Streitbare Geister
Im Gedichtband Auferstehung – irdische Geschichte von Elisàr von Kupffer gibt es einige Gedichte unter «Streitbares», die zwischen humorvoll und gesellschaftskritisch einzuordnen sind. Die Kurzgeschichte, «eine moralische Phantasie» Der Traum des Sonnengottes findet sich hier ebenfalls.
Auch in anderen Publikationen der beiden Lebensgefährten finden sich Passagen, die eine gesellschaftskritische Haltung zeigen; oder welche die Meinung von Gelehrten und Werke von Dichtern kritisch betrachten. Das erklärt zum Teil die spöttische, schroffe oder ablehnende Haltung von Zeitgenossen gegenüber dem malerischen Werk von Elisàr von Kupffer.
Jedenfalls leitete Eduard von Mayer die Todesanzeige für seinen Lebenspartner mit «Den Freunden und Feinden zur Kenntnis» ein.
Nachstehend einige Gedichte und Textstellen aus verschiedensten Publikationen.
Streitbares
Wie wirs so herrlich weit gebracht
Physiker
Habt ihrs gehört! Schon kann die Luft gefrieren!
Geograph.
Bald können nach dem Nordpol wir spazieren!
Ja Nansen und Andrée – welch grosse Leute!
Was macht die Menschheit ohne Nordpol heute!
Naturforscher
Schon ist die Laus der kleinsten Maus behandelt!
Historiker
Das ist der Fortschritt, der mit uns wandelt.
Gelang es uns doch gar zu untersuchen,
was man bei Rudolfs Krönung ass – für Kuchen!
Astronom
Ein zweiter Mond ward gar von uns gefunden,
sein Umlauf schon berechnet nach Sekunden!
Philologe
Auch können wir nun ganz gewiss darauf pochen,
dass Cicero nicht Kikero gesprochen.
Journalist
Es giebt kein Fest, giebt keine Stadtgeschichten,
von denen wir nicht haargenau berichten!
Wo sonst einen Weltereignis stumm geblieben,
wird jede Damenrobe jetzt beschrieben.
Mediziner
Dank Röntgens Strahl giebt es nun gar kein Fehlen;
wir operieren selbst verkehrte Seelen.
Theologe
Und doch, ihr Lieben, sind’s noch Kleinigkeiten,
denkt man an unsre Wichtigkeit zu Zeiten.
Es mag kein Wort mehr in der Bibel stehen,
das wir nicht längst mit Noten reich versehen!
Ein Lebender
Jedoch der Mensch, ihr hochgeehrten Leute?
Was ist der Mensch? Kennt ihr den Menschen heute?
Sein Wünschen, Fühlen, herzliches Verlangen?
Warum habt ihr nur diese übergangen?
Was auch noch dunkel sei im Menschenherzen,
uns kümmert seine Freuden, seine Schmerzen.
Chor der andren
Der Mensch? Der Mensch! Ei, lästiger Geselle!
Geh! Du entweihst der Weisheit Tempelschwelle.
Der Mensch?! Ach, geh! Was kann er noch begehren.
da wir als homo sapiens ihn verehren?!
Der Lebende
Gebt Acht! Lasst noch den Hunger sich verzehren,
und er wird euch – verschlingend – Tod bescheren.
Es lässt sich wohl mit einem satten Magen
allein nicht hungernd solch ein Quark vertragen.
Menschliches
Bornierte hier – dort Knoten,
Gebet hier – dort Zoten,
Hier Frömmelei und Belügen,
dort Freisinn und Betrügen.
Hier Wirklichkeit verkennen,
dort Frechheit Wahrheit nennen:
Das will im allgemeinen
mir Menschlichkeit erscheinen.
Verfehmte Schönheit
Schön – wagst du zu sein, und trägst keinen Unterrock?!
Ei! Das verzeiht die weder Ziege – noch Bock.
Theatralische Ehrenpflichten
Jeder Theaterdirektor ist gerne ein trefflicher Richter:
darum nährt er den Mann, welcher sich nennt Dramaturg.
Doktor ist er zumeist und sendet den Dichtern die Stücke
ungelesen zurück, die er zur Prüfung empfängt.
Tantièmenparadies
Möchtest auf die Bühne kommen?!
Schick dein Drama ins Bureau,
dass es lagre irgendwo!
Freundchen, hast du nie vernommen,
um in Paradies zu kommen,
wo man lebt tantiemenfroh,
hält es jeder Kluge so:
hab im Himmel einen Vetter –
eine Base ist noch netter –
Wenn zweitausend jährlich flehn,
kann der Herrgott sie verstehn?!
Aber Vetter oder Muhme
ist der Weg zum Heilgtume,
oder sonst ein zartes Band …
Ei, so habe ich doch Verstand!
Elisàr von Kupffer, aus Auferstehung – irdische Gedichte, Streitbares, Seiten 133–136, PDF. Nansen, Andrée, Rudolf, Cicero, Kikero, Röntgen
Otfried Müller
[…] Woraus wohl gesunder Menschenverstand entnehmen kann, dass sich bei dieser Liebe nicht bloss um eine Unterhaltung über die Wurzeln des Weltalls handelte. Wenn manche noch behaupten, wie der hierin völlig unbewanderte Otfried Müller (so hochverdient er sonst ist), die Lieblingminne würde irgendwoher eingeführt in Gegenden, wo sie bis dahin noch nicht bekannt war, so zeigt das von vollkommener Unkenntnis der Sache. […]
Elisàr von Kupffer, Lieblingminne und Freundesliebe in der Weltliteratur, Anmerkungen, Seite 215 ff. Otfried Müller, Minne und Eros
Georg Ebers und Christian Gottlob Heyne
Das Epos «Antinous» dieses eigenartigen und feinsinnigen Dichters [OskarLinke] ist mit starkem, offenherzig pulsierendem Gefühl gedichtet und in natürlicher Sprache auch historisch-psychologisch richtig durchgeführt. (Im Gegensatz zum «Kaiser» von Ebers und «Hadrian» von Heyne.)
