Die Goethelüge – Widersprüche des Monismus
Die sechs Punkte in denen sich die Widersprüche des Monismus knapp zusammen fassen und die sich würdig an die Goethelüge Haeckels schliessen, stellen sich im Einzelnen wie folgt dar:
I.
Haeckels willkürliche Auswahl der Naturwissenschaft
Haeckel 1 sagt | Haeckel 2 sagt |
Meine Gegner tun mir übrigens zu viel Ehre an, wenn sie immer den Monismus … als Privat-Ansicht meiner Person behandeln. Derselbe ist vielmehr der Ausdruck der klaren einheitlichen Weltanschauung der modernen Naturwissenschaft. | Unser Monismus ist weder mit dem theoretischen Materialismus identisch, welcher den Geist leugnet und die Welt in eine Summe toter Atome auflöst, noch mit dem theoretischen Spiritualismus (neuerdings von Ostwald als Energetik bezeichnet), welcher die Materie leugnet und die Welt nur als eine räumlich geordnete Gruppe von Energien oder immateriellen Naturkräften betrachtet. |
Exzellenz Haeckel lehnt also die Energetik Ostwalds ab – wo bleibt die klare Einheitlichkeit der Naturwissenschaft?
Haeckel 1 sagt | Haeckel 2 sagt |
Wir begnügen uns hier mit der wichtigen Tatsache, dass gegenwärtig das «Energieprinzip» … durch alle kompetenten Physiker anerkannt … wird. | Der scharfsinnige Begründer der mechanischen Wärmetheorie, Clausius, fasste den wichtigsten Inhalt dieser bedeutungsvollen Lehre in zwei Hauptsätzen zusammen. Der erste Hauptsatz lautet: «Die Energie des Weltalls ist konstant»; er bildet die eine Hälfte unsres Substanz-Gesetzes, das «Energieprinzip». Der zweite Hauptsatz behauptet: «Die Entropie des Weltalls strebt einem Maximum zu»; dieser zweite Hauptsatz ist nach unsrer Ansicht ebenso irrig wie der erste richtig ist. |
Exzellenz Haeckel selbst lehnt also gerade den Beobachtungsteil der Energetik als irrig ab und behält nur ihre scholastische Spekulation. Das – Einheitlichkeit?!
Haeckel 1 sagt | Haeckel 2 sagt |
Ich kenne keine «tote und rohe Materie», keine Substanz ohne Empfindung. Die einfachste chemische Erscheinung … und das einfachste physikalische Phänomen … sind nicht begreiflich, ohne die Annahme, dass das Vermögen der Empfindung und Bewegung ebenso ein untrennbares Attribut der Substanz ist, wie die ausgedehnte und raumerfüllende Materie. | Wilhelm Wundts … Prinzip des psychophysischen Parallelismus, wonach zwar einem «jeden psychischen Geschehen irgend welche physische Vorgänge entsprechen, beide aber völlig unabhängig von einander sind und nicht in natürlichem Kausalzusammenhang stehen … Dieser vollkommene Dualismus von Leib und Seele … von einen angesehnen Naturforscher bekannt, der früher … unsern Monismus vertrat.» |
Exzellenz Haeckel sieht den Mangel des psychophysischen Parallelismus in der Ablehnung des Kausalzusammenhanges zwischen Psychischem und Physischem. Aber wenn, nach ihm selbst, keine Substanz ohne Empfindung ist, so begleitet allemal Empfindung die mit ihr untrennbar verbundenen materiellen Prozesse und umgekehrt: eine «kausale» Einwirkung ist damit logischerweise ausgeschlossen. Exzellenz Haeckels Verworrenheit besteht eben in der Gleichsetzung von Geist und Energie, die logischer Weise das Bewusstsein zu einer «Elementareigenschaft aller Atome», der immer energetisch erregten, machen müsste, wogegen er sich aber ausdrücklich erklärt.
Sobald und wo es Haeckel also nicht passt, lehnt er die hervorragendsten Naturforscher ab, und nennt das die – klare einheitliche Weltanschauung der Naturwissenschaft.
II.
Evolutionismus wider Energetik und umgekehrt
Haeckel vertritt als Biologe die Entwicklungslehre, die Einsicht, dass die Lebewesen höheren Lebensniveaus sich aus den niederen entwickelt haben, die vor ihnen lebten. Der organische Weltprozess zeigt demnach einen Wertaufstieg.
Ostwald als Physiker vertritt die Energetik, deren aus den Arbeitsbedingungen der Maschine gefolgerter Hauptsatz (2. Satz der Energetik) besagt, dass jedes Geschehen auf Kosten der vorhandenen freien Kraft und daher mittelbar der allgemeinen Energiehöhe geschieht und dass durch das immerwährende Geschehen die Energiehöhe immer tiefer sinkt. Der Weltprozess zeigt demnach einen ununterbrochenen Verlust verwendbarer Energie – einen unaufhaltsamen Abstieg. Vom Augenblicke der Zeugung bis zum Tode sinkt unaufhaltsam die Energie des lndividuums; vom ersten Auftreten der Lebewesen auf Erden sank unaufhaltsam die Zellenenergie bis zur zukünftigen völligen Degeneration des Lebens; vom ersten Entstehen unseres Planeten an sank immerfort die Energie, bis er dereinst tot ist; vom ersten Augenblicke des Kosmos an sank immerfort die Energie des Kosmos, bis sie ihren absoluten Stillstand erreichen wird.
