Die Zukunft der Natur, Teil 1
Das monistische Weltbild: Die Welt als Laune
Der Sinaiglaube
Der wirre Verlauf der Glaubensgeschichte vom Anfang des dorischen Herrentums bis zur Weltmacht der Römischen Kirche liegt uns Europäern besonders nah, und vor Augen.
Bei andern geschichtlichen Umständen wechselt das Bild gewiss in den Einzelheiten, doch bleibt der wesentliche Ablauf derselbe. In Indien kam es nie zu der vornehm-klaren Göttergestaltung, wie der olympische Glaube sie prägte; die arischen Herren, die auch dahin als Eroberer kamen, müssen zunächst im neuen Lande wohl doch die ältere Lebensform, die Vieh- und Pflanzenzucht, weiter geleistet haben und also beim alten Naturglauben geblieben sein. Als sie sich dann allmählich als Oberherren weite Gebiete bemächtigten, musste der nahe Zusammenhang mit dem wieder zu Stammland gewordenen Siedlungsgebiete am Himalaya dennoch die gleichen naturhaften Wesenszüge im Götterbilde weiter bewahren. Die indischen Götter sind darum im Wesentlichen nur mit einigen herrenrechtlichen Zügen ausgestattete Mächte des reinen Naturverlaufes, dazu vermischt, verwischt und vergrässlicht durch all den Wirrwarr des rassezerklüfteten Landes voll massloser, wilder Naturmächte: und so herrscht daselbst ein Götterchaos. Ihm wie dem Lebenschaos entgegen musste schliesslich die müde Ablehnung dieses und jenes treten, in Buddhas Lehre der Willenslöschung17 – ein Seelenzustand, zu dem Europa einige hundert Jahre ebenfalls gelangte, freilich nur zwischen zwei Zeiten des Glaubens, als der olympische nahezu tot und der christliche noch nicht erstarkt war, etwa von 300 vor bis 300 nach Christi Geburt. Das Christentum begann als Lebensumwälzung, fand fruchtbaren Geistesboden zuletzt beim germanischen Volkstum, doch blieb die entscheidende Einsicht ins Gift des Hungerwahnes noch aus; so brach die Entartung des Geisteslebens wieder unaufhaltsam herein, und heute herrscht wieder der Seelenzustand der Lebenserschöpfung, wie Buddha sie predigt. Sie ward gereift durch den jüdischen Glauben, der früh die spätere Geistesentwicklung der andern Rassen vorwegnahm.
Unsere europäische Glaubensgeschichte nach Abschluss der Alten Welt ist stärkstens vom römischen Geistesgefüge beeinflusst; doch mächtiger ist der geistige Zufluss, der Israels Quellen entströmte. Der Glaube an überirdische Nahrungsverwalter, der selbst die besten olympischen Ahnungen niederzwängte, fand Vertiefung durch leidenschaftlich erlebte Ohnmacht. Dennoch lag in dieser Vertiefung zugleich der Keim der Überwindung des Wahns, und im jüdischen Gottesglauben vollzog sich trotz allem die Abstreifung der Chaoszugehörigkeit, die noch die Götter von Hellas belastet.
Freilich blieb diese wirkliche, höchste Überwindung des Wahnes, wie die Frohe Botschaft von Jesus Christus sie kündet, trotz allen Gefühls der Befreiung, das immer wieder Seelen beglückte, als solche noch der Erkenntnis verborgen, bis der Klarismus sie endlich aussprach,18 indem er zeigte, dass in Erscheinung und Kunde des Christus die beiden Wahrheitshälften, die jüdische und die olympische, wirklich in eine ganze Erlösungswahrheit zusammenklingen. So stehn wir jetzt am Anfang der dritten Glaubenszeit, die nochmals und endgültig die Lebensermüdung beseitigt, da der Klarismus den Todesglauben durch Klar- und Frohglauben aufhebt, zu neuem Fluge die Seele weckend, deren Eigenwesenheit unverlierbar erkannt ward.
Diese klaristische Wendung des Geisteslebens ist freilich ein Werk germanischen Fühlens, hellenisch durchleuchtet, beraten von der Kunst der italienischen Renaissance. Dennoch musste die Menschheit vorher, obschon in christentümlicher Milderung, erst die Wucht des jüdischen Gottesgedankens ergreifen, um nun den nächsten höheren Schritt zur Kenntnis Gottes, des Unbekannten, zu tun.18a
Die hellenisch-olympische Glaubensgestaltung beruhte darauf, dass ein Herrenvolk sich eine neue Heimat erobert, zu neuer Willensstellung gelangt und dennoch, im steten Flusse lebendigen Daseins, die neuen Empfindungen nur als höhere Stufe der früheren entwickelt. Wo immer sich gleiche Bedingungen wiederholen könnten, würde der gleiche Geisteszustand gewonnen, unabhängig von jedem «Vorbild» – nicht aus Nachahmung, sondern aus tiefster Echtheit der Ausdrucksformen lebendigen Strebens. Denn selbst die wirklich vorhandnen Einflüsse werden nur dort und nur insoweit fruchtbar, als und wo die gleiche geistige Schwelle erreicht ward. Mag deswegen der Totendienst, nach dem ungeheuersten Beispiel, «ägyptisch» heissen, der Sternendienst im gleichen Sinn «babylonisch», so ist die äussere Beziehung dennoch unsagbar weniger wichtig, als die Erkenntnis, wodurch jeweils die Übertragung, die Neuentstehung des Alten möglich, wirklich, notwendig geworden ist; Geistesformen sind Willensformen, im Lebenskampfe erworben.
Um die ganze Tiefe, Bedeutung und Tragik der jüdischen Glaubensgeschichte zu fassen, ist es nun zu erwägen, wie sehr eine Geistesstufe des Glaubens an innerer Kraft gewinnen muss, wenn das Daseinserlebnis, das erstmals dieses Welt- und Gottesbild schuf, sich wie ein Verhängnis an ein und demselben Volk wiederholt und das Weltbild sich jedesmal schärfer dem Volkswillen einätzt, das immer bestimmter gestaltet auch die Geistesgestaltung immer bestimmter ausprägt.
Und diese oftmals erneute Seelenprägung durch oftmals erneuten Daseinszusammenbruch gerade nach machtvollem Zwischenglück ist der Schlüssel der jüdischen, ganz besonderen Gotteserkenntnis. Sie war bedeutender, als die anderen alle ausserhalb ihres Kreises, und dennoch ist ihre innere Grenze gerade durch ihre Geschichte bezeichnet: sie wertet einzig die eine Hälfte des Daseins, gerade wie der olympische Glaube eigentlich auch nur der einen – anderen Hälfte des Daseins gerecht wird. Den heiligen Wert von Schönheit und Freude, die Gotteswirkung in ihnen, bekennt die olympische Gotteserkenntnis – die schreckliche Erdennot und wesenhaft darüber erhaben die Hoheit Gottes, bekennt die jüdische.
Die jüdische Glaubensgestaltung wurzelt in bitterem Boden: dem plötzlichen Schreckensabbruch aller gewohnten Nahrungsbedingungen. Darum ist der jüdische Glauben, in sich allein genommen, auch selbst ein Abbruch der tiefsten Lebensbedingungen, grade in seiner schroffen Entwicklung des nur-irdischen Zustands, über dessen Nichtigkeit sich die All-Unendlichkeit wölbt.
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Es muss ein grausiges Schicksal vor etwa fünf Jahrtausenden über Mesopotamien hereingebrochen sein – die Sintflut.19
Ungeheuerste Wassernot schlug mit einem Male plötzlich das fleissige Ackerleben zwischen Euphrat und Tigris nieder, alles vernichtend. Wer nicht sofort ertrunken, flüchtete: nordwärts hinauf in die Berge Armeniens retteten sich die Einen, und endlose Zeiten später erzählte die Sage von glücklicher Landung weniger Menschen oben am Ararat; ostwärts ins persische Hochland stiegen die Andern; westwärts hinein in die Wüste gerieten die Dritten.
Diese wurden die Vorfahren der Juden.
Aus fleissig ruhiger Bauernarbeit hinausgeschleudert, angewiesen auf weniger, mitgeretteter Herden Besitz, als einzige Nahrungsquelle, fanden diese Menschen, der plötzlichen Not entronnen, sich mitten in dauernden Nöten.
Und wieder sprach der Hunger zum Geiste.
Vernichtet war das bisherige Leben, vernichtet der Arbeitskreislauf, vernichtet die himmlische Erdenreglung des Daseins. In unermesslicher Zorneslaune hatten die Götter mit einem Schlage das menschliche Schaffen zerschmettert; zertrümmert war aber eben dadurch zugleich das Werk und Wirken, um dessentwillen der Mensch sich ihnen fügte, zu fügen bestrebte. Die Äcker, die Saaten, die Pflanzungen waren dahin und mit ihnen war dahin, was die Menschen hatten, um sich der Göttergnade zu bemühen. Der Weltuntergang, den die Sintflut für den Menschen bedeutete, war zugleich die Götterdämmerung.
Eine einzige ungeheure Schreckensgewalt erhob sich, Erde und Himmel verschlingend, alles beherrschend über den neuen flüchtigen Wüstenbewohnern.
Was ihnen zur Nahrung geblieben, was sie flüchtig gerettet, der Herden bewegliche Habe, forderte keine feste, vorherbedenkende Ordnung, keine Beobachtung göttlicher Zeiten und Folgen. Der Bund der Gottheiten war entthront, bedeutete ferner nichts im Leben der Wüstenhirten, mochten sie auch nach alter Gewohnheit weiter nach Monden und Sonnen zählen. Eine einzige Gottheit, kannten die Unsteten noch – das Entsetzen; es ward ihr Schreckensbegleiter in allem Wüstenerleben, als glühende Wüstenunendlichkeit, seelenlähmende Wüsteneinsamkeit, rasendes Wüstenunwetter.
Nur aus dem Abgrund des Weltenunterganges – der auch, und vielleicht aus derselben Sintflut-Erinnerung, im Glauben des Zarathustra von Einfluss ist und als Mithras-Dienst dem Christentum vorgearbeitet hat – erhebt sich das jüdische Eingottestum. Dauernd blieb somit in ihm als heimlicher Keim die Furcht vor dem Weltuntergang, blieb der Weltgerichtsgedanke; die Angst vor neuen schrecklichen Ausbrüchen Gottes durchbebt diesem Glauben und jede spätere Milderung gilt hinterdrein als Abfall, auf den die Strafe grausamst erfolgt, um stets, verschärfte «Gottesfurcht» einzuätzen.
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Es war durchaus nicht sofort ein fester, klarer, die Göttervielheit bewusst bekämpfender Glaube, dieses Bekenntnis zum Einen Gott.
Es war die einfache Geistesfolge dessen, dass diesen Menschen die Wüste, die eintönige Einförmigkeit des Himmels und der Erden zur Lebensstätte und Lebensgrenze geworden. Dies war die eine und einzige Macht, von der sie abhingen; darauf war ihr Wille gerichtet und so erschien dem Geiste die Weltordnung.
Hierauf war ihr spärlicher Tages- und Lebenslauf eingestellt, als sie, die vordem eher Sesshaften, nun begannen kreuz und quer durch Arabien zu ziehen, von einem abgeweideten Platze zur andern möglichen Trift. So lebten sie und so mehrten sie sich und fielen wohl zeitweise, in abgesplitterten Gruppen, ein in das blühende Küstenland Kanaan, in Ägypten oder die alte chaldäische Heimat: Abrahams Wanderzüge berichten im Umriss davon. Doch blieb ihre Stätte die Wüste.
So gingen viele Geschlechter dahin in gleicher flutender Einförmigkeit unsteten Hirtenlebens. Die Menschen mehrten sich und die Herden mehrten sich und das Leben begann ein gewisses Behagen zu bieten: da mag und muss die furchtbare Gottheit gnädiger, milder erschienen sein, als Gönner und Freund der Stammesahnen, denen er Reichtum an Volk und Herden gelobte.