Elisàr von Kupffer, Lieblingminne und Freundesliebe in der Weltliteratur, Seite 167. Georg Ebers, Christian Gottlob Heyne
Die vier Nothelfer
Schaf, Esel, Schwein
und die Gans im Verein,
diese Vier,
sind des Geistes Wappentier,
Helfer und Zier.
Stimm’ ein, Maler stimm’ ein:
Es lebe das Schwein!
Der Borsten Pinsel
schafft der Farben Gerinnsel
zum Meisterstück.
Maler, das Schwein ist dein Glück!
Geiger, bedank dich brav,
beim seelenvollen Schaf!
Seinem Eingeweide entquellen
der Töne Wellen,
und all deinem Harm
gibt Klang des Schafes Darm.
Und du, Philosophus,
gib dem Esel den Bruderkuss
und der Gans den Musengruss!
Auf des Esels Leder,
hochwürdigem Pergamen,
die grossen Worte alle steh’n –
der Autoren jeder
in Gänsefüsschen an- und abgeführt,
wie sich’s nach Würde gebührt …
Und die befiederte Feder
der beredten Gans,
ihr schmeidiger Kiel
gibt Kraft und Ausdruck und Glanz
dem gelahrten Stil.
Schaf, Esel und Schwein
und die Gans im Verein,
diese Vier
sind des Geistes Helfer und Zier.
Eduard von Mayer, schweizerisches Satiremagazin Nebelspalter (1941), wahrscheinlich eine Antwort auf die Kritik an Elisarion als Maler, Philosoph und Schriftsteller.
Illustration Louis Moor
Mein Protest
Die seinerzeit unveröffentlichete Antwort von Eduard von Mayer auf den Bericht im Der grüne Heinrich und im Beobachter. Darin macht er einige interessante Hinweise, wie er das Rundbild «Klarwelt der Seligen» künstlerisch sieht, und es wohl auch Elisarion gesehen hat.mehr
Louis Moor
Geboren 1893 in Basel, gestorben ebenda 1957.
Ausbildung an der Kunstakademie Florenz, wo er eine Wiener Ärztin kennenlernte und heiratete, Aufenthalt in Wien 1919–1927; Reisen in die Innerschweiz, nach Italien und Spanien.
1928 Rückkehr nach Basel, hier Karikaturist für die AZ und später die National-Zeitung. Laternenmaler für die Rätz-Clique.
1940 ff. für die SP im Grossen Rat.
Moor hielt seine Malerei für weniger wichtig als die Zeichnungen, zeigte sie nie zu Lebzeiten. Erst nach dem Tod gab es eine kleine Gedenk-Ausstellung in einem Lokal.
Viele seiner Zeichnungen (Karikaturen) aus dem Nachlass befinden sich in der Schule für Gestaltung.
3000 Jahre Bolschewismus
Eine scharfsinnige Analyse von Elisàr von Kupffer der religiösen und philosophischen Gründe, die zur zivilisatorischen Katastrophe des 1. Weltkriegs führten, und wie diese falschen Denkweisen durch den «Klarismus» überwunden werden könnten. mehr
Die Goethelüge
Das 33-seitige Pamphlet beginnt hemmungslos und schon in den ersten Zeilen wird dem Leser klar dargelegt, dass, trotz des irreführenden Titels nicht Goethe, sondern seine wissenschaftliche «Exzellenz» Ernst Haeckel und dessen äusserst erfolgreiche populär-wissenschaftlichen Publikationen höhnisch kritisiert werden. Auch dessen monistische Theorien werden schonungslos kritisiert. Diesen Theorien stellt Eduard von Mayer den Klarismus als neue Sicht der Welt gegenüber. mehr
Schloss Gripsholm
In diesem Roman von Kurt Tucholsky über Liebe, Glück und Ferien vom Alltag schildert der Autor in heiterer, humoristischer Weise ein Besuch im «Polysandrion» des baltischen Barons «Polysander von Kuckers zu Tiesenhausen». Das Elisarion im Minusio ist damit Teil der Weltliteratur geworden.
Das wahre Gesicht
Satirischer Bericht im «Der grüne Heinrich» über das «Sanctuarium Artis Elisarion», Kunstheilgtum grosser Wandgemälde, einzigartig in der Welt. mehr dazu
Eine faustdicke Blamage!
Eine Zuschrift an den «Beobachter», Nr. 3 vom 15. Februar 1946, und die Anwort des «Kunstsachverständigen» Albert Baur. mehr dazu
Kitsch bleibt Kitsch!
Eine weiterer Bericht im «Beobachter», Nr. 7 vom 15. April 1946, mit einer offiziellen Anwort des Sekretariats des eidg. Departements des Innern und der eidg. Zentralstelle für Arbeitsbeschaffung. mehr dazu
Fürchterlicher Kitsch
Die in Zürich monatlich erscheinende Zeitschrift Der Kreis in der Januar-Nummer 1946, nimmt zur Tagesfrage «Elisarion und der Grüne Heinrich» Stellung und schliesst sich den Kritikern an. Die Malerei Elisarions wird als «fürchterlicher Kitsch» bezeichnet. Der Autor geht noch einen Schritt weiter mit der Auffassung, dass es seinen homosexuellen Lesern, das mehr oder weniger geräuschvolle oder geräuschlose Verschwinden des «Sanctuarium», völlig Wurst sein könne. mehr dazu