Die klare einheitliche Weltanschauung der Naturwissenschaft steht also tatsächlich im schroffsten Gegensatz: Aufstieg wider ewigen Abstieg – Prinzipien von vollendetem Dualismus.
Dieser klaffende Widerspruch ist den «wissenschaftlich-exakten» Herren vom Monismus absolut nicht klar geworden. Professor Ostwald bringt es zuwege: zwar der alten Religion vorzuwerfen, dass laut ihr «der Weg der Menschheit nicht aufwärts, sondern abwärts führt», aber dabei völlig zu vergessen, dass seine Energetik weit schärfer, als je zuvor, dieses «Abwärts» der gesamten Weltenergie behauptet und geradezu eine absolute «Sündenfall»-Lehre aufstellt. Professor Ostwald weiss sehr wohl, dass «Entwicklung» nicht eine beliebige Veränderung, sondern eine Wertsteigerung bedeutet – und dennoch wagt er es, den energetischen Abstieg als den Bürgen der Entwicklung zu preisen! Für wie dumm halt er seine Monisten oder wie verworren ist er selbst! Professor Ostwald betont schärfstens den ununterbrochenen und unaufhaltsamen Niedergang des «Lebenspotentials» (der individuellen Lebensspannkraft) – vermag aber nicht die logisch zwingende Folge zu sehen, dass demnach jeder Mensch bei seiner Geschlechtsreife dem neuen Geschlechte eine gegen die eigne Erzeugung verminderte Lebenshöhe übergibt – dass also der Lebenswert jedes künftigen Geschlechtes absolut niedriger ist als der jedes früheren – dass also in der Zukunft nur eine stete Verblödung der Menschheit zu erwarten ist, in der Vergangenheit aber die Höhe der Menschheit lag. Dieser urreaktionäre Schluss: dass in der Vergangenheit die Welthöhe lag, alles Vergangene bedeutender ist, alles Zukünftige wertloser – der folgt zwingend aus Ostwalds Energetik: es sei denn, der Höchstwert, des Daseins bestünde im Energietode. Damit ist es aber wieder unlogisch, dass Professor Ostwald (in sonst trefflichen Worten) wider die Vergeudung der Energie redet und den «Energetischen Imperativ» aufstellt – denn jede Vergeudung der Kraft beschleunigt das energetische Entwicklungsziel – den energetischen Weltentod.
Hin und her reissen sich Evolutionismus und Energetik, ohne Klarheit, Sinn und Logik, etwa wie es in jenem Kinderverse heisst:
Finster wars, der Mond schien helle,
Totenstille polterte durchs Haus
Und aus einer längstversiegten Quelle
Strömte klares Wasser trüb heraus,
Sank empor zum Tal in träger Schnelle,
Dehnte sich zu einem Tropfen aus.
Hölzernes Eisen! – monistische Logik!
III.
Logischer Selbstwiderspruch sowohl des Haeckelschen wie des Ostwaldschen Monismus
Exzellenz Haeckel hat sehr wohl den Gegensatz der Energetik zu seinem Evolutionismus – die «klare einheitliche Weltanschauung der Naturwissenschaft» – gefühlt und fordert, dass der 2. Satz der Energetik aufgegeben werde. Seiner Behauptung, dass die beim Zusammenprall völlig erkalteter Weltkörper entstehende Wärme eine vollwertige Energiewiedererhöhung bedeute, widerspricht schroffstens der Ostwaldschen Energetik, denn laut ihr wurde die zeitweilige und örtliche Energieerhöhung sich nach der erfolgten notwendigen Abkühlung dennoch als eine Verlangsamung, eine energetische Minderwertigkeit der betreffenden Massen darstellen, die bei erneutem Zusammenprall eben nur zu geringerer Wärme langten; und so fort und fort bis zur Nichtigkeit.
Die tatsächliche und logische Unhaltbarkeit der Energetik beruht eben nicht in dem von Exzellenz Haeckel abgewinkten zweiten Satz, der so, wie wenige physikalische Tatsachen, durchgeprüft ist, dem Satz von dem Niedergang der Kraft – sondern die Unhaltbarkeit steckt in dem 1. Satz, dem von Exzellenz Haeckel so gerne in sein Substanzgesetz aufgenommen, im Satz von der Erhaltung der Kraft, die weder vernichtet noch vermehrt werden könne.
Was ist überhaupt «Energie»?