Aber die Menschen mehrten sich weiter, die Herden mehrten sich weiter und schliesslich wurde das Lebensbehagen zu Lebenskargheit und Not: die Weideplätze genügten nicht mehr um die Rindermengen zu nähren, von denen die Menschenmengen sich nährten.
Und plötzlich geschah eine neue, entscheidende Mehrung der Not.
Es mochte ein längst oder unlängst abgesplitterter Volksteil, die Nilwiesen bewohnend, Ägypten verlassen haben müssen, harten Massregeln weichend, mit denen die Landesbehörde aus ungebärdigen Hirten gefügige Arbeiter pressen wollte.20 Jedenfalls mehrte sich plötzlich die Menge des Volkes, der Kinder, und völlig ungenügend wurde die Weide, das futterlose Vieh mochte fallen, der Hunger musste die Menschen peinigen. Allgemeine quälende Not ward wirklich.
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Da mag ein einzelner, kluger und tätiger Mann zum geistigen Führer geworden sein.
Wohl hat man Moses als ungeschichtlichen Sagenheld oder mindere Stammesgottheit beseite zu schieben gesucht: und dennoch redet aus all den Zügen der Überlieferung deutlich das Wesen grossen Menschentums, wirklichen Waltens. Mit staatsmännischem Blicke erkannte Moses, dass das, was sein Volk bedrohte, die Menge des Volkes, zugleich die Rettung bedeutete: Übermacht zur Eroberung jenes milch- und honigführenden, Weiden und Acker bergenden, nördlichen Küstenstrichs.
Tiefbezeichnend ist es jedoch, dass Moses nicht einfach sich selbst zum Herrscher und Herzog der notbedrängten und kraftgeschwellten Rinder Israels machte, nicht ein eignes und wahres Königtum gründete – sondern vielmehr das ganze Volk und das ganze Unternehmen auf Glaubenshörigkeit stellte. Tiefste Wurzeln musste in all den Zeiten, da das Volk Israel hin und her durch die Wüste gestreift, das eine Doppelgefühl in der Seele gewonnen haben: die unbedingte gleiche Eingliederung jedes Einzelnen in die Gesamtheit des Stammes, der seinerseits unbedingt von der Schreckens-Einmacht der Wüste abhing.
Die unbedingte Enteignung des Einzelwillens, Einzelgefühls und Einzelerwerbes kraft der nahen inneren Umwelt des Stammes, als Folge der weiteren Umwelt, der alles Dasein unerbittlich umspannenden, furchtbaren Wüstenmacht – diese Enteignung erwies sich als Grund und Wesen der jüdischen Seele, als Moses auftrat.
Derart fühlte er selbst, bei aller Willenskraft, derart empfand, das wusste er, auch sein Volk, bei aller Rührigkeit; und so richtete er die gewaltige Einmacht eindrucksvoller als je zum «Herrn» des Seins, zum «Seienden» aus, dem gegenüber der Menschen Ohnmacht eben als wenig mehr, als Nichtseiendes gelten konnte. Ein furchtbarer Ausbruch irgend eines Wüstenvulkans mag den Anlass solcher Verkündigung gegeben haben; Erinnerungen daran zittern noch in der späten Sinai-Sage nach.
Nur musste sich die Beziehung von Gott und Menschheit in etwas ändern, der alte Sintflutglaube sich wandeln. Zum Heere Gottes bestimmte Moses die frühere Herde Gottes, im Namen Gottes sandte er sie, die bisher in Dumpfheit hörigen Elendsgeschöpfe, zur Massenkraft aufgeweckt, in die Welt hinaus, dem «Herrn» die Lande zu unterwerfen. Und dafür stand der Wohlstand in Aussicht.
Es war eine wesensgetreue, tiefe Weiterbildung des israelitischen Seins: der Einzelne blieb als Soldat des Stammesheeres unerschütterlich fest in die Stammesordnung eingefügt, all seine Kräfte gehörten dem Stamme, dem Heere, dessen tätig-tüchtige, dennoch willenlose Waffe er war, ein blosses Werkzeug – der Stamm als Ganzes blieb aber selbst in völliger Hörigkeit Waffe und Werkzeug des Herrn, mit voller Einsetzung aller Kräfte, und doch ohne jeden eignen Willen.
Enteignung des Willens zugleich mit höchster Verwertung der Kräfte, früher ziellos vom Zufall der Weidebedingungen umhergeworfen, jetzt aber zielvoll Eroberungspläne hegend, völlige Unterwürfigkeit fühlend, und dafür den Wohlstand vor Augen: das ist der Wesenszustand mit dem die Kinder Israel nun in die Weltgeschichte einbrechen, ganz wie zwei Jahrtausende später die Kinder Ismaels, Alllahs Soldaten.
Als Söldner ihres Wüsten-Eingottes, zur Mehrung seines Besitzes, fielen die Stämme Israels über das Küstenland her, unterstützt von verwandten Sippen, die früher schon, im Osten des Jordans genügend Weide gefunden und halb-sesshaft wurden.21 Sie metzelten, wo sie konnten, die Einwohner nieder, die Nichtisraeliten, die Nichthörigen Jahwes. Brauchte die völlige Unterjochung auch längere Zeit, und blieb auch die Meeresküste ihren Besiedlern, so fanden die Hirtensoldaten doch ziemlich mit einem Schlage wessen sie bedurften: Nahrung.
Aber sie selber wurden durch diesen Wandel der Hungerregelung mitverwandelt. In Ackerländereien geraten, wurden sie Bauern oder aber Fronherren.
So wurde der Hungerwille anders gerichtet und neu gestaltete sich das Weltbild.
Die stetige Fruchtbarkeit Kanaans, ihrer neuen Heimaterde, das mildere Walten des Himmels, der sicher gefügte Verlauf der Jahresereignisse – all das weckte wieder die Ahnung göttlicher Lebensfülle und Mannigfaltigkeit, die sie einstens vergassen, als die Sintflut sie hinaus in die Wüste jagte. Unmerklich nahm ihr schrecklicher Wüstenjahwe, der fast das Wesen des späteren «Satan» aufweist, die milderen Züge des Landesgottes an, des Baal;22 neben ihn trat die Himmelskönigin,23 trat das himmlische Heer. Die Gottheit des Schreckens verblasste, die froheren Menschen wurden ihr, ohne es eigentlich selbst zu wissen, abtrünnig. In Wahrheit blickten sie ja im gleichen Hungergefühle auf zur überirdischen Lebenswaltung, nur trug sie jetzt ein anderes Antlitz, anderen Geist, andere Wertung.
Doch kaum kam wieder die Not, durch Misswachs, durch siegreiche Feinde, so hob sich der alte Hörigkeitsglaube, die alte Wüsten- und Gottesfurcht, wiederum zur Gewalt. Die Bedrängnis reifte ein härteres Wollen und schloss die – durch Wohlstand unabhängiger von einander gewordenen – Stammesglieder wieder zu festerem Bunde zusammen: da richteten sich die Blicke hin auf den alt-überlieferten, halb ausser Acht gelassnen Bund mit Jahwe.
Da trat wohl an die Spitze irgend ein Willensgewaltiger, predigte eifernd den «Namen des Herrn», wies im Leiden des Volkes die Rachestrafe des Abfalls, kündete dennoch Versöhnung, sobald nur das ganze Volk die Götter der andern Völker verliesse. Nun gab die Furcht vor dauernder Rachenot, die Hoffnung auf neuen Wohlstand dem Volke Israel neue Spannkraft und Macht.
Dann schwand für einige Zeit das mildere Weltbild und wieder war «Jahwe» alleiniger Herr –, der Schrecken allein bestimmte den Glauben.
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Zahllose Mal erneute sich dieser Wechsel von Jahwe-Glaube in Stammesnot, und Jahwe-Abfall in Lebensfülle: die Zeiten der «Richter» als Stammeslenker, die Zeiten der Könige, die sich das Volk, um sich den feindlichen Nachbarn zu wehren, endlich nach langem Widerstande der Jahwe-Frommen, erkor, verlaufen wesentlich gleich in dieser inneren Hinsicht.
Dennoch zeigt sich klar eine innere zweimalige Doppelentwicklung, das Merkbild der israelitischen Eigengeschichte: erstlich bis zum staatlichen Untergang, dann als ausserstaatliches Volk.
Es tritt bei der ersten Doppelentwicklung klar eine Spaltung ein, eine Sonderung im Volksgefüge: die wiederholten Unglückszeiten nähren und mehren in einigen Herzen das drohende Rachebild Jahwes, die Forderung unbedingten Gehorsams Aller, der unbedingten Enteignung jedes Einzelnen – aber in Vielen erlischt allmählich die unbedingte Stammes- und Gotteshörigkeit; dieses geschieht in denen, die immerhin im jährlichen Arbeitskreislauf und Arbeitsertrag befriedigt, der eignen wenn auch gebundnen Kräfte froh sind, im Bauernvolke, und ebenfalls gilt das von denen, die weniger Not erleiden, den Reichen und Mächtigen. Dadurch sagt sich ein ganzer Teil innerlich los vom Stamme der Väter, vermischt sich wohl mit den Nachbarvölkern, der wohnen gebliebenen Urbevölkerung, wächst in ihre Sitten und Bräuche und Ansichten ein und kehrt sogar in der Not nicht mehr zum Stammesglauben zurück: sie gehörten nicht mehr zur Geschichte Israels.
Israels Schicksalgeschichte teilen und machen mit nur Jene, die noch im tiefsten Empfinden die Sintflut- und Wüstenfurcht vor dem Rachegotte bewahren, als unbedingte Eingliederung ins Stammesganze: denn diese beiden Gefühle sind wirklich Ergänzungshälften des einen Seelenzustandes.
Aus diesen wählt und siebt sich bei jedem Unglück das Saatkorn des späteren Judentums aus – die meisten Übrigen verschwinden im Schosse und Blute der anderen Völker.
Von Mal zu Male züchtet sich so im jeweils neuerstehenden Volke Israel stärker und schärfer jenes doppelte Wüstengefühl der eignen Nichtigkeit und der Stammeshoheit heraus, der zitternden Eigenschwäche zugleich mit prahlendem Stammesstolze – die Unpersönlichkeit getragen vom Rassedünkel, das wahre Gefühl allen Rassewahns.
Schliesslich kommt es dahin, dass auch, ja gerade die innerlich Kalten, die geistig eigentlich Gleichgültigen, die sich wenig mit Übererdengedanken abgeben und im Erwerbe aufgehn, doch in erzüchteter Hörigkeit völlig der Stammeseinheit verbleiben und kaum mehr in andern Völkern verschwinden – ja, wenn sie sich mischen, die andern Völker blutlich mit ihrem Empfinden erfüllen.
Freilich geschieht dies erst dann, wenn der Rasserückhalt allen Nöten zum Trotz die stärkere Macht und Lebenssicherheit darstellt, die wirkliche Lebensgewalt; da schwindet aber der echtere Glaubensgehalt.
Umgekehrt zu der früheren Sonderung trennen sich nun in der zweiten Doppelentwicklung nach und nach von der Väter Glaubenssitte, die nahezu barer Macht- und Hungerwahn wurde, gerade die tieferen Seelen und tragen die grosse Glaubensentwicklung, die wohl am Jahwe-Dienste begann, hinaus aus dem Judentums, das Groll und Hass diesen «Abgefallenen» schwört und bewahrt.
Wie aus der ersten Spaltung das Judentum reifte, so ward aus der zweiten heraus das Christentum vorbereitet.
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Diese Entwicklung des Israelitischen Geistes begann, als zum dritten Male Schicksalsnot die Lebensgrundlage völlig änderte: als das Reich durch Salmanassar und Nebukadnezar vernichtet ward.
