr mannigfaltig verlaufen – das hat Werner Kaegi in seinen «Historischen Meditationen» überzeugend dargetan – und die Ähnlichkeit von Sprache, Kultur, ja auch Rassenelementen genügt nicht, um eine auswärtige Ordnung von «Verwandten» annehmbar zu machen, solange nicht Not dazu zwingt.
Die Ideologie der Sozialbiologie nun will einen Lebensausgleich zwischen den Ansprüchen von Persönlichkeit und von Gemeinschaft anbahnen. Ich wünsche, es würde ein Bannwald gegen «Treibsand» und «Lawinen» gepflanzt – und ist ein Gepflanztes auch zunächst willkürlich, nüchtern und unlieb: mit der Zeit wird sich das bunte Spiel mannigfaltigen Lebens schon einstellen. Ist einmal die sozial-biologische Ordnung geworden, so wird manche Überbetonung und Unterwertung verschwinden, die bei einer erneuten Urbarmachung wie bei einem Hausumbau nicht zu vermeiden sind. Die Ideologie wird einmal Selbstverständlichkeit geworden sein. Europa war einmal auch noch nicht christlich!
* * *
Der Text ist vor dem jetzigen Völker- und Ideenringen geschrieben.
So lebensnah und aktuell-zukunftwillig ich in meiner Einstellung bin – so wenig es mir um noch so, «geistvolle» Grübelei und um eine blosse Zuschauerrolle zu tun ist: habe ich doch davon abgesehen, auf die gegenwärtigen Ideengegensätze, die gegenwärtigen Machtgruppierungen mich besonders zu beziehen.
Die ganze blutige Katastrophe ist in meinen Augen der endliche Aufbruch des Geschwüres, zu dem es aus langer seelischer Vergiftung kommen musste. Und weil es um Sein oder Nichtsein geht, glaube ich: das sinnvolle Sein wird zur Genesung kommen und die Menschheit wird hinterher – ich setze keinen kurzen Termin hin –«immuner» dagegen geworden sein, ihre seelischen Lebenskräfte, eigenschaftlichen Gepräges und Erbgefüges, an die materiellen, bloss zahlenhaften und seelenlosen Machtprofite zu verraten, in Statistiken zu begraben.
Mir ist es, im allerlebhaftesten Sinne, eine «kosmische» Aktualität, die ich immer im Auge hatte, seit ich dachte und schuf. Deswegen hielt ich es für überflüssig, Konjunkturakzente zu setzen, denn die Wesenslinie meiner Ausführungen ist, wo sie bejaht und wo sie verneint, auch so ganz klar geführt. Ich war immer Europäer, obschon als russischer kaiserlicher Untertan in Sankt Petersburg geboren – jedoch, deutschen Geblütes und Kulturerbes, fühlte ich mich immer dem Geiste des Abendlandes verpflichtet, den – ging die Sonne nach Naturgesetz unter – darüber hinaus das Licht der inneren Flamme suchen und weitergehen heisst; zu Zielen und Werten, die nicht aus der Materie stammen.
So ist dieser Nachtrag, alles in allem, eine nochmalige Bejahung der wesentlichen klaristischen Erkenntnisse meiner drei «ersten» Teile der «Zukunft der Natur», die – kurz zusammengefasst – besagen:
- was wir die Naturerscheinungen nennen, spielt sich zwischen zwei entgegengesetzten metaphysischen Urzuständen ab;
- deren einer (menschlich gesprochen: «unterer») besteht in der absoluten Vereinzelung unverrechenbar-ungleich-eigner Tatmächte («inkommensurabler»), die jedoch Gemeinschaft erstreben – diese aber macht das Wesen des zweiten, des «oberen» metaphysischen Zustandes aus.
- Von der unteren Metaphysik weg zur oberen hin führt ihr Suchen und Streben die Tatmächte: zu Seelen und Eigenwesen emporreifend, mit einander in Austausch tretend.
- Und das ergibt den dritten, mittleren Zustand zwischen den beiden Metaphysika, deren aller Zusammenwirken im Weltraum den Charakter der Dreiheit annimmt. (Und daher bezeichnet sich der Klarismus als Trialismus.)
- Die Ungleichheit der Tatmächte, Eigenwesen, Seelen bewirkt jedoch, für lange Zeiträume, Falschverbindungen, die zu Stockungen, Verkrampfungen und Zerrungen führen. Und da ergibt sich das, was wir als «Materie» bezeichnen: zugleich starr und unbeständig.
- Den Zerfall von solchen Falschverbindungen stellt der Tod dar;
- für die emporstrebende Eigenseele wird er zum Auftakt und Anbruch erneuter Wiederverkörperung in materiellen Lebensgebilden: Geburt. So, von Leben zu Leben reifend, vollzieht sie ihren Weg zur Klarwelt und Gott.
- Diese emporweisende Reifung, Bewährung und Klärung der Seele gibt ihr schon im jeweiligen Erdendasein die Züge der Verjüngung;
- indes die materiellen Schlacken des Lebensvorganges eine fortschreitende «Alterung» des Stoffes durchmachen: bis zum Endstadium der sogenannten chemischen «Elemente».
- Diese Elemente gehen dem Lebenszustand nicht voran, sondern folgen ihm als Abfall, der freilich wieder in den Lebensaufbau einbezogen werden kann.
- Für sie und für das von ihnen Bedingte gilt die Mechanik.
- Von ihr aus wirkt, dem seelisch gegründeten Leben zuwider, die Mechanistik in allen wirtschaftlichen, sozialen, geistigen und religiösen Entartungsformen.
Da-gegen ist die Klare Kunde, der Klarismus Elisarions aufgetreten, mit seinem Primat des Seelischen, das Jeden aus der Wirrwelt (der falschverbundnen Wesen) emporweist zur Klarwelt des wahren Gottes. («Eine Neuer Flug und eine Heilige Burg», der «Unbekannte Gott» und «Heldische Sicht und Froher Glaube».)
Minusio-Locarno, Januar 1944
Sanctuarium Artis Elisarion
Eduard von Mayer
Inhaltsverzeichnis
IWorum geht es?
(als Schlusskapitel)
III Seelische Lebensstufen
IV Vormenschliches
V Das Metaphysikum Mensch
VI Die Lebenszellen des Volkskörpers
VII Lebensstufen des Weltbildes
VIII Völkische Erkrankungen
IX Wiederaufstieg?
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