«Energie» ist die Bezeichnung für etwas Unbekanntes, dessen einzige Eigenschaft – für uns – ist: Zustandsänderungen zu bewirken. Der Niedergang aller leistenden Kraft, der laut den energetischen, im 2. Satz zusammengefassten Tatsachen, endlich und unaufhaltsam zu einem absoluten Ausgleich und Stillstand, zur absoluten Veränderungslosigkeit des Weltzustandes führen muss, würde die einzige Eigenschaft der Energie, die Veränderungswirkung absolut aufheben und die Energie als Energie tatsächlich zunichte machen. Das ist der erste unabweisliche logische Widerspruch der Energetik.
Ferner, da der Energieniedergang sich seit Ewigkeiten vollzieht, war ja längst Zeit für all und jedes mögliche Geschehen und längst müsste der absolute Weltstillstand eingetreten sein; dass tatsächlich noch etwas in allen Weltweiten geschieht, ist mit der Energetik absolut unvereinbar. Das ist der zweite unabweisliche logische Widerspruch der Energetik, deren Krebsschaden in der Verkuppelung eines Beobachtungssatzes (2) mit einem scholastischen Dogma (1) steckt.
Ohne die dem 1. Satz der Energetik, dem Haeckelschen Substanzprinzip direkt entgegengesetzte Annahme einer stetigen mehrenden Energieerneuerung (die Energogenese) bleibt es ein Mirakel, wie die Welt überhaupt noch läuft. Mit der Annahme der Energogenese verbände sich widerspruchslos der beobachtete 2. Satz der Energetik – unter völliger Aufhebung des monistisch-scholastischen 1. Satzes, den Exzellenz Haeckel gerade allein gelten lassen will, weil der allein in seinen Kram passt.
* * *
Aber auch der Haeckelsche Evolutionismus ist wie die Ostwaldsche Energetik nur insofern richtig, als er vom Monismus absolut losgelöst wird. Der Monismus schliesst jede Entwicklung aus, sogar eine so unlogisch, sprachwidrig und phrasenhaft begriffene, wie Exzellenz Haeckel sie schildert: « … eine einheitliche Entwicklung mit periodischem Wechsel von Werden und Vergehen, von Fortbildung und Rückbildung.»
Lassen wir, Exzellenz Haeckel zu Ehren, die Zerstörung, Zersetzung, Verwesung als «Entwicklung» gelten, so bleibt es dennoch logisch unmöglich, dass ein einheitliches Weltwesen zugleich einen Wechsel entgegengesetzter Erscheinungen darbiete. Ein absolut periodischer Wechsel würde eine in festem Ewigkeitsverhältnis verbundene Zweiheit des Weltwesens, den absoluten, starren Dualismus bezeugen, der innerhalb jedes der beiden feindlichen Weltprinzipien eine dualistische Reihenfolge von relativer Gültigkeit und Ungültigkeit erzeugte. Ein absoluter Wechsel ist aber keine Entwicklung; und ein absolutes Einheitswesen braucht sich nicht zu entwickeln und kann sich nicht entwickeln – denn seinem Wirken kann nicht der geringste Widerstand begegnen, jedes Zeitmoment, auch das scheinbare, bedeutet nichts für die ewige All-Eine-Weltsubstanz.
Die Evolution ist nur dann keine schwindelhafte Phrase, wenn selbständig viele Kraftwesen einander Widerstände bieten und solche zu überwinden haben. Ohne die individuelle Energogenese, wie der Klarismus sie ausgesprochen hat, sind Evolution wie Energetik beide unlogisch, und nicht einmal «Einheitslehren», sondern widerspruchsvolle Verworrenheiten.
* * *
Die Energetik und Evolution sind jedoch in einem Punkte einheitlich, obschon nicht klar: im Begriff des Naturgesetzes, das die positive Kehrseite des anti-individuellen Nullitäts-Dogmas ist.
Jedes Naturgesetz gilt für ewig, unaufhaltsam unerbittlich. Das ist aber Schwindel.
1.Nichts geschieht ausser nach solchen ewigen, unaufhaltsamen Gesetzen der all-einen Natur.
Die Tatsachen nun zeigen immerfort jedes Ding in Veränderung, also im Wechsel der Botmässigkeit unter verschiednen Naturgesetzen.
Die Naturgesetze legen den Dingen entgegengesetzte Zustände auf.
Die Naturgesetze kämpfen wider einander.
Die all-eine Natur ist in zahllose entgegengesetzte Naturgesetze zerspalten!
Das ist die erste Unlogikfolge des Naturgesetzbegriffes.
2.Das Naturgesetz ist unaufhaltsam.
Das psychische Leben hat seine Naturgesetze, die nichts bewirken konnten, ehe es nicht psychisch belebte Wesen gab; das organische Leben hat seine Naturgesetze, die nichts bewirken konnten, ehe es ein organisches Leben gab; die kristallinische Welt hat ihre Naturgesetze, die nichts bewirken konnten, solange in dem feuergasigen kosmischen Zustande Kristalle unmöglich waren.
Die unaufhaltsamen Naturgesetze waren unendliche Zeiten lang in ihrer Wirkung aufgehalten!
Wo schwebten sie indes, diese metaphysischen Naturgesetze? Das ist die zweite Unlogikfolge des Naturgesetzbegriffes.
3.Das Naturgesetz ist unerbittlich.