Als die nördlichen Stämme Israels Assyrien zur Beute gefallen und gleiches Unheil den beiden südlichen drohte, erbebten in ihrer Seele die Männer, denen am Innerlichsten an ihres Volkes Bestande lag. Ihnen war es unmöglich, den Untergang ihres Volkes als Niederlage und Ohnmacht ihres Gottes zu werten, indessen sonst bei Israeliten, sowohl wie anderen Völkern, einzig der Siegesglanz des Volkes die Macht des Stammesgottes bezeugte – der hungererzeugte Ur-Irrtum im Glaubensleben, wovon beim späteren Alleingottestum noch der sogenannte «Sieg der gerechten Sache» zeugt, das «Gottesurteil», sei es im Zweikampf, sei es im Kriege, wo die «stärksten Bataillone» des Herrgotts Zustimmung finden sollen. Die Karmalehre wurzelt noch im gleichen Wahne, der Erdenerfolg oder -Misserfolg sei heiliger Wertmesser!
Hier im israelitischen Geist geschah etwas anderes, seelisch Tieferes; hier begann ein Umschwung im Wesensverhältnis zu Gott, wie es nochmals und wieder vertieft geschah, als Christus verbrechergleich hingerichtet worden und seinen Anhängern dennoch als göttlicher Sieger erschien.24 Es begann, obschon noch lange verdunkelt, das Licht der wahren Gotteserkenntnis; zunächst in verneinender Weise erwachte die Ahnung der Unvergleichlichkeit Gottes (Inkommensurabilität) und unsrer irdischen Wirrwelt. In dieser zunächst fast widermenschlich-verneinenden Vorbereitung der Wahrheit, hat das jüdische Lebensgefüge ihr Höchstes geleistet und wahrhaft am Menschenwerte gebaut; ein minder in Leiden durchprüftes Volk hätte wohl diesen Wahrheitsteil niemals erlebt.
Die Männer, die diesen ewigen Geistesschritt taten und deren grösster Jesaja ist, waren derart im Stamme und Stammesgotte wesensverwurzelt, dass nun gerade die innere Bedrängnis und äussere Not sie zur Lebensmacht ihres Volkes hintrieben. Diese Männer gerade mussten unschwer erkennen, dass ihre Zeit- und Stammesgenossen sich nicht in gleicher Treue zum Stammesglauben bekannten. Sie sahen ihr Volk in Reiche und Arme, in Klassen zerrissen, sie sahen Unbill, Bedrückung, Trug und Hass, die Kinder des einen Blutes sich entzweien, sie sahen die herrschende Schicht mit Nachbarmächten verhandeln, mit ihnen sich gerne versippen, sie sahen die mannigfaltigen Dienste der fremden Götter verbreitet – sie sahen, kurzum, das Volk durch Wohlstand dem altüberlieferten Stammesglauben entfremdet, der ihnen noch alles war — sie sahen den Abfall des Volkes vom schrecklich mächtigen Wüstengotte, der Israel sich zum hörigen Heere erwählt hatte. Die Rachestrafe, die schon die grössere Hälfte des Volkes verzehrte, bereitete sicher dem Reste dasselbe Geschick.
«Aber» – sprach ihr ganz im Stamme verankerter Sinn: hatte Jahwe statt sonstiger Züchtigung, Dürre, Seuche, Missernte, nun die Strafe des staatlichen Volkstodes gewählt und gesandt, so hatten in seinem Auftrag die Feinde gesiegt, zum Siege hatte Er sie geführt. Nicht der Gott der Assyrer hatte den Gott des Reiches Israel überwunden – nein! der Gott, dem Israel hörig, hatte dem Gott der Assyrer gestattet, Assyrien durch Israels Strafe zu stärken. Nicht ein kleinerer Gott – ein machtvollerer war Gott Jahwe, ein Obergott auch der anderen Völker und ihrer Götter.
So wird die stammesfromme Reueverzweiflung zugleich ein massloser Stammesstolz. Und wirklich, wenn Jahwe der Herr aller Götter und Völker war, durchaus nicht einem einzigen wie in Naturgrund zugehörig, und dennoch besondern Willen zu Israel hatte, so musste Israel eben doch seines Herzens Volk, das «auserwählte» Volk sein, über die andern alle völlig erhaben. In neue Beleuchtung rückt damit der sagenhaft überlieferte Anfang des Staates Israel. Was bisher im Gefühle gelebt, die Zueinandergehörigkeit Jahwes und Israels, nimmt die Form eines förmlichen Bundesvertrages an, rückverlegt in die Wüstenzeit, verknüpft mit den Heldennamen Moses.
Zu dem Bunde findet sich auch die Urkunde: plötzlich taucht das sogenannte zweite, in Wirklichkeit erste Gesetz des später als fünftes gezählten Mosesbuches (Deuteronomium) auf.
Und dennoch bedeutet das, worauf sich hinfort der israelitische Stolz besonders berief, zugleich die Drohung des Endes solchen israelitischen Vorzugs. Unzweideutig spricht es aus allen prophetischen Reden, freilich als schlimmster der Schrecken geschildert: die Möglichkeit einer Neuwahl durch Jahwe, der eben nicht mehr Naturgott war, die Möglichkeit einer Aufhebung des alten, nicht naturhaft notwendigen, sondern frei aus Gottes Willen entstandenen und also lösbaren Bundes – sofern die Israeliten sich nicht in unbedingtem, alles Fremde verwerfenden Stammesgehorsam zu Jahwe bekehren; andere Völker sollten an Israels statt zu Jahwes Gnade und Gunst erhoben werden, wenn die Israeliten beim Abfall von Stammeseinheit, -reinheit und -hörigkeit blieben, allen Gerichten zum Trotz, seinen Gehorsam verwerfen.
Freilich hofften die Besten des Volkes, aufs Tiefste in Jahwe und Israel wurzelnd, auf Wiedererweckung des echten Israelitengeistes – wie sie ihn fühlten und schätzten – und dann auf Wiederversöhnung mit Jahwe, auf Wiedererrichtung des Bundes, auf neue staatliche Herrlichkeit voller Wohlstand, Gerechtigkeit, Sättigung, unter Lenkung des gottgesalbten Erretters aus Davids Königsblut, auf den «Messias».
Wohl ist es Rachefurcht, ist es Nahrungshoffnung, die stärkstens in dieser Glaubensentfaltung wirken, und dennoch keimt hier unverkennbar aus tiefster Seelensehnsucht, obschon durch Gemeingefühl, Rasseempfinden und Volksstolz arg getrübt, die endliche Gotteswahrheit: dass zwischen Gott und dem Menschen ein freier Bund, und nicht ein verhängtes Zwangsverhältnis besteht. Freilich bedurfte dieser Wahrheitskeim, der dem zunächst bloss verneinenden Gottesbilde entsprang, noch anders läuternder Reife, ehe er der Menschheit aufging; sie musste zunächst die Schranken der Rasse erleiden. Jedenfalls zeigt sich schon hier, wie das Leiden, in Leibes- und Seelennot, wie es diese Wahrheitshälfte zur ergänzenden Wahrheitshälfte der Freude zeitigt, deren höchste Weihe bisher der olympische Glaube gewesen, der nun in Durchdringung mit der Leidenswahrheit, Erfüllung findet, wie auch die Leidenswahrheit nur durch die Freudenwahrheit die vollendete Weihe empfängt. Und diese Durchdringung biblischer und olympischer Wahrheit, semitischer und hellenischer Lebensschau vollzog in germanischem Geiste der Klarismus, da Elisarion klar vom Eigenwesen als freiem Mitarbeiter am Gotteswerke der lichten Gestaltung gesprochen, die gotteslästernde Götzenfurcht ausser Kraft gesetzt, und der Frohen Christusbotschaft die endliche Stätte erwarb, die ihr noch in so vielen Herzen irrigerweise fehlte.
* * *
Die erste Spanne des Judentums erstreckt sich von der Sintflut bis zum Einfall in Kanaan und stand unter der alles umfassenden Schreckensgewalt der Wüste – der Rudelverfassung unsteter Hirten – der hungergepeinigten Ohnmacht des Einzelnen.
Von der Eroberung Kanaans an bis zum staatlichen Untergang geht die zweite Spanne, sie steht unter der eifersüchtigen Einherrschaft des Stammeseingottes – der Heeresverfassung des Stammes – der Stammeshörigkeit jedes Einzelnen.
Mit der Verschleppung nach Babylon fängt die dritte Spanne an und schliesst mit der letzten Zerstörung Jerusalems unter Titus; hier sind die Werte: Oberherrschaft des Weltenherren Jahwe – geweihte Blut- und Bundesverfassung – unbedingte Enteignung des Einzelnen.
Und die vierte Spanne?
Sie steht im Zeichen der völligen staatlichen Nichtigkeit, unerträglich für solch einen sonderstarken Gemeinwillen: als Rettungsanker erscheint das allerfesteste Stammesgefüge, auf dieses ist der Wille Aller gerichtet, und so durchtränkt das rassische Stammesalleingefühl den ganzen Glauben. Was die Glaubensweihe der Juden bezweckt, das ist – da ihr Willensleben entstaatlicht worden, strengste Sicherung, Reinheit und Macht des Stammes und Blutes. Das allmähliche ausserstaatlichen Wiederaufblühn des Judentums gilt dem allgemeinsamen, rücksichtslosen Reichtumserwerb, die Leistung aller Einzelnen, ist daher über die Grenzen der staatlichen, völkischen Wirtschaftsgebiete weg, engstens mit einander gegen alle Stammesfremden glaubens- und blutgefühlsmässig verbunden, so wie ein gewaltiges Heer von verschwiegnen Freischaren, Spähern, Vorposten, ist über das weite Herrschaftsgebiet der Erde verteilt; hier dient nicht (wie oberflächlich gemeint worden), der Glaube als Deckmantel schlauer Erlangung irdischen Wohlstands – hier ist, in logischster Ausprägung des allirdischen, allrassigen Hungerglaubenswahns, der irdische Wohlstand selber zum Glaubensinhalt geworden, die völlige Hungerregelung, die der Stammesmacht stolz zum Gradmesser dient. Die einzige Inbrunst gilt dem Rassestamme, als Lebensmacht, Erhalter und Gottheit des Einzelnen – erst infolgedessen besteht die Sucht zum Gelde, als stärkste Macht und Gesamtkraft des Stammes, als Boden seiner aussergebietlichen, «exterritorialen» Staatsform. Gerade als Gegner des Massengeistes, der im Gelde so offenbar, muss ich im geldmächtigen Judentum einen Staat «sui generis», zwar nicht im einzelnen Staat, sondern über den Staaten erkennen – der katholischen Kirche, besonders seit 1870 (dem ersten Vatikanischen Konzil), vergleichbar. Wie sonst die Staaten im Namen der Landeswohlfahrt, des «territorialen» Massenwillens, die einzeln Gebiete des Staates und Einzelpersonen zur Fügsamkeit zwingen, so herrscht – von dem einen Zwange des Blutes bedient – der jüdische Rassestaat als exterritorialer Massenwille über seine Untertanen –, und derart mittelbar freilich über die ganze übrige Menschheit, da sie den Boden der Massenwirtschaft, das Geld, eroberten. Man hat gesagt, die Heimat der Juden wären alle übrigen Juden: Das heimatliche Wesen der Juden liegt im Geldbedürfnis der übrigen Menschheit, und soweit die Menschheit dem Gelde innerlich hörig ist, untersteht sie der Judenschaft. Unverständig ist daher der «Antisemitismus», wenn er gegen die wirtschaftlich-rassische Überelgenheit zu Felde zieht, aber den Massengeist in Mehrheits- und Rassevergötzung weiter grosszieht, und das als «nationalen Gedanken» anpreist, was nur der nationale Magen ist.
Wie weit auch der einzelne Jude –, dem einzelnen Nichtjuden gleich –, persönlich am Lebensvorteil des Geldes hängen mag, so schätzt doch ungleich den Nichtjuden, die festens gefügte jüdische Rassegruppe das Geld vor allem als Stammesgemeingut, als Rasse-«Fideikommiss», dessen blosser Angestellter, Rassebeamter, der Einzelne ist: wo starkes Blut- und Sippengefühl herrscht, da zeigt sich im Kleinen genau dasselbe, wie bei Bauern und Adel.