Die Tatsachen aber zeigen, dass sobald ein Ding in veränderte Zustände gelangt, es sich den Naturgesetzen des früheren Zustandes erfolgreich widersetzt. Aller Unerbittlichkeit des Gravitationsgesetzes zum Trotz steigen die Flüssigkeiten kapillar aufwärts, wachsen die Pflanzen aufwärts – aller Unerbittlichkeit des Nachahmungsgesetzes zum Trotz treten Persönlichkeiten wider den Massenstumpfsinn auf.
Die «unerbittlichen» Naturgesetze verschwinden, sobald die Machtverhältnisse neues individuelles Geschehen gestatten.
Das ist die dritte Unlogikfolge des Naturgesetzbegriffes.
Diese ganze Unlogik des Naturgesetzbegriffes wurzelt in der theokratisch-sozialantropomorphischen Übertragung des «Gesetzes» auf die Natur. «Gesetze» sind gemeinrechtliche Willensregelungen in Gebot und Verbot, sie sprechen ein strafmächtiges «Soll» aus und sind dennoch übertretbar und bleiben trotz der Übertretung gültig. Aber ein Naturgesetz befiehlt nichts und verbietet nichts und für den, der einem «Naturgesetz» zuwiderhandeln kann, ist es in dem Augenblicke einfach ungültig. Der Sinn in dem Unsinn des Naturgesetzbegriffes ist einzig: das Gefühl der Unterwürfigkeit willensschwacher Personen. Willensstarke Personen erkennen wohl die Naturnotwendigkeit eines gegebenen Zustandes, aber in ihrer Sehnsucht, ihren Wünschen, ihrem Willen erkennen sie ebenso klar neuwerdende Machtzustände – das Eintreten neuer Naturnotwendigkeiten. Keine Wirkung ohne Ursache – dieses einzige formale Allgesetz des Geschehens wird von dem Monismus nicht begriffen, nur diejenigen begreifen es, die tätig an die Naturmeisterung gehen, weil sie die Natur in ihrer Uneinheitlichkeit und Unfertigkeit durchschauten und das grosse klaristische Prinzip des individuellen Werdens der Naturgesetze erkannten.
Die verlogne Unklarheit des «Naturgesetzes» dämmert wohl einigen Monisten auf, und Professor Ostwald erklärt darum das «Naturgesetz» für nichts anders, als (was es ist): einen verwickelten Erfahrungsbegriff.
Ostwald begreift aber (noch) nicht, dass er mit dieser Einschränkung dem Monismus den Abschied gibt. Das pompös-banale monistische Pronunziamento wider die Eigenwesenheit fällt in nichts zusammen, nichtig wird die Behauptung: das Individuelle sei, da alles naturgesetzlich geschehe, unwesenhaft und kein Mehrer des Daseins.
Denn erstens gelten Erfahrungen mit ihrem Vergangenheitsgehalt nur soweit in der Zukunft, als neue Faktoren nicht auftreten – niemals kann also die Erfahrung das mögliche Auftreten neuer Faktoren, neuer Werte widerlegen – in keiner Hinsicht kann also der heutige Kodex der heutigen Erfahrungen der heutigen Naturforscher die Zukunft abgrenzen.
Denn zweitens, und vor allem, hängt die Bildung, Weite und Genauigkeit des Erfahrungsbegriffes von der Feinheit und dem Reichtum des Erfahrens ab – von der Fähigkeit des Erfahrenden, möglichst mannigfaltig wahrzunehmen und das Wahrgenommene im mannigfaltigsten Zusammenhang auszudeuten. Der Erfahrungsbegriff wird um so enger und gefälschter sein, das «Naturgesetz» um so erlogener, je eingeengter durch (positive oder negative) Vorurteile (theologischer oder naturologischer Scholastik) der Erfahrende ist – je stärkere Erfahrungshindernisse durch eine bestehende Suggestion angeblicher Naturunmöglichkeiten und angeblich bewiesener absoluter Naturentscheidungen auftreten. Und bei den monistischen Wissenschaftlern besteht die absolute abergläubische Vorsuggestion der «allein selig machenden exakten Beweisbarkeit».
Doch worauf beruht die vielbeschrieene «Exaktheit»?
Auf der reinen und der angewandten Mathematik.
Aber die reine, die rechnende Mathematik entwickelt immer nur Formeln aus den gegebenen Wert-Voraussetzungen, und es liesse sich ebensogut Gottes Tätigkeit, wie die absolute Existenz der Materie als mathematische Funktion behandeln. Die reine Mathematik entscheidet also über die Grundfragen nichts und wer das Gegenteil behauptet, versteht von Mathematik nichts.
Die angewandte, die messende Mathematik aber entscheidet über die Grund- und Wesensfragen ebenfalls nichts, denn messen heisst: Verhältnisse bestimmen (wobei die Träger der Verhältniswirkung nach ihrem Wesen unberücksichtigt bleiben) – heisst: gegebne Grössen vergleichen, heisst: an einem vorhergewählten Massstabe ähnliches abgrenzen, Messwerkzeuge benutzen. Das Messwerkzeug setzt aber voraus:
1.dass jemand ein erstes Mal darauf verfällt, gewisse Vorgänge messen zu wollen – dass also die zu messende Erscheinung zunächst ohne Messwerkzeug schon wahrgenommen wurde, von einer fein beobachtenden Persönlichkeit, die den stumpferen Leuten wie ein Hansnarr der Metaphysik erscheinen musste.
2.dass sich ein «genügend» feines Messwerkzeug herstellen lasse – und «genügen» wird dem feinen Beobachter nicht, was dem plump durchschnittsmässig geeichten «genügt». Die «exakte» Naturmessung ist für die allergrundlegendsten Individualerscheinungen der physikalischen Wirklichkeit (die individuelle Energogenese) noch viel, viel zu unexakt. Ja, in aller exakten Messung steckt der wurzelhafte Widerspruch: dass der allerfeinste Massunterschied, um direkt oder registriert wahrgenommen zu werden, einen beobachtenden Sinn voraussetzt, der noch über die gegebne maschinelle Unterschiedfeinheit hinausgeht, also das Messwerkzeug übertrifft. Und die letzte Instanz bleibt immer der beobachtende, persönliche, vorurteilsfreie Sinn – nicht die «exakte» Formel und Skala.
Also: rechnend, wie messend bleibt die exakte Wissenschaft immer noch ein Werkzeug – nie ein souveräner Richter. Die Erfahrungsbegriffe, die «Naturgesetze» der exakten Naturwissenschaft sind also wesentlich unexakt, und es gehört die ganze anmassliche Unlogik der Monisten dazu, um von der Unerbittlichkeit und Allgültigkeit derjenigen Naturgesetze zu faseln, die aus ihrer dürren Erfahrungsstumpfheit tröpfeln – es gehört aber auch die demagogische Unredlichkeit der Monisten dazu, um im Namen so inhaltloser Naturgesetzlichkeit die Ungültigkeit alles Persönlichkeits- und Übererden-Glaubens zu behaupten. Das Guthaben des Monismus besteht in Assignaten auf die Verworrenheit derer, die, im eignen Erleben und Willen gelähmt, die letzte Wahrheit in der allgemeinen Unterwürfigkeit unter holde Formeln erhoffen.
Nein, das «unerschütterliche Naturgesetz Nr. 1» der Energetik ist nur ein kümmerlicher Erfahrungsbegriff der – Energielosen.
IV.
Inner-monistische Widersprüche
Die «klare einheitliche Weltanschauung der Naturwissenschaft», der Monismus ist so einheitlich wie weiland die Reichsarmee.
1.Was der absolut einheitliche Weltengrund des Monismus ist «das wissen wir auch heute noch nicht» gesteht Exzellenz Haeckel ein. Der absolut einheitliche Weltengrund ist also aus dem Bewusstsein, das doch eine natürliche Erscheinung ist, ausgeschlossen – er verwandelt sich in einen Schein, der sein Sein nicht wiedergibt – er spaltet sich also in zwei einander entgegengesetzte Zustände. Das – Monismus?
2.Der absolut einheitliche Weltengrund ist aber auch sonst nach monistischer Einheitslehre gespalten – nur herrscht über die beiden Hälften völlige Uneinigkeit bei den «Einheitlichen».
Die Doppelheit wird begriffen als ruhende und als tätige Energie oder als ausgedehnte Substanz (Materie) und als wirkende Substanz (Energie) oder als Wille zum Leben oder als Stoff und als Nirwana und als Geist.
Den Vorrang – als Scheineinheit vorgedrängt – nimmt bei den Materialisten der Stoff ein, bei den Intellektualisten der Geist – je nach ihren subjektiven Denkneigungen; immer aber wird die zweite Hälfte mit Phrasen abgetan, als scheinbare Nebensache, da sie eben unbequem ist und monistisch unerklärbar bleibt: für die Materialisten die geistige individuelle Kraft, die sich der dumpfen Hinnahme der materiellen Massenmächte widersetzt, für die Intellektualisten die tätig raumerfüllende Gestaltung – und für beide das individuelle Streben und Wirken wider die geltende Allgemeinheit.
3.Das absolut-einheitliche All-Eins-Weltwesen sondert sich – scheinbar? oder wirklich? (in jedem Fall monistisch unerklärbar und nur klaristisch begreifbar)
in zahllose Naturgesetzein organische Arten
in chemische Elementein Elektronen, Atome,
in NaturkräfteÄtherwirbel, Kristalle, Zellen,
Lebewesen.
– in eine Unzahl von Daseinsformen, die tatsächlich mit einander in unausgesetztem Streite liegen, trotzdem das absolut-einheitliche All-Eins ungebrochen und ungemindert und einheitlich in jedem Einzeldinge wirken müsste. Der Monismus ist also nicht nur nicht einheitlich – er ist das genaue Spiegelbild der chaotisch zerrissnen Wirklichkeit.