Begreiflicherweise, wenn auch für alle Nichtjuden wenig! erfreulich, geht es hier um die oberste Erdenmacht. Da sie einmal, der engeren Heimat verlustig, die ganze Erde als Wohnstätte haben, wollen die Juden die Linie ihres Geschickes in solcher Weise erfüllen, dass sie, auf Wiedererstehung als Kleinstaat verzichtend, eben die ganze Erde als Staatsgebiet einnehmen, alle Macht und Lenkung in ihren Händen vereinigen. Scheinbar dawider wirkt der Zionismus, und folgten ihm alle Juden, so zehrte sich sicher die Judenübermacht auf. Doch der Zionismus ist wenig mehr als ein kleiner, seelisch tieferer Nebenstrom der jüdischen Flut; erreicht er sein Ziel, die Wiedererrichtung des Tempels in israelitischen Staat Palästina, so wird der Zionismus der jüdischen Weltmacht den Tempelbezirk des Glaubens erworben haben, inmitten des erdumspannenden Judenstaates, sichtbarr Mittelpunkt des Glaubens, gleich dem Vatikan. Allen Juden ein möglicher Glaubenstriumph, und vielen die Aussicht beruhigten Daseins, bedeutet der Zionismus für Nichtjuden dennoch keine Entscheidung des Machtkampfs zu ihren Gunsten, etwa durch Ausschaltung des unmittelbaren jüdischen Wettbewerbes; dieser ist allzu sehr das Triebrad des weltwirtschaftlichen Arbeitsgefüges geworden, als dass er ausscheiden könnte.
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Die Neuerstehung des jüdischen Volkes, die Neugewinnung der Nahrungssicherheit stand und fiel, sie steht und fällt mit dem strengsten Zusammenschluss aller, je nach den Schicksalsschlägen wurde und wird sie zu immer festerem Hort die Gesamtheit, auf deren Bestehen der Einzelne angewiesen ist. Des Einzelnen Wohlstand bedeutet der Mitgenossen Gedeihen! ob dieser, ob jener gewann, ist gleich, denn Jeder besitzt nur als Stammeslehen, was er erworben – der Stamm, die Gemeinschaft ist wahrer Besitzer der Güter und Kräfter Aller. Jeder, der nicht diese unbedingte Stammeshörigkeit fühlt und teilt, sich nicht scharf von den andern Völkern, dem fremden Blute, den fremden Bräuchen und Sitten innerlich fernhält, sich vom Glauben an duldsame Lebensmannigfaltigkeit, freiere Gottesordnung ein für allemal lossagt – war und ist ein Abtrünniger, hassenswürdig als Stammesverräter und Feind.
Auf solcher Reinzucht zur Stammesempfindung, zur Rasse-Einheit, beruht die ganze Machtentwicklung des Judentums: es ist das Geheimnis des Erfolgs, ein Vorrecht, das das Judentum mit keinem Volke zu teilen wünscht; daher seine Scheinbekämpfung des Rassegedankens bei andern Völkern, die nach gleichen Waffen in Kampf um die Macht streben und Rassegeschlossenheit wider Rassegeschlossenheit setzen wollen. Statt den tiefen Lebenskampf auf höhere Stufe zu heben – in Innenentlastung des Eigenwesens – halten ihn die Judenfeinde erst recht auf demselben Massenboden fest; am Gegengifte, das sie empfehlen, wird die Menschheit ebenso lange zu leiden haben, wie schon am Gifte.
Zur unbedingten Stammeshörigkeit, wie sie zuerst die Wüstennot, später die Kriegsnot zeitigte, neigten von vorne herein am wenigsten die Bauern des eigenen Ackers, die mit eignen Mühen Ernte erhofften und Liebe zum eignen Erdenflecke gewonnen hatten. So eng sie die nächste Nachbarschaft binden mochte, in Sippen und Dorfgemeinden, in Arbeits- und Festbrauch und im Gottesdienst – die weitere Stammesmacht blieb ihnen fremd und fern, die grossen Geschicke des Ganzen berührten sie innerlich wenig, wenn ihr Feldbetrieb leidlich gedieh, wie kluge Eroberer das immer begriffen haben und sicher regierten, wenn sie den Bauern wenigst behelligten. Mit dem Kreislauf der Erde lebend, verehrten sie unmittelbarer die Erd- und Himmelsmächte, als jenen furchtbaren Jahwe. Sie lebten mehr mit der Scholle und zogen es vor, unter fremder Herrschaft das Land zu bebauen, als Grossmachtsträumen zuliebe ins Weite zu wandern; und wurden sie doch in die Fremde verschleppt, so fassten sie schnell auf dem neuen Boden, der Acker war, wieder Wurzeln. Die sesshaften Israeliten machten aus Wesensgründen die Stammesgeschichte nicht mit.
Nur jene Naturen schlossen sich immer fester ans Stammesgeschick, in denen das alte Wüstenhirtenempfinden wieder erwachen konnte: unstet, flüchtigem Schnellerwerb zugetan, sinnend bedächtiger Tätigkeit eher abgeneigt, musste ihnen ein verpflichtendes, festverbindendes, weitverzweigtes Geheimnetz von Kundschaft, Lauerung, Notstandsberichten, Nutz- und Austauschbeziehungen allersicherste Lebensgrundlage scheinen – sicherer als blühende Liegenschaften von Äckern und Wiesen. Sie konnten sich leicht vom Lande, schwer von dem Stamme trennen, sie wurden je länger je mehr ihrer Volks-Gemeinmacht willige Werkzeuge, ohne stammeswidriges Eigenstreben, voll regen Erwerbsinns, der jedem Einzelnen doch nur insoweit fruchtete, als er die anderen Volksgenossen mitbeteiligte. Jedes Einzelnen Vorteil war nur ein Zins vom Gesamtvermögen, dem Stammesbunde – ein Anteil («Dividende») am Stammesgewinn. Anders Geartete hätten auch gar nicht vermocht, die unbedingte Demutshörigkeit, wie ihr Eingottglauben sie forderte, treu zu befolgen und doch geschäftig tätig zu sein, den eignen Willen zu nutzen und doch den Kreis des Gemeingehorsams nie zu verlassen. Hier ist geradezu die Musterlösung der schweren Frage: wie den Einzelnen enteignen ohne ihn zu vernichten: er ist Speiche des allgemeinsamen Rades, Rädchen des allgemeinen Gewerkes.
So wurde aus ackerfremden Naturen, die wesenhaft zu beweglicher Zwischenwirkung, als leichtester Hungerregelung neigten, der Grundstock des Judentums.
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Dann kam es zum steigenden Völkerverkehr; die Mehrbevölkerung liess überall die Bedeutung des Ackers sinken, für dessen Bestellung ja weniger Hände genügen, als Hände nach Brot und Erwerb sich strecken: immer grössere Menschenmengen mussten ausserhalb des Ackerbetriebes leben: immer mehr geriet die Gesittung auf Warenerzeugung und Arbeitsaustausch.
Da wurden bewegliche bare Mittelwerte und Mittelsmänner des Austauschs erforderlich – weil der bare Tauschverkehr durch den regen Austausch zu Ende kam. Die Tagesleistung der Einzelberufe nahm immer mehr unterschiedlicheren Sonderwert an, andererseits dienten die Ergebnisse dieser beruflichen Sonderleistungen, ihre Erzeugnisse immer weniger unmittelbar der Ernährung, also werden sie zwar höher bezahlt, doch in minderer Menge vom Einzelverbraucher beansprucht. An Nahrungsmitteln ist ein grösserer Verbrauch als sonst an Waren – der Schuster kann wohl ein erstes Mal mit seiner Stiefelware dem Bäcker die Brotware bezahlen, doch längst eh die Stiefel verbraucht sind, ist ihr Gegenwert in Brot verzehrt, und der Schuster braucht früher von neuem Brot, als der Bäcker neue Stiefel in Zahlung zu nehmen willig ist; so muss der Schuster statt Ware nun eine Warenanweisung – Geld – dahin geben, das er anderswoher für seine Stiefelleistung statt unerwünschter Gegenware empfing, deren Verbrauch eben wieder geringer, als der seiner eignen Ware ist. So kommt es zum Gelde, in erster Stufe, zum schwebenden Arbeitsausgleich.25 Eine höhere Berufsart entsteht, sobald die niedere ein Teil seiner Arbeitskräfte durch technischen Fortschritt, verbesserten Arbeitsbetrieb, entbehren kann. Jeder höhere Beruf wird dabei von immer weniger Einzelkräften zu allgemeinem Genüge bedient, und da der höhere Arbeiter grössere Leistungsmengen liefert, als der Einzelverbraucher bedarf, und folglich zum Gegenausgleich, das er sich durch den höheren Preis seiner Leistung erwirbt, des Zwischenmittel des Geldes bedarf. Zuwachs der Volkszahl und Arbeitsfortschritte steigern immerzu das Gemeinbedürfnis an Geld.
Hier ersah sich der kleine semitische Rassesplitter die Erdenrolle. So musste er schnellstens zur Geldmacht werden, wiederum sinken als im Mittelalter das Trümmerfled des römischen Weltreichs wieder zum Acker wurde, und musste wieder steigen, sobald die Bevölkerung anwuchs und wieder ackerfremd wurde.
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Es muss in aller Schärfe gesagt werden: die unvermeidliche Ackerentfremdung bei steigender Volksdichte erzeugt in jedem Volke gerade die Unstetigkeit, jene boden- und wurzellose «Exterritorialität», wie sie den Juden eigen ist, seit sie mit einem Schlage ihr Land verloren hatten. Ohne schon vorhandene Ackerentfremdung kann ein Volk dem jüdischen Einfluss gar nicht verfallen.
Die Mehrung der Volkszahl, von der die völkischen Judengegner in Rassevergötzung schwärmen, züchtet somit den Zustand, die Rassestufe heran, vor dem sie ihr Volk bewahren wollen, und dem zuletzt sogar die ackerständigen Schichten durch Weltmarktverhältnisse unterliegen. Doch wäre diese äussere Abhängigkeit nicht das Schlimmste, zöge die Allfron der Massenwirtschaft nicht die innere, mammonistische Hörigkeit, all die Sucht nach den Scheinwerten des Lebensersatzes gross, an denen am meisten verdient wird, bei denen die Lebensenteignung, die Lebensalterung stets beschleunigt um sich greift. Und diese mammonistische Stufe des Geldes begünsigt allzu eindringlich der Einheitsglaube, sei es als Bibel-, Natur- oder Rassedogma.
Nur dann bedeutet die unvermeidliche Lösung vom Ackerstande keine Lebensminderung, wenn die Handwerker, Kaufleute, Techniker, Arbeiter, Lehrer, Beamten – die wesentliche städtische, stadtbildende Volksschicht – in höherer Geisteserfassung zugleich mit der engen Naturgebundenheit, die dem Bauern entspricht, auch die Götzenverehrung der All-Naturgesetze, der starren Gemeinhörigkeit aufgäben und sich als beauftragte Kämpen der Umgestaltung der Welt, der Naturerhöhung bekennten. Wer in der gegebnen wirren Natur die Lebensgrenze empfindet, muss entarten, wenn er nicht auch den wirklichen Arbeitsumgang mit der Natur, dem Boden der Nahrung behält. Nur wem die Zukunft der Natur, der Klarismus, seine höhere Heimat ist, kann des steten Erdenfleckes entsagen.
Und diese innere Notwendigkeit zwingt die Juden, wie sie einmal geschichtlich wurden, die ganze Erde und Erdenmacht zum Ersatz der verlornen Acker an sich zu bringen, wie sie auch grade die schärfsten Bekenner des baren Naturwahns sind, verwurzelt in Allmacht-Vergangenheit.