Professor Ostwald äussert sich wohl dahin, der Monismus behaupte gar nicht ein all-einiges Weltwesen – der Monismus sei nur eine «Forschungsmethode» und suche «Einheit» zwischen Leben und Denken. Aber diese «Einheit» ist mathematisch-inhaltlos: zahllose Asketen und Fanatiker haben ebenfalls ihr Leben und ihre Überzeugung in Einklang gebracht; diese «Einheit» ist also gar keine Weltanschauung, sondern Ethik verschiedenster Voraussetzung. Ferner: für Professor Ostwald mag die «Methode» einen Lebensinhalt bedeuten, aber er ist so unklar nicht einzusehen, dass die Monisten, die ihn in Hamburg umjubelten, nicht diese «Methode», sondern einen Glaubensinhalt zu empfangen glaubten, den Glauben an das unpersönliche All-Eins, den tatsächlich auch Professor Ostwald in seiner Bekämpfung der Eigenwesenheit teilt. Und wenn es begreiflich ist, dass aus einem entgegengesetzten Glauben die glaubenswerte Unsterblichkeit und Gott bekämpft werden – unstatthaft und unwissenschaftlich ist es, sie im Namen einer blossen «Methode» abzutun, als wären sie «widerlegt».
Unklarheit in jedem Punkte! Worte, Worte, Worte bringt der Monismus der ja, wie Professor Ostwald schliesslich selbst eingesteht, kein Begriff, sondern ein Wort ist. Und es darf tatsächlich heissen: was in den monistischen Büchern an guten und fruchtbaren Gedanken vorkommt, ist nicht monistisch, was aber an monistischen Gedanken gegeben wird, ist weder gut, noch klar, noch fruchtbar.
V.
Der Monismus im Widerspruche mit den Tatsachen
Haeckel sagt: «Auch wir Menschen sind nur vorübergehende Entwicklungszustände der ewigen Substanz, individuelle Erscheinungsformen der Materie und Energie, deren Nichtigkeit wir begreifen, wenn wir sie dem unendlichen Raum und der ewigen Zeit gegenüberstellen.»
Die weltentscheidende Frage, um die der Monismus sich mit Phrasen herumdrückt, ist:
1.wie ist es überhaupt möglich, dass sich inmitten des unendlichen Raums ein individuell erfüllter Raumteil herausbildet – ein Sonderwesen – ein wirkendes Individuum, wenn ein all-einheitlicher Weltengrund ungehindert und gleichmässig den unendlichen Raum erfüllt. Wie ist die räumliche Differenzierung des All-Eins überhaupt möglich?
Exzellenz Haeckel lässt der unendlich sich ausdehnenden Substanz ein – entgegengesetztes – Verdichtungsbestreben innewohnen, wodurch Verdichtungszentren als «individuelle kleinste Teilchen der universalen Substanz» entständen. Aber wenn dem universalen Ausgedehnten ein universales Verdichtungsstreben innewohnte, so würde durch diesen Dualismus nur eine absolut einheitlich zentrale Alleinverdichtung entstehen – «individuelle» Verdichtungszentren können nur entstehen, wenn innerhalb der universal einheitlichen Substanz unendlich viele örtliche, gesonderte, individuelle Verdichtungsbestrebungen bestehen, als wahrhafte und wesenhafte Mächte.
Keine Wirkung ohne Ursache lautet der Grundsatz aller Forschung; daraus folgt zwingend: ohne primäre räumlich differenzierte Gestaltungsmächte gibt es keine räumliche Differenzierung der Massen – nicht einmal zum Schein, denn der unminderbar in Allfülle waltende all-einheitliche Weltengrund kann sich an keinem Punkte wider den nächsten Punkt an Macht mindern und in der Wirkung zurückhalten.
2.wie ist nach dem bisherigen unendlichen Ablauf der ewigen Zeit noch irgend ein «Geschehen» überhaupt möglich? – eine individuelle Leistung – eine individuelle Tat, da doch der all-einheitliche Weltengrund in ungehinderter Machtfülle von Ewigkeiten her alles bewirkt haben musste. Wie ist die zeitliche Differenzierung des All-Eins überhaupt möglich?
Der Grundsatz aller Forschung lautet: Ohne Ursache keine Wirkung – ohne verschiedne Ursache keine verschiedne Wirkung; daraus folgt zwingend: ohne zeitmassig differenzierte Entwicklungsreihen – ohne selbständige Tatwesen mit je eignem Entwicklungstempo gibt es keine zeitliche Differenzierung des Geschehens – nicht ein mal zum Schein, denn der unbeschränkte, in Allfülle waltende all-einheitliche Weltengrund kann in keinem Augenblicke an der höchsten Vollauswirkung behindert sein.
Die Kantsche Erklärung: Raum und Zeit wären nur Anschauungsformen – behebt in keiner Weise, diese Schwierigkeiten, ja Unmöglichkeiten des anti-individuellen Monismus, denn nach Kantscher Logik könnte sich allenfalls eine absolut einförmig gleiche Raumsonderung und absolut einförmig gleiche Zeitgliederung ergeben, aber nicht die ungeheure individuelle Mannigfaltigkeit der Raumgruppen und Zeitrhythmen. Vor allem aber ist Kants Lehre zwar absolut anti-individuell, aber dennoch durchaus dualistisch. Oder will sich der «Monisinus» auf die Doppelheit der transzendentalen und der empirischen Welt stützen – auf die einander unbegreiflicherweise absolut ausschliessenden Spaltungshälften von Sein und Schein des «Dings an sich»? Unlogisch und verworren genug ist er.