Dieses Volk ohne Land, dem bald die ganze Erde gehört, ohne Heim und dennoch im Stammesverbande Heim, Stätte und Lebensboden besitzend, ist in seiner Macht oder Ohnmacht der Gradmesser des Massentums in der Menschheit; selbst in Unpersönlichkeit und Allgemeinsinn wesenhaft wurzelnd –, Masse, aber in Minderzahl, dünn verbreitet und doch im Blute unzerreissbar verknüpft, gedeiht das heutige Judentum nur auf dem Boden massenmächtiger Allgemeinheit, die zahllose Einzelne fest in Enteignung umspannt, und sie dadurch dem Massentum früher oder später übergibt –, auch wenn, wie in Russland, noch Scheinhemmungen walten, begründet im vorwiegenden Ackerbaustand. Und so gedeiht das Judentum vorzüglich, als Massenoberschicht, Massenadel, Oberbesitzer der Erde. So hart es klingt, so stimmt es doch.
Wie lange wird es noch dauern, bis das Massentum die «demokratische» Maske von sich wirft!
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Wirklich, die bare Unpersönlichkeit alles Geldes bestimmt dieses sozusagen zum all-jüdischen Zukunftseigentum; kluge Unpersönlichkeit in erbgefühlmässig, überlieferungstreu geschlossner Erwerbsgenossenschaft, das was die Rassezüchtler als rassestaatliches Ziel erstreben –, ist das innere Wesen des Judentums und wird bei gleichem Gemeingefüge jeder andersblütigen Rasse ebenso eignen. Der Kampf in dieser Ebene, der Rassewirtschaft, wird nur mit dem inneren Siege des Rassengeistes enden, selbst wenn der Orient alle Semiten zurückempfängt. Andre Wege allein vermögen zu höherem Ziele zu führen: zur inneren Freibelebung der Einzelpersönlichkeit, wie sie gegen den Mammongeist die tiefsten Geister bereits in Israel selbst erahnten.
Denn freilich ist diese rassemächtige Stammesentwicklung Israels gradezu Gegenpol dessen, was echte Gottesahnung im Seelenleiden der besten Jahwegläubigen ward, wie gleicherweise in jedem Volke, das diesen Entwicklungsweg geht, die innere Scheidung reifen muss: hie die äussere Massenmacht! hie die Beflügelung des Eigenwesens! Die Erdengewalt wird nur durch Preisgabe seelischen Höherwuchses erworben, wie er dennoch in jeder geschichtlich gewordenen Rassengemeinschaft eigentümlich veranlagt ist. Das ererbte Blut, die reinen oder getrübten Willensklänge im eignen Leibe bestimmen dem Menschen die Art seiner Höherentfaltung, in eigner Besonderheit neben den andern Menschen und andern Kassen; doch wird das ererbte Blut aus köstlichem Ahnenschatze ein lähmendes Gift, sobald der Mensch mit diesem Schatz und Pfunde nicht waltet, sondern auf ihm sich versitzt, und statt eines Lebensmehrers ein Grabhüter wird – aus falscher Ahnenehrfurcht, die blosse müde Lebensfeigheit bedeutet. Da wird er zum Rassesklaven, gerät in Massensinn und seelischen Schwund.
Aus diesem Grunde laufen in jeder Volksgeschichte zwei grosse Linien mehr und mehr auseinander: die Reihe der Geister, die hoch und höher das Lebensbild der Sehnsucht tragen, das Lebensziel des Willens stecken – und jene Folge der äusseren Zustände, die im Massenglanze des Grossgewerbes den seelischen Stillstand erreichen. Je näher diesem das äussere Volksleben, desto unverstandner, ferner, erhabner stehen darüber die einsamen Sprecher der tieferen Seele des Volkes, das in dem rassenmächtigen Staate zur «petrefakten Mumie» geworden, naturstarr bei aller Arbeitsunrast, dem inneren Rasseziele entfremdet.
Diese Trennung geschah genau so in Israel, wie sie sich jetzt in den neuen Völkern vollzieht, die durch den «Aufschwung» der Volkszahl allmählich dahin kommen, wohin die Juden längst beschleunigt gelangten.
Bei solcher Entwicklung, die alle Nahrungsbeschaffung vom Einfluss der Wettergewalten löst und die Hungerstillung durch Stammesgemeinmacht regelt, schwindet allmählich die Glaubensbeziehung des Einzelnen. Einziger wahrhaft höherer Inhalt des Einzelstrebens ist schliesslich der Stamm, und alle Gebote und Sitten, wären sie auch mit älterer Glaubensweihe umkleidet, haben den einzigen Auftrag, die unbedingte Stammesherrschaft über die Einzelnen völlig zu festigen. Zwar die Vielgötzenfurcht schwindet, die erste Verbildung des Glaubens, doch bleibt der Hunger als Wesenskern der Ehrfurcht vor Stamm- und Stammesgrösse bestehen, verdorren tut aber stetig die Wurzel alles Glaubens und Lebens: das eigene Streben, das dem Willen ein Tatenziel in Naturerhöhung weist.
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Seit Babylonien der Juden Herr geworden, lebte in ihnen einzig der eine Gedanke: die Wiedererrichtung des Staates, die Hoffnung aus künftige Macht. Und ward ihnen auch nach wenig Geschlechtern durch höfisch-gute Beziehungen zu Persiens Monarchen die freie Rückkehr nach Palästina, so blieben sie doch unter persischer, hellenistischer, römischer Herrschaft, gedrückt und gebrandschatzt und lebhaft blieb die Hoffnung auf ihren Messias, indes sie im ganzen Mittelmeergebiete Schätze erwarben — noch vor den Zeiten des Ghetto.
Die Nährer und Pfleger dieses völkisch-staatlichen Glaubens waren die Priester des Tempels auf Zion, von Esra dem geistigen, und Nehemia, dem weltlichen Leiter an. Mit klugem Sinne schrieben sie nun, zur Stärkung des Stammesgedankens, die Vorgeschichte des Volkes Israel. Jahwe, der Stammeseingott, der schon seit Jesaja als aller Fremdgötter Obergott galt, erschien, ob mit, ob ohne chaldäisch-zoroastrischen Einfluss, als Herr und Schöpfer der Welt, der gleichsam als zweite verbesserte Schöpfung den Stammvater Israels, Abraham auserwählte und ihm die Herrschaft über die Erde versprach, dann, als dritte Schöpfungstat den besondren Sinaibund mit den Nachkommen Abrahams schloss und zu Hütern des Bundes die Aaronsippe bestimmte. So ward im Namen des Stammesstolzes den Priestern die erste Stelle gesichert.
Und doppelt suchten sie diesen Standesposten dadurch zu festigen, dass sie im früheren Untergang nun mit andrer Begründung, als die früheren Propheten, Jahwes Strafe deuteten. Jahwe hätte die frommen Opfer an «allerlei Stellen» verboten, sie nur in dem einen Bundesheiligtum eingesetzt, doch dem Einzelnen jeden Opfervollzug untersagt, ihn nur den Priestern, Levi's Geschlecht, überwiesen – und hätte doch (so hiess es nun!), als Pflicht eines Jeden und all des Volkes die tägliche Opferung ausdrücklich gefordert, da er den Bund auf Sinai schloss, wovon allerdings Jeremias! gar nichts wusste (Jeremias 7:22). Rachewürdige Sünde war es, gar nicht zu opfern und rachewürdige Sünde war es, ohne Priester und nicht am Bundesaltar zu opfern. So wurden alle die Opfer, die frommen Sinnes das Volk seinem Jahwe seit langen Zeiten auf allen hohen Hügeln, bei allen grünen Bäumen gebracht, mit einem Male hinterher für Abgötterei erklärt und darin der Grund für das racheschreckliche Schicksal des Volkes gesucht. Die ganze Königsgeschichte wird in diesem Sinne zurechtgestutzt, und die «Sünde Jerobeams» – eben die Jahweverehrung ausserhalb Zions – erscheint nun nachträglich so schwer, wie die «Sünde Ahabs», der Dienst anderer fremder Götter, den die früher» Buss-Propheten nächst der inneren Standeszerklüftung vor allem getadelt hatten.
Dadurch wird der Priesterschaft Zions ein mächtiger Einfluss; zugleich erklärt sichs, warum bei dieser, schon vorexilischen Richtung, der Bauernstand nach und nach sich der Stammesgemeinschaft entzieht, die schliesslich vor allem aus Städtern, Zwischenhändlern und Handwerkern besteht.
Die Ackerbauern pflegten, begreiflicherweise, den altüberlieferten Jahwedienst –, der eigentlich gar nicht so sehr von andern Götterdiensten sich unterschied –, fern von Jerusalem unter Bäumen, auf Hügeln, bei Steinen; fremd und lästig war ihnen nun die neue, als ältest vorgespiegelte Pflicht, den jährlichen Demutsgang nach Jerusalem anzutreten, inzwischen aber dem alten Gottesbrauch zu entsagen, der eingewohnten Frömmigkeit. Derart fallen die Bauern nach und nach dem Leben und Glauben der nichtisraelitischen Umwohner zu, und entfallen der späteren Zeit Israels, wo die reisebeweglichen Stadtgeschäftsleute mühelos fromm zu sein vermochten, lag ihnen doch am Gottesdienste da draussen nichts, war doch Jerusalem so wie so der Mittelpunkt ihrer verzweigten Gemeinschaft.
Die Priester Jerusalems haben die örtlichen Gottesdienste teilweise aufgesaugt, teilweise ausgestossen, und durch Gewinnbeteiligung der Leviten, der früheren Landpriester, sich die Leitung des Grossbetriebes an Weihen und Opfern gesichert, genau wie auf dieser Stammesgrundlage später der Handel und eigentlich alles Vermögen dem jüdischen Grossbetrieb untergeordnet wurde.
Doch wussten die Priester der örtlichen Frömmigkeit entgegenzukommen, durch dass sie aller Orten Gesetzesschulen gründeten, wo ein Jeder am Wochenfeiertag Jahwes Gesetzeslehre zu hören bekam, die Lehre, dass nur in Jerusalem Jahwe wirklich verehrt und zu versöhnen sei. So wurden die Schulen zu allerwirksamsten Werbeämtern der neuen priesterlich-straffen, städtisch-geschäftlichen Stammesgemeinschaft, zugleich zu Meldeämtern von Handel und Wandel, den ältesten Börsen. Und neben die Priester traten als Laienbrüder die Schriftgelehrten, die Aus- und Zurechtleger des immer noch nicht genügend priesterlich durchverbesserten Bibelbuches,26 das erst im Talmud den Abschluss fand.
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Begreiflicherweise musste an solchen Mächten die Botschaft des Heilands erbitterte Feinde finden.
In Christus, der den Rachegesetzesglauben bekämpfte, und so die seelenbeklemmende Satzungsherrschaft niederriss, die Opferverpflichtung zu Zion, die den Priestern so reiche Zinsen eintrug, mussten sie den gotteslästernden Stammesschädiger sehen, ihn hassen und bis aufs Blut und über den Tod hinaus verfolgen. Mit ihnen mussten die Schriftgelehrten gemeinsam fühlen und handeln, sie, deren Ansehen und Brot auf dem Deutungsbedürfnis all der Gesetzesstellen beruhte: desgleichen die Pharisäer, deren aller Seelenkraft darin bestand, durch peinliche, eitle Befolgung der Schrift ihrer frommen Pflicht gegen Gott und Stamm zu genügen, und weiter durch Rücksichten unbehindert dem Gelderwerbe nachzugehen. Durch Jesu Worte brach dieses Glaubensgerüst zusammen, die ganze Lebensführung erschien bedroht.
Und jene, wenig von Glaubensfragen bewegten, staatlich Gesinnten, mussten, nach kurzem Aufmerken dank dem Zulauf des niederen Volkes zu Christus, bald enttäuscht von seiner Lehre der Liebe, die Hoffnung fallen lassen, er werde das Königtum Davids, das Reich Israels wieder errichten; so fürchteten sie doch eher Unannehmlichkeiten mit Rom, gaben ihn preis und wandten sich wieder ihren Geschäften zu.
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Zwar keine Juden, doch grade derart Gesinnte, erdenkluge Machtmenschen, nehmen in Rom den Vorteil gewahr, den das Kreuzesschicksal des Christus bietet –, als daran die Bewegung des Christentums und dessen glühende Anhängerschaft anknüpfte. Die Frohe Botschaft umbiegend, umdeutend fand der römische Amtsgeist allergeeignetste Hilfe zur Weltbeherrschung im Glaubensgedanken, der alle frühere Götzenfurcht voll zusammenfasste, im Wahne: die nichtig-sündige Menschheit habe einzig durch göttliches Selbstopfer Rettung vor Untergang finden können.
Die ersten Christen hofften, in Missverständnis, auf baldigen Anbruch des irdischen Herrlichkeitsreiches, nach vorhergehendem Weltgericht; als weder dieses noch jenes kam, richtete sich die Kirche als Daueranstalt ein – schon damit eine andre, nicht minder enge Gesinnung bezeugend. Als Erbe der Zionpriester und Erbe der römischen Amtsverwaltung entwickelt die Kirche mit unübertrefflicher Klugheit, durch alle spitzen Klippen des blossen Wortgezänkes lotsend, den Sinaiglauben weiter und –, mit ihn die heidnischen Dienste verschmelzend. Die Göttergemeinde lebt als Schar der Heiligen weiter, an Gotteshäusern wird nicht gespart, im Gegenteil schiessen die örtlichen Heiligtümer und Wallfahrsorte empor, doch eingemeindet in Rom, das sich mit echten und falschen Urkunden (wie den pseudoisidorischen Dekretalen), vor allem aber mit zähem Willen, die Kaiserhoheit in allen Glaubensentscheidungen zulegt, und jede Unbotmässigkeit niederzuschlagen weiss mit den neuen Schreckensgedanken der «Ketzerei».
Die Zionpriesterschaft, gleich der ägyptischen, indischen, griechischen, lebte zumeist vom Gedanken des falschen und richtigen Opfers; die Kirche aber lebt von der falschen und richtigen Lehre, und Glaubensirrtum ist jetzt so sündhaft, wie vordem Opferversehen. Das liegt daran, dass das Gottesopfer von Golgata, als ein einmaliges Weltgeschehen, nur einen einzigen Wesensverlauf gehabt haben konnte; und hierin irren, hiess, es entwerten, es ungeschehen machen und Gottes Zorn zum Höchsten reizen, der nur durch dieses einzige Opfer und seine gläubige Hinnahme besänftigt schien.
Den Anspruch auf einzig richtige Glaubensverkündung, durch die Sendung Petri geweiht, die Rom im Namen des alten Ruhmes erhob, und diesen Anspruch gegen Byzanz durchsetzte, war die wichtigste Rechtsurkunde der kirchlichen Macht. Die Unfehlbarkeitslehre des ersten Vatikanischen Konzils war der folgerechteste Abschluss dieses Gedankens, das wahre, verwirklichte Erbe des Jahweglaubens. Zwar war die jüdische Opferoberbehörde unvereinbar mit Weltherrschaft, und also unverwendbar beim Siegeszug des Alleingottestums –, die römische Glaubensoberbehörde und ihre Dekretalen dagegen allerverwendbarst.
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Aus diesem Obergedanken – der Rache Gottes für jeden widerrömischen Eigenglauben – flossen dann alle übrigen Dogmen, so die Macht und die Pflicht der Kirche, das Sittenleben zu regeln, Sittenfehler zu strafen oder durch gute Werke sühnen zu lassen. Das führte zur feinsten Seelendurchforschung durch die Beichte, zur Unterwerfung jedes Einzelnen unter die oberste Macht, die dadurch zu völlig willigen Hörigen kam, freilich zugleich auch zu umfassendsten Einnahmen, sei es in bar oder an Einfluss, in Wertbesitz oder Bussearbeitsleistungen wirtschaftlicher, staatlicher, geistiger Art.
Wohl behauptet die Kirche einzig die geistlichen Angelegenheiten, das Seelenleben gottgefällig leiten zu wollen, die irdischen Dinge nicht; doch behielt sie sich immer vor, selber die Grenze zu ziehen, wo das Geistliche aufhöre.26a Schwere Arbeit und unbeliebte Verrichtungen, wie das Henkeramt, überliess sie gern dem weltlichen Arm, aber in jede noch so neue Erwerbs- und Einflussmöglichkeit wusste sie sich als leitende, nutzniessende Kraft hineinzufügen – vielmehr, das jeweils neuste Erwerbsgefüge sich selbst dienstbar zu machen; sie tut es heute mit Presse und Arbeitsverbänden. Es muss aber billigerweise zugestanden werden, dass wie schon unter dem Hungerwahn, und besonders auch laut dem Bibelglauben, wirklich alle Lebensbeziehungen geistlicher Art sind, und die niederste Leistung noch, die allerstofflichste, unter der höchsten Lebensregelung steht; es ist nicht Anmassung, wenn die Kirche in alles sich einmischt, weit eher wäre es fahrlässig, wenn sie sich nicht um alles kümmert. Denn darin ist der Bibelglaube durchaus dem «heidnischen» gleich: sie beide fordern Brot und Wohlergehen von Gott und beugen sich darum dem, was als Wille der Gottheit gilt. Geht es beim Glauben um Brot, Erwerb und Volksmacht, dann dringt der Wille Gottes mit Fug in die allerweltlichsten Dinge, und namens seiner waltet die Priesterschaft.
Das «heidnisch» echte Mittel, wie die Kirche zur Macht kam und wie sie die Macht bewahren muss, ist die stete Berufung auf Gottes Rache durch Höllenqualen im Jenseits und Hungerqualen im Diesseits, die Einängstigung jeder Seele vor unerbittlichem Launewalten des Weltengottes. Neben dieser Züchtung der Götzenfurcht stand, sie ergänzend und nutzend, die stete Bereitwilligkeit ihrerseits gegen bare Bezahlung die verscherzte Gottesgunst wieder durch Busse zu gewähren. Am Hungererlebnis den Menschen packend, durch das Hungermittel des Geldes Errettung versprechend, die Machtmittel der Hungerregelung derart an sich ziehend – stempelt die Kirche das Leben wirklich zum Hungerereignis, die Welt zum Hungerspielplatz göttlicher Willkürlaune, den Menschen zum Lakaien, der für Brot und Lohn seinen Herrn zu hintergehen trachtet.
Das Weltbild, das seit der Sintflut vor der jüdischen Seele schwebte, und durch die Ungunst des Erdenschicksals sich ihr weit früher und schärfer, als all den übrigen Völkern, eingeätzt hat – das hat die Römische Kirche zur allgemeinen Geltung erhoben. Ging es nach ihr, so würden ihre Beamten, die Priester, deren Truppen die Orden sind, allmählich aus der Menschheit eben denselben «Gottesstaat» völlig enteigneter Höriger machen und deren Glauben ganz ohne Umschweif auf Hungerreglung gestellt, ein Staat dessen Verwirklichung unter Beseitigung eigenpersönlicher Gottesahnungen, das Judentum tätig erstrebt.27 Der neuzeitlich-grossgewerbliche, massengleiche Allstaat – einerlei welcher Rasse, semitischer oder arischer – ist nur eine Nebenform der römisch-biblischen Kirche; beide sind die letzte Doppelform jenes Wüstenbildes der Kinder Israels, die den allgemeinen Wahn aller andern Völkern und Menschen, schärfer als sie erlebten und ihnen das allgemeine, zum Ideal erhobene Schicksal des Hungerwillens, geradezu vorgelebt haben.
Wie anders steht dawider das Wort Christi: «Mein Reich ist nicht von dieser Welt» und welche Erhabenheit liegt in jener Ablehnung des gleissenden Teufelsangebots, ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit abzutreten «so du niederfällst und mich anbetest»: Hier ist ein bewusster Wendepunkt in unserer Menschheitsgeschichte, die Absage an den Götzenwahn des Hungers.
Jeremias 7:22 Über Brandopfer und Schlachtopfer habe ich euren Vorfahren nichts gesagt und ihnen nichts geboten an dem Tag, da ich sie herausgeführt habe aus dem Land Ägypten!
Irrgänge des Geistes
Das monistische Weltbild:
Die Welt als Laune
Warum wurde Christus zu Jesus?
Das legalistische Weltbild:
Die Welt als Zwang
VIIIDer bürgerliche Glaube III
Das individualistische Weltbild:
Die Welt als Trotz
XIDas Widergeschick des Lebens
XIIPaulus
Die Irrgänge des Geistes PDF
Die Sintflut wird in den mythologischen Erzählungen verschiedener antiker Kulturen als eine göttlich veranlasste Flutkatastrophe beschrieben, die die Vernichtung der Menschheit und der Landtiere zum Ziel hatte. Als Gründe für die Sintflut nennen die historischen Quellen zumeist Verfehlungen der Menschheit. Die bekanntesten Berichte sind im 1. Buch Mose der Bibel (Genesis), im Gilgamesch-Epos und im Atraḫasis-Epos überliefert. In frühchristlichen Schriften und im Koran wird ebenfalls auf die Geschichte Bezug genommen bzw. davon erzählt.
Die Arche Noah war nach dem biblischen Buch Genesis, Kapitel 6–9, ein von dem Patriarchen Noah gebauter schwimmfähiger Kasten. Noah wurde laut der biblischen Erzählung von Gott erwählt und vor einer grossen Flut gewarnt. Er erhielt den Auftrag, eine Arche zu bauen, um damit sich und seine Familie, bestehend aus acht Personen, und die Landtiere vor der Flut zu retten.
Vieles spricht dafür, dass es zwischen 3000–2500 vor Chr. eine kurze Kaltzeit gab. In den heutigen Wüstengebieten Vorderasiens, in der Sahara und den Steppen Innerasiens entstanden blühende Gärten. Als das Klima wieder wärmer und trockener wurden, entstanden die Hochkulturen der Sumerer und Ägypter, welche die grossen Flüsse Euphrat, Tigris und Nil zur künstlichen Bewässerung nutzten. Gleichzeitig muss auch der Spiegel des Aralsee und des Kaspischen Meeres, obwohl das Klima in Innerasien trockener wurde, infolge der Abschmelzung von Gletschern sehr schnell angestiegen sein. Auch eine damalige Überflutung der vielen Senken in Mesopotamien wäre vorstellbar (heute teilweise als Stauseen genutzt). Die Sage von der Sintflut könnte ein solches Ereignis schildern.
Abraham ist als Stammvater Israels eine zentrale Figur des Tanachs bzw. des Alten Testaments. Er gilt auch als Stammvater der Araber; von seinem Sohn Ismael soll der Prophet des Islam, Mohammed, abstammen. Abrahams Geschichte wird im biblischen Buch Genesis bzw. Bereschit erzählt. Danach gehört er zusammen mit seinem Sohn Isaak und seinem Enkel Jakob zu den Erzvätern, aus denen laut biblischer Überlieferung die Zwölf Stämme Israels hervorgingen.
Abrams Vater Terach zieht aus der Stadt Ur in Chaldäa nach Haran in der heutigen Türkei, um dort zu wohnen. Er nimmt seinen Sohn Abraham und seinen Neffen Lot – dessen Vater Haran bereits verstorben ist, sowie Sara, die Frau Abrams, mit.
Die biblische Erzählung von Abraham findet einen Höhepunkt in der Bindung Isaaks, als Gott Abraham befiehlt, seinen Sohn zu opfern. Damit wird der Glaube Abrahams auf eine harte Probe gestellt. Tatsächlich sendet Gott jedoch im letzten Augenblick einen Widder, den Abraham an Stelle seines Sohnes opfert, und bestätigt ihm die früheren Verheissungen mit einem Schwur. Die Bindung Isaaks findet auf einem Berg im Land Moria statt. Nach jüdischer Überlieferung handelt es sich hierbei um den Tempelberg in Jerusalem.
Mit der Opferung seines Sohnes, den Abraham im Glauben an die Allmacht Jahwes, vollziehen will, bestätigt Abraham die absolute Unterordnung an die Eine Wahrheit. Mit der Verhinderung des Opfers durch einen Engel und dessen Ersatz durch ein Widder, wird Gott zum Beschützer des Menschen.