Der Monismus sagt sich mit der Leugnung der individuellen Wesenshaftigkeit – der tätigen Eigenwesenheit, wie der Klarismus sie als Grundtatsache erkennt und bekennt – tatsächlich vom ersten Grundsatz aller Forschung und Wissenschaft los, von der Kausalität, von der er doch so viel phrasenhaftes Geschrei macht. Und das ist die klare, exakte Naturwissenschaft?
VI.
Die monistische Praxis im Widerspruch zur monistischen Theorie
Unerfreulich an der monistischen Praxis ist zweifellos die Verworrenheit, die Herrschaft der Phrase, die sie unter der Marke «wissenschaftlich bewiesene einheitliche freie Weltanschauung» in immer weitere Kreise trägt;
unerfreulich ist das Sperrsystem, mit welchem die Monisten nach gut mittelalterlichem und despotischem Rezepte die Andersgesinnten unterdrücken.
Aber davon abgesehen, ist die monistische Praxis unendlich erfreulicher als ihre Theorie, und hier gilt einmal das Umgekehrte eines bekannten Sprichwortes: «Folgt unsern Taten und nicht unsern Worten».
Erfreulich ist es, wenn monistische Reformpädagogen für die gleichmässige Entwicklung von seelischem und körperlichem Leben eintreten; erfreulich ist es, wenn von monistischer Seite die Freude an der Natur und ihr Verständnis in stetigem Masse geweckt wird; erfreulich ist es, wenn Monisten wider die politische Rückständigkeit auftreten.
Aber diese erfreulichen Tätigkeiten geschehen alle im völligen Widerspruch mit der monistischen Theorie, denn jedes Reformbestreben bezeugt Mangel der gegebenen Natur- oder Sozialzustände, die ja doch eine naturgesetzliche Folge des angeblich einheitlichen Weltengrundes sind. Jedes Reformbestreben bezeugt, dass die Natur unvollkommen und verderblich ist – widerspricht also dem monistischen Glauben.
Kultur? – Gesittung? – Recht? – Erziehung? – aber wozu denn? Der all-eine Weltengrund ist ja seit Ewigkeiten vollkommen.
Wenn das Individuum wesenlos ist und nur die Allgemeinheit wesenhaft – so muss der Einzelne sich der jeweiligen Masse blind unterwerfen und starr am Hergebrachten hängen oder dumpf die Massenumwälzungen mitmachen.
Wenn die Naturgesetze aus ewiger Vergangenheit walten, so handelt am meisten naturgemäss die Macht, die unerbittlich die Vergangenheit verteidigt.
Wenn das Weltgeschehen einzig in ewigem Niedergange ist, dann stand jede abergläubische Torheit früherer Zeit, jeder klerikale Greuel früherer Zeit höher, als das moderne Freiheitsstreben.
Die unterdrückendste sozialistische oder reaktionäre Zwangsherrschaft ist die einzig logische monistische Politik.
Wenn alles aus unerbittlichem Naturzwange geschieht – welchen Sinn hat irgend eine Erziehung, alten oder neuen Gepräges. Die monistische Ethik ist eine Phrase. Wenn der intellektualistische Monist Drews erklärt: «Eine rein natur- wissenschaftliche Begründung der Ethik ist unmöglich, weil eine solche auf der Anerkennung objektiver Zwecke im Dasein beruht und die Naturwissenschaft als solche hat es ausschliesslich mit dem Mechanismus der Natur zu tun», – so gilt genau das Gleiche auch vom monistischen Intellektualismus: der «objektive Zweck» ist allemal in dem seit Ewigkeiten vollendeten all-einen Weltengrunde gegeben, liegt also in der Vergangenheit, nicht in der Zukunft und wird von der jeweiligen Gegenwart dargestellt; jede Gegenwart ist nach monistischer Konsequenz im absoluten Recht und eine «ethische» Selbstbeugung des Einzelnen unter Allgemeinzwecke ist nichts als eine subjektive Laune, einer «unsittlichen» Neigung und Tat eines brutalen Egoisten in nichts überlegen – denn beide sind absolut notwendige Äusserungen des souveränen, vollkommnen, all-einen Weltwesens, das sich so widerspruchsvoll und chaotisch zu offenbaren beliebt.
Ja, die monistische Konsequenz ergibt eine Ethik, die das absolut naturgetreue Bild des Chaos ist.
Will das all-einige «Weltwesen in dir» die Menschen knechten und verdummen, so folge ihm;
will es freie Tatengruppen bilden, so folge ihm;
will es alles Gemeinleben anarchistisch sprengen, so folge ihm: es ist ja alles – eins.