Ganz im Gegensatz zu den Azteken, welche glaubten mit Menschenopfern die Gunst der Götter zu erlangen.
Moses ist die Zentralfigur im Pentateuch. Nach biblischer Überlieferung führte der Prophet Mose als von Gott Beauftragter das Volk der Israeliten auf einer vierzig Jahre währenden Wanderung aus der ägyptischen Sklaverei in das kanaanäische Land.
Die Erzählungen um Moses sind im Alten Testament eng mit den Traditionen des Auszuges aus Ägypten, der Gesetzgebung während der Wanderung durch die Wüste und dem Aufenthalt der Israeliten in Kadesch-Barnea verbunden.
Die Deutung der Figur des Moses und die Versuche, sie historisch zu verorten, haben über die letzten Jahrhunderte nicht nur Exegeten beschäftigt, sondern auch Historiker, Literaten, Philosophen, Ägyptologen usw. Im 20. Jahrhundert haben Exegeten und vor allem Bibelhistoriker vorwiegend die Funktion und die Rolle des Moses in der Entstehung Israels und seiner Religion in den Mittelpunkt der Fragestellungen gerückt.
Saul war um 1000 v. Chr. der erste König Israels. Er steht für den Übergang eines losen Zusammenschluss einzelner Stämme zu einem fest gefügten Staat. Er stand in ständigem Konflikt mit den Philistern. Saul wurde von seinem Sohn Jonatan unterstützt, und auch David, konnte bald die Anerkennung des Königs gewinnen. Allerdings neidete Saul seinem Schwiegersohn zunehmend dessen Erfolge und Beliebtheit. In seinen durch einen bösen Geist ausgelösten Verstimmungen glaubte er einerseits von Jonatan und David, andererseits von Samuel bedroht zu werden. Saul starb im Kampf gegen die Philister, mit ihm fiel sein Sohn Jonatan, von dem David später sagte, seine Liebe habe ihm «mehr als Frauenliebe» bedeutet. Da es nun keinen Thronfolger mehr gab, salbten die Ältesten der Israeliten David zum König.
Salomo war der dritte König des vereinigten Königreichs Israel und Erbauer des ersten Tempels in Jerusalem. Sein salomonisches Urteil, ist im allgemeinen Sprachgebrauch verankert. Seine Regierungszeit gilt als goldenes Zeitalter des Judentums.
Dem biblischen Bericht zufolge musste sich Hoschea, der letzte König des Nordreichs Israel Salmanassar unterwerfen. Hoschea soll mit dem Pharao konspiriert und ihm etwa 725 v. Chr. einen Boten mit der Bitte um Hilfe gegen die Assyrer geschickt haben. Zu Beginn der dritten ägyptischen Zwischenzeit hatte sich Ägypten bis tief in die Levante ausgebreitet, dann aber seinen Einfluss in der Region an das Assyrische Reich verloren.
Nebukadnezar II. spielt infolge der Eroberung Jerusalems 597 v. Chr. eine wichtige Rolle in der Bibel. Er wird einerseits als Tyrann, andererseits durch die Propheten als Werkzeug Gottes zur Bestrafung der Sünden Israels dargestellt. Ein Teil der Judäer assimilierten sich wohl recht schnell in die babylonische Gesellschaft. So tauchen relativ bald jüdische Namen auf Inschriften auf, die belegen, dass sie in Hofstaat und Militär Nebukadnezars Karriere machen konnten. Die Zeit des babylonischen Exils war für die jüdische Theologie ausserordentlich fruchtbar. Es musste erklärt werden, warum der Tempel zerstört und das auserwählte Volk aus dem Heiligen Land vertrieben worden war. Das Buch Daniel der Bibel berichtet davon.
Daniel gilt als Vorbild eines auch in lebensbedrohlicher Verfolgung gottestreuen Menschen.
Nebukadnezar hat einen beunruhigenden Traum und befiehlt allen Wahrsagern und Traumdeutern seines Landes, den Traum zu erraten und zu deuten. Bei Versagen droht ihnen die Todesstrafe, bei Gelingen reicher Lohn. Als sie dieses Ansinnen als für Sterbliche unmöglich zu erfüllen zurückweisen, befiehlt der König, sie alle zu töten. Damit bedroht er auch Daniel, den jüdischen Seher und Traumdeuter in babylonischer Gefangenschaft. Daniel erbittet eine Frist und betet zu Jahwe, der ihm den Traum und seine Deutung in einer «nächtlichen Vision» offenbart. Jahwe habe ihn durch den Traum wissen lassen, «was am Ende der Tage geschehen wird». Der König habe im Traum ein riesiges metallisches Standbild mit Füssen aus Eisen und Ton gesehen. Ein von einem Berg rollender Stein habe die Füsse zertrümmert, das Standbild habe sich in Staub verwandelt, der Stein sei zu einem Berg geworden, der die ganze Erde erfülle. Das Standbild symbolisiere Babylon und drei folgende Reiche, die Füsse die Teilung des vierten Reichs. Dann werde Gott wie den Stein die Reiche vernichten und sein ewiges Reich errichten.
Daraufhin erkennt der Nebukdnezar Jahwe als Schöpfer der Welt an und macht Daniel zum Obersten aller Weisen im Land.
Der auf Nebukdnezar folgende König Darius wird von Neidern Daniels gedrängt, ein Gesetz zu erlassen, das die Anbetung von fremden Göttern bei Androhung der Todesstrafe verbieten soll. Weil Daniel dies nicht befolgt, wird er in die Löwengrube geworfen, die der König selbst versiegelt. Am anderen Morgen ist er noch am Leben: «… und man fand keine Verletzung an ihm, denn er hatte seinem Gott vertraut.» Daraufhin lässt der König Daniels Feinde hinrichten und erlässt ein Gesetz, das die reichsweite Achtung des biblischen ersten Gebots festschreibt:
«Er ist der lebendige Gott, der ewig bleibt, und sein Reich ist unvergänglich und seine Herrschaft hat kein Ende.»
Jesaja wirkte zwischen 740 und 701 v. Chr. im damaligen Südreich Juda und verkündete diesem wie auch dem Nordreich Israel und dem anrückenden Grossreich Assyrien Jahwes Gericht. Er verhiess den Israeliten aber auch eine endzeitliche Wende zu universalem Frieden, Gerechtigkeit und Heil und erstmals einen zukünftigen Messias als gerechten Richter und Retter der Armen.
Jesaja trat ab etwa 740 v. Chr. öffentlich in Jerusalem auf und reagierte auf die damalige Verarmung grosser Bevölkerungsteile mit einer scharfen Sozialkritik, die «Recht und Gerechtigkeit» für die Armen einklagte und Israels Überleben davon abhängig sah.
Jesaja interpretierte war die Bedrohung Israels durch die Assyrer als Strafe Gottes für die Abweichung Israels vom rechten Weg Jahwes. So betrachtete er die assyrischen Heere als Jahwes Strafwerkzeug: «Wehe Assur, dem Stock meines Zorns! Der Knüppel in ihrer Hand, das ist meine Wut.»
Der Titusbogen wurde Ende des ersten Jahrhunderts zu Ehren des Kaisers Titus für dessen Sieg über die Aufständischen in Judäa und die Eroberung Jerusalems im Jahre 70 n. Chr. errichtet.
Er ist ein Symbol und steinernes Zeugnis für das Ende des staatlichen Judentums und der Zerstreuung der Juden im ganzen Römischen Reich. An die Zerstörung des Tempels erinnern sich die Juden am Fastentag Tischa beAv.
Theodor Herzl war ein dem Judentum zugehöriger österreichisch-ungarischer Schriftsteller, Publizist und Journalist. 1896 veröffentlichte er das Buch Der Judenstaat, das er unter dem Eindruck der Dreyfus-Affäre geschrieben hatte. Herzl war der Überzeugung, dass Juden eine Nation seien und dass aufgrund von Antisemitismus, gesetzlicher Diskriminierung und gescheiterter Aufnahme von Juden in die Gesellschaft ein jüdischer Staat gegründet werden müsse. Er wurde zu dessen Vordenker, organisierte eine Bewegung und bereitete so der Gründung Israels gedanklich den Weg. Er gilt als Hauptbegründer des politischen Zionismus. Die ersten sechs Zionistenkongresse fanden unter dem Vorsitz Theodor Herzls statt. Die Idee des zionistischen Staates fand jedoch damals unter den europäischen Juden keine grosse Anhägerschaft.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs (nach der Drucklegung dieses Buches), fiel das Osmanische Reich mit tätkräftiger Hilfe der Engländer und seines Agenten Lawrence of Arabia (sowie etwas Hilfe der Franzosen) auseinander. Palästina wurde zu einem britischen Protekorat, Libanon zu einem französischen. In Anatolien und an der Küste der Ägäis übernahmen die Jungtürken die Macht. Der so entstandene moderne Staat Türkei, der Tributzahlungen seiner früheren Vasallen verlustig, fiel wirtschaflich und geistig-kulturell ins Bodenlose.
Die Türken waren Krieger, Beamte oder anatolische Bauern, der Handel und das Handwerk lag in der Hand der armenischen, griechischen und jüdischen Minderheit. Die Türken wollten ihr Land von «untürkischen» Elementen säuberen, gemeint waren damit nicht-muslimsche Glaubensgemeinschaften, welche untereinander in griechischer, armenischer oder hebräischer Schrift und Sprache verkehrten. Zu dieser Zeit wurde auch die moderne türkische Sprache geschaffen im lateinischen Alphabet, die vormalige in arabischer Schrift war unbrauchbar für den Alltag und nur für Gelehrte verständlich.
Die «fremden» Bevölkerungsgruppen, oder wie Eduard von Mayer das schreiben würde, «Rassen», die Griechen, Armenier, Juden wurden zunehemd drangsaliert. Im Vertrag von Lausanne wurde ein Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei vereinbart. Die Griechen wurden in Smyrna, heute Izmir, zusammengetrieben für die Überfahrt nach Griechenland, unzählige kamen dabei ums Leben. Zusammengtrieben wurden auch die Armenier, doch wohin diese gehen sollten, wusste niemand, auf einem langen Marsch schickte man sie in die syrische Wüste, der Völkermord an den Armenieren. Die Juden, die kleinste Minderheit, setzen sich nach Europa und Amerika ab, oder zogen nach Palästina, wo ihnen die Engländer Asyl gewährten, die Vertreibung der Juden aus arabischen und islamischen Ländern. Vertriebene Juden aus dem ehemailgen Osmanischen Reich, heute würde man sagen türkische Juden, wurden in den Zwanziger Jahren des letzten Jahrunderts, neben wenigen europäischen und schon seit ewigen Zeiten ansässigen «palästinensischen», die Urzelle des heutigen Israel.
Die Juden, dem «Volk ohne Acker», im Mittelalter und in der frühen Neuzeit in Ghettos gedrängt, blieben nur die Erwerbsbereiche nichtzünftiges Handwerk, Kramhandel, Pfandleihe, Kleinkreditgewerbe, Vieh- und Pferdehandel, Tuchhandel, Hausiererei und reisender Landhandel. Juden waren eine sozial geächtete, arme Minderheit.
Für die französischen Revolutionäre von 1789 galten für alle Landesbewohner die gleichen Menschenrechte. Zur Nation konnte jeder gehören, der sich zu den Prinzipien Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit bekannte. Schon vorher in England, dann seit der Revolution in Frankreich und den südeuropäischen Ländern, erst um 1870 in Deutschland, Habsburg-Österreich und der Schweiz, erhielten sie die bürgerlichen Rechte: Niederlassungsfreiheit, freie Berufsausübung und das Wahl- und Stimmrecht.
Im sich spät industrialisierenden Deutschland war der soziale Aufstieg der Juden besonders augenfällig. Durch die Jahrhunderte lange Tradition des Studiums der hebräischen Thora und des Talmuds, durch Lesen und Reflektieren des Textes, war für die Juden der Zugang zur bürgerlichen Bildung leichter: Viele ihrer Kinder wurden Ärzte, Juristen, Wissenschaftler, Bankiers und Industrielle. Aus armen, reisenden Tuchhändlern und Hausierern wurden innerhalb einer Generation, im einfachen Volksempfinden, unermesslich reiche Warenhauskönige.
Adolf Jandorf war geschäftsführender Inhaber der Warenhauskette A. Jandorf & Co. Durch modernste Verkaufstechniken stieg er aus einfachen Verhältnissen zu einem der vermögendsten Grosskaufleute Deutschlands auf. Mit dem Kaufhaus des Westens (KaDeWe) in Berlin gründete er 1907 das heute bekannteste deutsche Warenhaus. Um 1914 gehörten ihm sieben grosse Warenhäuser in Berlin.
The Singer Company wurde 1851 vom Unternehmer und Erfinder Isaac Merritt Singer und dem New Yorker Rechtsanwalt Edward Clark gegründet. Innerhalb kürzester Zeit stieg das Unternehmen zum grössten Nähmaschinenproduzenten der Welt auf. In fast jedem bürgerlichen Haushalt Deutschlands stand bald eine Nähmaschine von Singer oder ein Nachahmer-Produkt.
Aus der früheren Ablehnung, infolge Fremdheit der jüdischen Gebräuche und Sitten, dem Erkennen des neuen Reichtums, der Tradition der christlichen, scholastischen Kritik am Judentum, der Furcht vor dem Kommunismus Engles’ und Marx's, entstand ein gedankliches Gemenge, das hinführte zu einem intellektuell verbrämten Antisemitismus, der darin gipfelte in der Behauptung, es gäbe eine jüdische Weltverschwörung.
Das schwierige, komplizierte Verhältnis der römisch-katholischen Kirche zum Judentum beschäftigt seit Jahrhunderten die christlichen Scholastiker. Christus war Jude, Christus wurde gekreuzigt, weil die jüdischen Religionsführer ihn fürchteten. War das ein Verbrechen, von Juden begangen an Gott? Doch ohne das Kreuzopfer und die Auferstehung Christi, gäbe es das Christentum nicht! Ist das Alte Testament, das dem jüdischen Tanach mit wenigen Abweichungen entspricht, ein elementarer Teil des christlichen Glaubens? Oder bloss eine Vorgeschichte? Sind Juden Halbchristen? Oder sind Christen bessere Juden? Ist das Judentum eine mindere Religion? Das Christentum die heilbringende Weiterentwicklung desJudentums? Haben die Juden den Messias nicht erkannt? Müssen sie darum immer wieder die Strafe Gottes erfahren bis in alle Ewigkeit?
Das zweite Vatikanische Konzil, 1962–1965, hat mit Nostra aetate das Verhältnis der römischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen neu definiert. Mit einer klaren Absage an den traditionellen Antijudaismus beginnt eine Aussöhnung der Kirche mit dem Judentum. Das Dokument betont das Verbindende mit den anderen Religionen, ohne den eigenen Wahrheitsanspruch zu schmälern. Die katholische Kirche, so heisst es, lehne nichts von dem ab, was in den Religionen «wahr und heilig» sei. Christen, Juden und Muslime werden ermuntert, gegenseitig Missverständnisse im Dialog auszuräumen.
Dignitatis humanae über die Religionsfreiheit verweist auf die unverbrüchliche Menschenwürde jedes Einzelnen und spricht allen Menschen das bürgerliche Recht zu, ihre Religion frei nach dem eigenen Gewissen zu wählen. Gleichwohl betont das Konzil die Überzeugung, dass die «einzig wahre Religion» verwirklicht sei «in der katholischen, apostolischen Kirche».
Doch die Diskussion innerhalb der Kirche geht weiter. Papst emeritus Benedikt XVI. hat mit einem Beitrag Gnade und Berufung ohne Reue in der Zeitschrift Communio das Verhältnis aus seiner Sicht neu dargelegt.
Ist das nun Antisemitismus, Antijudaismus oder der Beginn eines «vertieften theologischen Dialogs» zwischen Christen- und Judentum, wie das Kurt Kardinal Koch, in seinem Vorwort schreibt? Kommentar auf kathpress.at und in der Neuen Zürcher Zeitung.
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Die gleiche Frage stellt sich auch zu Eduard von Mayers Betrachtungen über den Sinaiglauben, allerdings schon vor rund hundert Jahren geschrieben, als der Holocaust noch in weiter Ferne lag. Sind seine interessanten Ausführungen Antisemitismus, Antijudaismus und Teil der geistigen Hinführung des deutschen Volkes zum Nationalsozialismus, mit seinen schrecklichen, unfassbaren Verbrechen an der ganzen Menschheit?
Oder sind seine Betrachtungen das Gegenteil –, war er der Rufer in der Wüste mit prophetischer Voraussicht? Er schreibt in diesem Kapitel den bedenkenswerten Satz:
«Statt den tiefen Lebenskampf auf höhere Stufe zu heben – in Innenentlastung des Eigenwesens – halten ihn die Judenfeinde erst recht auf demselben Massenboden fest; am Gegengifte, das sie empfehlen, wird die Menschheit ebenso lange zu leiden haben, wie schon am Gifte.»
Zion hiess ursprünglich eine Turmburg der Jebusiter an der südöstlichen Stadtgrenze des vorisraelitischen Stadtstaats Jerusalem. Seit deren Eroberung durch König David und dem Bau des ersten Jerusalemer Tempels unter Salomo wurde der Zion im Tanach zum Synonym für den Wohnsitz Jahwes, des Gottes der Israeliten. Er rückte damit ins Zentrum der Hoffnungen des Judentums, die sich auf weltweite Anerkennung dieses Gottes und seiner Rechtsordnung richten. Diese Zion-Theologie durchzieht die Prophetie im Tanach seit Jesaja und bestimmte auch die Endzeiterwartung des Urchristentums mit.
David hatte bereits den Bau eines Tempels auf dem Berg Zion geplant, den sein Sohn und Nachfolger Salomo um 930 v. Chr. verwirklichte. Damit wurde der tatsächliche Berg Zion, die Davidsstadt, zum Tempelberg.
Zion als Ort der kommenden Offenbarung des Gottes Israels, zu dem eines Tages alle Völker hinströmen würden, hat die Darstellung der Geschichte Christi im Urchristentum mitbestimmt: Denn dieser Messias war für sie der, der durch sein Lehren, Heilen, stellvertretendes Sterben und Auferstehen das Reich Gottes verkörpert.
Als Berg Zion bezeichnet man heute einen Hügel südlich des armenischen Viertels der Altstadt. Diese offensichtliche Fehlidentifizierung stammt mindestens aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., als Josephus Jerusalems Westhügel «Berg Zion» nennt. Die deutschsprachige Benediktinerabtei der Dormition befindet sich heute auf dem Hügel. Während seiner Palästinareise im Jahre 1898 übernahm Kaiser Wilhelm II. anlässlich der Einweihung der evangelischen Erlöserkirche zu Jerusalem das für 120 000 Reichsmark erworbene Grundstück auf dem Berg Zion von Sultan Abdülhamid II. und übergab es dem Deutschen Verein vom Heiligen Lande.
Zion bezeichnet heute auch allgemein das verheissene Land, oder den Ort, wo der Messias erscheinen wird.
Die Pharisäer waren eine theologische, lebenspraktische und politische Schule im antiken Judentum. Sie bestanden während der Zeit des zweiten jüdischen Tempels und wurden nach dessen Zerstörung 70 n. Chr., als treibende Kraft im rabbinischen Judentum, die einzige bedeutende überlebende jüdische Strömung.
Im Neuen Testament werden Vertreter der Pharisäer als Heuchler kritisiert und herabgewürdigt. Dieses Prädikat ist in vielen Ländern mit christlicher Tradition umgangssprachlich für den Selbstgerechten oder Heuchler tradiert worden oder allgemein für Positionen, die in kleinlicher Weise Kritik üben und dabei den Zusammenhang vernachlässigen.
Nach der Darstellung der Apostelgeschichte war Paulus selbst Pharisäer. Auch nach seiner Hinwendung zum neuen Weg, betonte er seine Zugehörigkeit zum Volk der Judäer, die Treue zu traditionellen Riten und speziell die pharisäische Vorstellung einer Auferstehung.
Das Zweite Laterankonzil tagte im April 1139 unter dem Vorsitz Papst Innozenz’ II. im Lateran in Rom. Dasz weite Laterankonzil beendete das Schisma von 1130. Nachdem der Gegenpapst Anaklet II. 1138 gestorben war und Bernhard von Clairvaux dessen Nachfolger Viktor IV. zum Rücktritt hatte bewegen können, wurden deren Anhänger wieder in die Kirchengemeinschaft aufgenommen, jedoch entgegen vorherigen Zusagen ihrer Ämter enthoben. Das Konzil verurteilte die Lehren Arnolds von Brescia, und verabschiedete 30 Canones. Das daraufhin erstellte Decretum Gratiani gilt als Beginn der Kanonistik als eigenständige Wissenschaft. Vom 12. bis zum 14. Jahrhundert sind Dekretalen die Hauptquelle für die Entwicklung des kanonischen Rechts.
Pseudoisidorische Dekretalen sind übergreifender Name für die umfangreichste und einflussreichste kirchenrechtliche Fälschung des Mittelalters. Entstanden sind diese Fälschungen im zweiten Viertel des 9. Jahrhunderts im heutigen Ostfrankreich.
Die bewegte Geschichte des Frankenreiches im zweiten Viertel des 9. Jahrhunderts gibt den Hintergrund für die Fälschungen ab. In den dreissiger Jahren wurde Kaiser Ludwig der Fromme von seinen Söhnen abgesetzt, um seinen Thron kurz darauf zurückzuerhalten. Bei diesen Absetzungen und Wiedereinsetzungen spielten kirchliche Würdenträger schon deswegen eine Rolle, weil sie die Kirchenbusse für das angeblich sündhafte Leben der Herrscher verhängen mussten. Der kirchliche Strafprozess waren das Hauptinteresse der Fälscher.
Weitere Passagen der Fälschungen handeln in konventioneller Weise vom rechten Glauben, vor allem von Fragen der Trinitätslehre, also vom Verhältnis der Personen in der Dreifaltigkeit (Gott Vater, Gott Sohn und der Heilige Geist) zueinander.
Die «Leistung» der Fälscher wird noch deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass die Fälschungen nicht etwa frei erfunden, sondern mosaikartig aus echten Texten zusammengestückelt sind. Die Fälscher müssen äusserst belesene Leute gewesen sein. Die Bibel, das römische Recht, fränkische Gesetzgebung, Konzilien, echte Papstbriefe, obskure Diözesanstatute, theologische Schriften, Geschichtswerke und mehr mussten als Bausteine für die Fälschungen herhalten.
Für etwa 150 bis 200 Jahre war der Erfolg der Fälscher eher mässig. Dies änderte sich im 11. Jahrhundert. Unter dem Eindruck klösterlicher Reformbewegungen und von Reformbestrebungen mancher Kaiser, bemühte sich eine Gruppe von Kardinälen und eine ganze Reihe aufeinanderfolgender Päpste ab der Mitte des Jahrhunderts, die Kirche von Missbräuchen zu reinigen.
In dieser Situation kamen die Papstbriefe der ersten Jahrhunderte aus der Werkstatt der lange begrabenen Fälscher wie gerufen. Das enge Zusammenspiel zwischen Bischöfen und Papst war ein willkommener Beweis dafür, dass die Praxis der Kaiser in eklatantem Widerspruch zu den ältesten und ehrwürdigsten Traditionen der Kirche standen.
Wichtige Dekretalen im Mittelalter waren auch die Dekretale Venerabilem und die Dekretale Vergentis in senium, 1199, die grosse Bedeutung für die Entwicklung der Inquisition, dem kirchlichen Prozessrecht gegen die Ketzerei und Häresie erlangte.