Will das all-einige «Weltwesen in dir» auf Kosten fremden Schweisses und Blutes faulenzen, morden, rauben und stehlen, so folge ihm;
will es tüchtig und rüstig, mutig und opferfreudig wirken, so folge ihm;
will es sich sklavisch ausbeuten lassen, so folge ihm es ist ja alles – eins.
Will das all-einige «Weltwesen in dir» verworrne Irrtümer aushecken und siebenhörnige Teufel beschwören, so folge ihm;
will es klar schauen, klar denken, klar handeln, so folge ihm;
will es zur Geisteslüge zwingen, so folge ihm;
will es unlogisch sein, so folge ihm;
will es logisch sein, so folge ihm;
will es inkonsequent sein und mit Exzellenz Haeckel die sexuelle Naturgeschichte des Säugetieres Mensch zur Abwechslung plötzlich als «Befleckung der kindlichen Fantasie mit den zahlreichen unsaubern Geschichten und unmoralischen Erzählungen» des Alten Testamentes abtun, so folge dem launischen Weltwesen: es ist ja alles – eins.
Will das all-einige «Weltenwesen in dir» die Menschen zur freudlosen Askese zwingen, so folge ihm;
will es in dir massvoll frei das Leben geniessen, so folge ihm;
will es notzüchtigen, so folge ihm: es ist ja alles – eins,
wenn der Monismus im Rechte ist.
* * *
Aber nein, tausendmal nein! Der Monismus ist nicht im Recht, und weder Vernunft, noch Logik, noch Tatsachen, noch heldischer Sinn stehen auf seiner Seite. Die Natur ist nicht all-eins-vollkommen, sondern ein Chaos ringender Eigenwesen – nicht versklaven den Einzelnen unüberwindbare Naturgesetze an die Vergangenheit, sondern sein tätiger Gestaltungswille meistert und überwindet die Naturnotwendigkeiten der Vergangenheit. Nur aus der tätigen Eigenwesenheit, wie der Klarismus sie bekennt, fliessen Entwicklung, Freiheit und Freude – nur der klaristische Glaube, der Chaos und Urgott einander gegenüber bekennt, den dualistischen Polyismus, ist
die klare einheitliche Weltanschauung,
die jeder Tatsache gerecht, jedem Gefühl gerecht, jeder strengsten Wahrheitsforderung, jedem mannhaften Willensauffluge gerecht wird.
Der Klarismus, der aus der vollbegriffenen Wirklichkeit das reichste Beweismaterial der Tatsachenreihen ziehen kann, bekennt sich dennoch als Glaube; er überlässt es dem «klaren» Monismus sich, wie folgt, zu widersprechen:
Haeckel 1 sagt | Haeckel 2 sagt |
Da Christus selbst die Frauenliebe nicht kannte, blieb ihm persönlich jene feine Veredlung des wahren Menschenwesens fremd. | Jesus … diese herrliche Idealfigur des christlichen Trinitäts-Glaubens … ein edler Mensch von höchster sittlicher Vollkommenheit. |
Dogmatisches Christentum … ein bunter orientalischer Sagenkreis … welche im Lichte der reinen Vernunft als unmöglich erscheinen. Dieses dogmatische Lehrgebäude ist im Laufe des 19. Jahrhunderts haltlos zusammengebrochen. | Auch sind die Fantasiegebilde derselben von höchster Bedeutung … Wir verdanken ihnen eine Fülle der herrlichsten Schöpfungen des Menschengeistes: und für unser Gemüt ist diese Idealwelt eine unerschöpfliche Quelle der Erbauung und des Trostes, inmitten unsres unvollkommnen realen Lebens. |
Also: unvollkommen ist, wie das Haupt der Monisten bekennt, das wirkliche Leben der vollkommenen All-Eins-Sprösslinges, und haltlose unvernünftige Sagenlügen braucht er zu Trost und Gemütskraft. Damit ist der moralische Bankrott des «exakten Vernunftglaubens» eingestanden. Bieten die christlichen oder andere Mythen Gemütshalt, so besitzen sie eben eine Gemütswahrheit, Wahrheiten, die dem Menschen unentbehrlich sind, sich aber weder beweisen, noch gar «exakt» feststellen lassen. Der Anspruch des «Beweises» selbst stützt sich ja auf zwei Grundlagen: auf das dualistische Märchen einer von allem persönlichen Leben frei gesonderten Objektivität, die dem persönlichen Bewusstsein dennoch zwingend zugänglich wäre; und auf das monistische Märchen der Gleichheit – des gleichen Bewusstseins, der gleichen Überzeugbarkeit aller Persönlichkeiten. Solche subjektlose Objektivität und voraussetzungslose Wissenschaft kann es eben so wenig geben, wie Gleichheit zwischen den Eigenwesen verschiedenen Reifegrades. Nicht bewiesen, sondern erlebt wird die Wahrheit, von jedem persönlich und immer tiefer, immer lebendiger, auch ohne die Schein-Exaktheit- von Splitterexperimenten und scholastischen Verallgemeinerungen. Exakt? – der ganze Monismus ist ein haltloser Sagenkreis, doch ohne Trost und ohne Wert für die nationale Kraft.